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Filmkritik
Zunächst sieht es aus, als würde alles ganz schnell gehen zwischen Emma Morley (Ambika Mod) und Dexter Mayhew (Leo Woodall), als sie sich am 15. Juli 1988 in Edinburgh bei der Party kennenlernen, mit der ihr College-Jahrgang seinen Abschluss feiert. Die Blicke kreuzen sich in der tanzenden, trinkenden Menge. Es ergibt sich eine Gelegenheit für Dex, Emma anzuquatschen, und schließlich wird das Tête-à-Tête vom Campus in Emmas Studentenbude und auf Emmas Matratze verlegt. Doch noch während die Hüllen fallen, wachsen erste Unsicherheiten. Emma – klug-scharfzüngige, politisch interessierte Mittelstandstochter – scheint die eigene Unbekümmertheit, sich auf einen One-Night-Stand mit dem poshen Sunny- und Playboy Dex einzulassen, suspekt zu werden. Sie tritt auf die Bremse, lenkt das Auf-Tuchfühlung-Gehen vom Körperlichen ins Verbale. Wie Dex sich seine Zukunft vorstelle, will sie wissen. Die Gravität der Frage überrumpelt ihn, er kontert unernst und selbstironisch, sie wiederum sarkastisch. Irgendwie kommt der Sex nicht mehr richtig in Gang. Trotzdem ist da was zwischen den beiden, eine Anziehungskraft.
Am nächsten Tag lässt Dex sich darauf ein, sich nicht einfach wie geplant aus dem Staub zu machen, lernt Emmas Mitbewohnerin und beste Freundin Tilly (Amber Grappy) kennen, macht mit Emma einen Ausflug zum Hausberg Arthur’s Seat. Die Basis ist gelegt dafür, dass aus der zufälligen Begegnung Em-und-Dex entsteht – eine Verbundenheit, die über Jahre bestehen wird, irgendwo im Grenzgebiet zwischen Freundschaft und Liebe.
Momentaufnahmen aus zwanzig Jahren
David Nicholls’ Bestseller „Zwei an einem Tag“ (2009), auf dem die Serie beruht, verfolgt das, was aus diesem ruckeligen Start einer verhinderten Romanze entsteht, über einen Zeitraum von rund zwanzig Jahren, und ist dabei weniger eine klassische Love Story als eine Young-Adult-Coming-of-Age-Geschichte, die ihre Figuren durch die kritische Phase begleitet, wenn nach der Ausbildung der Ernst des Lebens beginnt – wenn es gilt, aus den vielen Möglichkeiten, die einem offen stehen, Nägel mit Köpfen zu machen (oder auch nicht) und sich beruflich und privat eine eigene Existenz aufzubauen. Die Erzählung springt elliptisch von einem 15. Juli, dem britischen St. Swithin’s Day, zum nächsten und verdichtet die jährlichen Entwicklungen, die Em und Dex durchmachen, anhand der Momentaufnahmen dieses einen Tages.
In der Filmadaption des Buchs durch Lone Scherfig (2011) wurde daraus eine etwas hektische Nummernrevue. Die Serie von Showrunnerin Nicole Taylor erweist sich als günstigeres Format, um dem Roman und seinem Changieren zwischen (Tragi-)Komödie und Melancholie gerecht zu werden, den Nuancen von Emmas und Dexters Beziehung nachzuspüren und daran ein Stimmungsbild der Zeit von den späten 1980er-Jahren bis ins neue Jahrtausend festzumachen.
Zwei in ihrer Unperfektheit lebenspralle Existenzen
Es ist eine Geschichte, in der jugendliche Träume und Erwartungen enttäuscht und Fehler gemacht werden, Chancen ungenutzt bleiben und sich doch daraus und aus den Kompromissen, Zufälligkeiten und Neuanfängen allmählich die Textur zweier gerade in ihrer Unperfektheit lebenspraller Existenzen ergibt, die untrennbar miteinander verschränkt sind.
Dexter, der das finanzielle Polster seiner Oberschichts-Eltern hinter sich weiß, stürzt sich erstmal in den „unendlichen Spaß“ der 1990er-Jahre, macht Karriere als Moderator im Trash-TV und hält sich Unsicherheiten und Unangenehmes mit diversen Rauschmitteln vom Leib, bis irgendwann der Crash und der Druck zur Neuorientierung kommen. Emma ist in dieser bewegten Zeit neben seinen Eltern seine einzige Konstante; die Chance, daraus eine feste Beziehung zu machen, ergreift er jedoch nicht. Und sie, die zunächst unausgesprochen diejenige ist, der mehr am anderen liegt und die mehr begehrt, kann die latente Furcht, nur eine weitere Eroberung in Dex’ Kette an Eroberungen zu werden, nicht ablegen und geht emotional nie voll aus der Deckung.
Pas-de-deux zwischen Nähe und Distanz
Beide gehen andere Bindungen ein; Mitte der 1990er-Jahre kommt es nach einem Streit eine Zeitlang gar zur Funkstille. Für Emma ist die Phase nach dem College auch ohne Dex’ zunehmende Labilität schwierig genug; der Wunsch, etwas Sinnvolles und Ausfüllendes zu machen, und die materiellen Notwendigkeiten sind schwer unter einen Hut zu bekommen; auf die Arbeit bei einem engagierten Laientheater folgt erst ein Brotjob als Bedienung bei Texmex, dann ein Neustart als Lehrerin. Anlässlich der Hochzeit von Tilly kommt die Freundschaft zu Dex wieder in Gang, und während Emma in den folgenden Jahren darangeht, als Jugendbuchautorin zu reüssieren, und Dex einmal mehr scheitert und sich wieder aufrappelt, entwickelt das unbestimmte „Etwas“ zwischen ihnen eine neue Dynamik – doch die Zeit, die ihnen gemeinsam bleibt, ist begrenzt.
Obwohl es im Grund eine recht tragische Geschichte ist, auf die Em-und-Dex hinausläuft, bleibt der Tonfall der Serie fast bis zum großen melodramatisch-bittersüßen Ende eher tänzerisch als schwermütig; ein strauchelnder Pas-de-deux zwischen Nähe und Distanz, zwischen Glücksmomenten und Stürzen, der sich zum liebevoll ausgewählten Zeitbild-Soundtrack entfaltet, von den fröhlichen 1980er-Beats von Inner Citys „Good Life“ (1988) bis hin zum zutiefst melancholischen „Show“ von Beth Gibbons und Rustin Man.
Eine ebenso fragile wie dauerhafte Bindung
Anders als in der Filmadaption haben dabei auch Nebenfiguren Gelegenheit, ein lebhaftes, sympathisches Profil zu entfalten – wie Emmas beste Freundin Tilly, die sozusagen die zweite große Liebe in Emmas Leben ist, Dex’ Eltern (Essie Davis, Tim McInnerny) , die mit zunehmender Sorge miterleben, wie aus ihrem sonnigen Jungen ein Mann wird, der schlecht gewappnet ist für die Schattenseiten des Leben, oder Emmas zeitweiliger Partner Ian (Jonny Weldon), der mit dem dumpfen Gefühl leben muss, für Em nur „second best“ nach Dex zu sein. Vor allem aber profitiert die Serienverfilmung von der Fähigkeit von Leo Woodall und ganz besonders Ambika Mod, die Komplexitäten von Em-und-Dex auszuloten, der fragilen und doch dauerhaften, ebenso schmerzhaften wie Halt gebenden Verbindung zwischen ihren Figuren. Wie sich da etwas öffnet in den Gesichtern in der Gegenwart des anderen, sich durch ein falsches Wort, eine Zurückweisung aber auch ganz schnell wieder schließen kann, ist bestes Gefühlskino.