Ein Mann und eine Frau

102 min | Drama, Lovestory
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Deauville: An einem kalten Wintertag begegnen sich Anne und Jean-Louis, beide um die 30, zufällig bei einem Wochenendbesuch im Internat ihrer Kinder. Da Anne ihren Zug verpasst, fährt sie mit Jean-Louis im Auto zurück nach Paris. Auf der mehrstündigen Autofahrt kommen sie sich näher. Doch beide tragen noch schwer am Verlust ihrer früheren Partner .

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Filmkritik

Er ist Witwer mit Sohn, sie Witwe mit Tochter, Im Internat, in dem die Kinder untergebracht sind, begegnen sie einander. Das ist die Ausgangslage dieses Films, der die Geschichte einer Liebe zwischen zwei erwachsenen Menschen erzählt. Zwischen erwachsenen Menschen: Der Akzent liegt auf dem je Eigenen der Partner, auf dem persönlich Ausgeprägten, das Reichtum ist und zugleich Hindernis auf ihrem Weg zueinander. Die Geschichte ihrer Liebe verläuft darum bewegt, aber nicht gradlinig, denn es sind zwei Welten, die aufeinanderstoßen und sich vorerst aneinander stoßen, ehe` ihre Verschmelzung stattfinden kann. Wie sehr Liebe innere Anspannung, Rücksichtnahme und Selbstentäußerung fordert, vermag am Beispiel dieser Begegnung deutlich zu werden. Mit 29 Jahren gehört Claude Lelouch zur jungen Generation französischer Filmautoren. Er inszeniert nicht nur, sondern schreibt auch das Drehbuch und die Dialoge und führt die Kamera. Darüber hinaus ist er sein eigener Produzent, und damit frei - wie er selber sagt - zu drehen, was er will. Weiß er diese Freiheit zu nützen? Angesichts der Themawahl seines Films möchte man die Frage bejahen. Indes ist ein Film nicht allein von Thema und Gesinnung her zu beurteilen. Bei der Prämiierung in Cannes ("Goldene Palme", Preis des OCIC) wurde dem Film denn auch zum Guten angerechnet, daß er eine unkonventionelle, frische Sprache spreche. Tatsächlich geht Lelouch bei der Gestaltung die Wege der jungen Generation. Er begnügt sich mit einer höchst bescheidenen, simplen Handlung, deren Banalität er noch unterstreicht durch seine halbwegs auf Improvisation abgestellte Arbeitsmethode: Er wirft den Darstellern nur Ideen von Situationen und Geschehnissen hin, läßt sie dann selbständig agieren und belauscht sie dabei mit der Kamera. Das Verfahren zielt auf Authentizität der Szene und nimmt dafür den Zufall und die Unebenheit in Kauf. Die reportagehafte Unmittelbarkeit, die der Film so bei der Beobachtung der Darsteller anstrebt, gerät allerdings in harten Kontrast zu der die Möglichkeiten einer hochentwickelten Kameratechnik voll ausnützenden Bildgestaltung. Als Kameramann zieht Lelouch alle Register, und es gelingen ihm Bilder und Szenen von erstaunlicher Virtuosität und Schönheit. Aber die Frage nach dem Verhältnis dieses Aufwandes an optischen Effekten zum Gegenstand der Schilderung drängt sich auf. Derweil vom Höchstpersönlichen zweier Menschen die Rede ist, ergießt sich über die Leinwand ein Strom von "Stimmungs"-Bildern: Sonnenuntergänge, Lichterglanz, Meeresstrand wechseln ab mit zahllosen und langen Autoszenen, die in einen eigentlichen Kult ausarten und dem Film die boshafte Bemerkung eingebracht haben, "Ford" spiele die Hauptrolle. Die optische Brillanz dieser Szenen ist unbestreitbar, aber sie wird dort fragwürdig, wo sie in der Handlung keine Entsprechung findet, somit Selbstzweck wird oder durch "Stimmung" die im Rudimentären belassene Psychologie des Spiels ersetzen muß. Man hat, unter Hinweis auf gewisse sentimentale Züge des Films, davon gesprochen, Lelouch gehe es überhaupt nur um die Fixierung eines Gefühlszustandes. Diese Interpretation mag der Sache näher kommen, ändert aber nichts daran, daß der Autor in seinen Absichten derart deutlich, in ihrer Verwirklichung derart effekthascherisch wird, daß der Zuschauer es als aufdringlich und platt empfindet. Was als Überhöhung gemeint ist, wirkt - gleichsam in unfreiwilliger Verfremdung - aufgesetzt. So stellt der Film insgesamt eine eigenartige Mischung von Banalität und Virtuosität dar, im ästhetischen Detail faszinierend, jedoch im Streben nach "Gefühl" - nach Lelouchs eigenen Worten der Hauptzweck eines Films - von stoßender Direktheit. Achtenswert bleibt seine maßvoll optimistische Gesinnung, die wegen der Schwierigkeiten zwischen Mensch und Mensch nicht gleich einem verzweifelten Pessimismus verfällt, sondern abzuwägen weiß. Dabei ist freilich nicht zu übersehen, daß der Film in seiner Gefühlshaftigkeit nicht weit unter die Oberfläche dringt. Die Probleme, die er aufwirft, sind aber vor allem solche des künstlerischen Geschmacks.

Erschienen auf filmdienst.deEin Mann und eine FrauVon: (19.6.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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