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Filmplakat von Ein Prophet

Ein Prophet

155 min | Drama, Thriller, Krimi
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Malik ist gerade einmal 18 Jahre alt, als er zu einer sechsjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wird. Unter all den knallharten Männern sieht es für den unerfahrenen Jungen anfangs nicht wirklich gut aus. Schnell zieht er deshalb auch das Interesse des Anführers einer korsischen Gang auf sich, die im Knast das Sagen hat, und wird von ihm zu kleinen und großen Botengängen gezwungen. Doch genau dadurch gelingt es Malik nicht nur, das Vertrauen der Gefangenen zu gewinnen, sondern sich gleichzeitig heimlich ein ganz eigenes Geschäft aufzubauen. (j.b.)

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Filmkritik

Für welche Verbrechen der 19-jährige Malik El Djebena konkret zu den sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde, die zu seiner Ausbildung dienen, wird im neuen Film von Jacques Audiard („Der wilde Schlag meines Herzens“, fd 37 225) explizit ausgespart. Man ist gezwungen, einige im Lauf des Films ausgeteilte Indizien und Informationen zu deuten: Malik ist ein Waisenkind mit Heim-Karriere und hat sich, so hat es zumindest den Anschein, bislang mit Kleinkriminalität durchgeschlagen: keine Bildung, keine Religion, keine Identität, keine familiären oder kulturellen Wurzeln. Allerdings dauert es nicht lange, bis sich die brutalen, bestens vernetzten korsischen Mafiosi um den mächtigen César Luciani den zunächst überforderten Malik ausgeguckt haben, um einen ausgehandelten Mord an einem Mithäftling zu begehen, der als Zeuge der Staatsanwaltschaft dienen soll. Bevor dieser ermordet wird, rät er seinem ungebildeten Mörder, die Zeit im Gefängnis zu nutzen, um diesen Ort am Ende klüger zu verlassen als er ihn betreten habe. Ist das die titelgebende Prophezeiung? Nach dem Mord wird Malik von den Korsen, die im Gefängnis das Sagen haben, protegiert und steigt zu einer Art Faktotum in der Knast-Hierarchie auf. Seine erste Lektion im Gefängnis hat er gelernt: Töten oder getötet werden! Doch die traumatische Erfahrung des Tötens wird ihn noch lange verfolgen. Als die meisten der Korsen aus politischen Gründen auf ihre Heimatinsel verlegt werden, rückt Malik näher an Luciani heran, wird aber noch immer für jeden Regelverstoß grausam bestraft. Trotzdem (oder deshalb?) gewinnt Malik zunehmend an Autonomie, ihm gelingt gerade aufgrund seiner Unscheinbarkeit eine Karriere: als Wanderer zwischen den Welten spricht er alle Sprachen der Gefängnisinsassen (Französisch, Arabisch, Korsisch lernt er erst im Gefängnis) und beginnt, auf eigene Rechnung zu arbeiten, sich andere Menschen zu verpflichten und seine Gegner gegeneinander auszuspielen. Überhaupt scheint das Gefängnis der Außenwelt osmotisch verbunden, bildet gewissermaßen die materialistischen und ideologischen Bewegungsgesetze draußen wie unter einem Brennglas ab. So, wie Morde von außen angeordnet werden, so werden vom Gefängnis aus Geschäfte organisiert; Freigänge werden für Racheakte und Neustrukturierungen des organisierten Verbrechens genutzt – korrupte Wächter und Mobiltelefone stehen als dienstbare Werkzeuge zur Verfügung. Im Gegensatz zu den Genre-Konventionen des klassischen Gefängnisfilms scheint hier kein Gefangener mehr einen Gedanken an einen Ausbruch zu verschwenden; das Foucaultsche „Überwachen und Strafen“ scheint einer entschiedenen Inversion unterzogen. Dabei ist „Ein Prophet“ nur oberflächlich ein sozialrealistischer Film; immer wieder werden Figurenperspektiven aufgebrochen und bestimmte Ereignisse symbolisch überhöht, wenn etwa Malik im Moment äußerster Gefährdung durch eine instinktive Prophezeiung sein Fell rettet und gestärkt aus der Situation hervorgeht. Audiards meisterhafte Studie ist in ihrer losen Folge von Episoden tatsächlich so etwas wie ein Erziehungsroman der anderen Art. Malik verfügt über die nötige Intelligenz, um sich schließlich von Luciani zu emanzipieren und auf weit weniger altmodische Weise als dieser „Macht“ zu akkumulieren und auch zu repräsentieren. Man wird Zeuge einer umfassenden Modernisierung in der Larve einer fast schon mythologisch überformten Biografie – im Vergleich zu den patriarchalen Strukturen des altmodischen und rassistischen korsischen Gangstertums ist Malik intellektuell und ideologisch deutlich wendiger, vor allem weniger auffällig. All dies gelingt Audiard in der Nachfolge des Genre-Meisters Jean-Pierre Melville ohne viele Worte oder Erklärungen, allein durch die physische Präsenz seiner Darsteller innerhalb einer prägnant inszenierten Topografie. Die Veränderungen, um die es geht, zeigen sich in kleinen Gesten, in der Körpersprache und darin, wer mit wem beim Hofgang eine Zigarette raucht. Am Ende wird Malik, der zu Beginn noch allein war, von einer wahren Eskorte am Gefängnistor empfangen. Die „éducation sentimentale“ ist abgeschlossen, ein Gangster neuen Typs ist geboren!

Erschienen auf filmdienst.deEin ProphetVon: Ulrich Kriest (31.10.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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