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Filmkritik
Wanda sitzt in einem Bus, der von Polen in die Schweiz fährt. Sie hat zuhause zwei Kinder im Grundschulalter und rüstige Eltern, die sich liebevoll um diese kümmern. Und sie hat in der Schweiz eine Anstellung bei der Unternehmerfamilie Wegmeister-Gloor. Diese lebt in einer alten Villa am See. Tochter und Sohn sind erwachsen. Gregi (Jacob Matschenz) lebt noch im Elternhaus. Er ist etwas weltfremd, träumt gern den Vögeln nach und soll dereinst die familieneigene Fabrik übernehmen. Seine Schwester Sophie (Birgit Minichmayr) ist seit längerem ausgezogen. Sie ist liiert mit Manfred (Anatole Taubman) und kinderlos. Mutter Elsa (Marthe Keller) führt den Haushalt und arrangiert das Sozialleben. Sie hat Wanda engagiert, damit ihr Mann Josef (André Jung), der seit einem Schlaganfall teilgelähmt ans Bett gebunden ist, weiterhin zuhause wohnen kann; es würde an der Ehre der Familie kratzen, den Patron in einem Heim unterzubringen.
So lebt die Pflegerin Wanda – sie wird sehr sympathisch und überzeugend gespielt von Agnieszka Grochowska – jeweils drei Monate in der Schweiz und verbringt danach ein paar Wochen bei ihrer Familie in Polen, bevor sie wieder zurückkehrt. Die Wegmeister-Gloors haben ihr im Keller ein kleines Zimmer eingerichtet. Josef schätzt ihre weichen Hände, ihre Sanftmut, ihre Geduld und kann sie via Funktelefon jederzeit in sein Zimmer beordern. Gregi ist ein bisschen in sie verliebt. Elsa schätzt ihre Tüchtigkeit und versucht, nachdem die portugiesische Haushälterin sich aus dem Dienst verabschiedet hat, Wanda für eine kleine monetäre Aufstockung auch noch deren Tätigkeiten anzuhängen. 200 Franken bietet Elsa, Wanda fordert das Dreifache. Großzügiger ist Josef, der Wanda für die Befriedigung seiner intimsten Wünsche über die Bettdecke auch schon mal einen großen Schein zuschiebt.
Eine überraschende Schwangerschaft
Dreimal lässt Regisseurin Bettina Oberli in „Wanda, mein Wunder“ Wanda im Bus von Polen in die Schweiz einreisen. Jedes Mal wird sie von einem anderen Mitglied der Familie Wegmeister-Gloor an der Busendhaltestelle abgeholt und nach Hause gefahren. Das zweite Mal wird ihr bei der Autofahrt schlecht. Noch ist die Schwangerschaft nicht sichtbar, Wandas Mitteilung kommt für alle – außer vielleicht fürs Publikum – überraschend. Das Chaos ist perfekt, als nach und nach alle erfahren, wer der Kindsvater ist. Derweil Josef ein vermeintliches Wunder feiert, suhlt sich Gregi im Herzschmerz. Sophie sieht pragmatisch ihren Erbanteil schmelzen und Elsa zieht es in emotionale Abgründe.
Die Katholikin Wanda aber stellt eines von Anfang an klar: Abgetrieben wird dieses Kind nicht. Und so sucht man denn fieberhaft nach einer Lösung, die nicht nur zur Ruf- und Ehrenrettung der Familie beitragen, sondern, wenn möglich, gar einigen der Beteiligten einen langgehegten Wunsch erfüllen soll. Doch in der Familie Wegmeister-Gloor haben die Mitglieder wie überall größere und kleinere Geheimnisse voreinander, die nun unverhofft zu Tage treten.
Alle Arrangements werden durchgespielt
Bettina Oberli hat ihren Film um eine Polin, die von einer Schweizer Fabrikantenfamilie zur Pflege des ans Bett gebundenen Oberhaupts angestellt wird und von diesem plötzlich schwanger ist, als Komödie angelegt. Das funktioniert in der ersten Hälfte ganz gut. Es scheitert aber zunehmend daran, dass alle (mehr oder weniger) törichten Arrangements, mit denen die Beteiligten die vertrackte neue Situation zu ihren Gunsten zurechtzubiegen versuchen, in Gedanken durchgespielt, manchmal sogar ausprobiert, letztlich aber nicht umgesetzt werden. Weshalb das so ist, lässt Oberli offen.
Die Mitglieder der Familie Wegmeister-Gloor sind per se unsympathisch. Doch sie gehören zum Schweizer Geldadel und sind darauf bedacht, ihre Vorteile zu nutzen und verteidigen. Wanda ist eine starke Frau, die ihren Stolz und ihre Ehre zu verteidigen weiß. Sie ist nicht ganz, aber doch in vielem, von den Wegmeister-Gloors abhängig, kann als zweiten Trumpf aber immer die eigene Familie, ihr anderes Leben in die Waagschale werfen. Was sie, Kuh inklusive, auch tut. Die Voraussetzungen für eine gelungene Komödie sind also da, vor allem auch, weil „Wanda, mein Wunder“ über ein hochkarätiges Ensemble verfügt, das spielfreudig und weitgehend theaterfahren durchaus auch lange komische Szenen überzeugend durchzuhalten vermag. Vor allem Marthe Keller und Birgit Minichmayr, die in einer durchzechten Nacht als Mutter und Tochter in die Abgründe ihrer Leben aber auch ihrer Beziehung schauen, sind diesbezüglich sensationell.
Der Film verliert den Fokus
Doch viele herausragende Szenen ergeben noch nicht unbedingt einen großartigen Film. So kann denn auch nichts darüber hinwegtäuschen, dass „Wanda, mein Wunder“ immer mehr den Fokus verliert und gegen Ende zunehmend belanglos vor sich hinplätschert. Und weil Oberli es nicht schafft, sich ab dem Moment, in dem die Geschichte traurig und sogar tragisch wird, von einer immer wieder Richtung Slapstick gehenden Komik zu lösen, wirkt „Wanda, mein Wunder“ in vielem zunehmend befremdlich und bemüht. Das ist bedauerlich. Denn Geschichten um Frauen, die als heutige „Wanderarbeiterinnen“ Grenzen überschreitend Nationen und gesellschaftliche Schichten zusammenkitten, gehören unbedingt erzählt. Und natürlich auch solche um den (selbstherrlichen) Schweizer Mittelstand, der in Filmen wie „Wanda, mein Wunder“ ein bisschen einen Spiegel vorgehalten bekommt.