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Filmplakat von Trümmermädchen - Die Geschichte der Charlotte Schumann

Trümmermädchen - Die Geschichte der Charlotte Schumann

122 min | Drama, Historie | FSK 16
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Deutschland, 1946. Hunger, Trümmer, heimkehrende Soldaten. Charlotte ist schwanger, aber ihr geliebter Heimkehrer will weder sie noch sein Kind. Um ihn für sich zu gewinnen und der drohenden Schande zu entgehen, schreibt sie sich für den "Fräuleinkurs" der Schauspielerin Gloria Deven ein, die im Faschismus ein aufstrebendes Filmsternchen war und nun Arbeitsverbot hat. Doch Gloria mit ihrem gnadenlosen Unterricht ist nicht daran interessiert, die im Krieg unnötig gewordene Koketterie der Mädchen wiederzubeleben. Stattdessen erweckt sie in Lotte die Sehnsucht nach etwas, das ihr zu lange schon verwehrt wird: Freiheit.

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Filmkritik

„Trümmermädchen“ ist ein Abschlussfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg, in dem Fassbinders „Die Ehe der Maria Braun“ auf Billy Wilders „Eine auswärtige Affäre“ und „Verschwörung der Frauen“ von Peter Greenaway trifft. Der Film spielt in einer stark an Theaterästhetik angelehnten Kulisse und ist mit einem Soundtrack unterlegt, der Elektro-Punk mit der „Ode an die Freude“ mischt, wobei durchaus auch noch Platz für schwarz-weiße Wochenschau-Aufnahmen, blutunterlaufene Zwischentitel inklusive NSU-Fahndungsfotos und eine Männer-mordende Frauenarmee ist, wie man sie aus überdrehten Episoden von „Mit Schirm, Charme und Melone“ kennt. Dank der im Mainstream angekommenen „MeToo“-Bewegung ist diese wilde Mixtur inzwischen offenbar auch an Filmhochschulen salonfähig. Es fragt sich allerdings, ob der 1981 geborene Regisseur Oliver Kracht demnächst auch bei öffentlich-rechtlichen Fernsehredaktionen reüssieren kann, wenn er seinem auf viele Väter verweisendem Stil treu bleiben will.

Inmitten einer misogynen Gesellschaft

Im Zentrum steht die von Valery Tscheplanowa grandios verkörperte Schauspielerin Gloria, die 1946 in den Räumen des „Proto“-Theaters vermeintliche Schauspielkurse für junge, naiv-unscheinbare „Fräuleins“ anbietet. Die erhoffen sich von dem Training bessere Chancen bei ihren zukünftigen Ehemännern, die als rare „Heimkehrer“ heiß begehrt sind. In Wirklichkeit aber unterzieht Gloria ihre Klientinnen zunächst einer brutalen Selbstdemontage, um sie im nächsten Schritt zu lehren, wie sie über die „Lust des Mannes“ herrschen können, um in einer misogynen Gesellschaft effektiver ihre eigenen Ziele verfolgen zu können, nicht lediglich als austauschbares Sexobjekt, sondern als unabhängige Journalistinnen oder Ärztinnen. Deshalb geht ihr Unterricht über kämpferische Theorien des unterdrückten Matriarchats hinaus. Sie konfrontiert ihre Schützlinge mit ihren Traumata wie die Vergewaltigung durch Soldaten, ungewollte Schwangerschaften oder inzestuösen Missbrauch. Danach „codiert“ sie ihr Quintett psychologisch neu und unterweist es mehr als explizit in häufig erwünschten Sex-Praktiken.

Zunächst scheint es so, als würde Gloria einen persönlich motivierten Rachefeldzug gegen alle weiblichen Schwächen führen, die „Männern nützen“. Erst allmählich aber kommt heraus, dass sie mitten in einem Entnazifizierungsverfahren steckt, von dem es abhängt, ob sie in einem Kinofilm ein „einfaches Mädchen“ spielen darf, das zum Idol der Trümmerfrauen stilisiert werden soll. Ihre Schülerinnen erweisen sich somit als nützliche Studienobjekte. Vor allem Charlotte Schumann (Laura Balzer) fühlt sich verraten, hat sich Gloria doch insbesondere ihre Lebensgeschichte für das Vorsprechen angeeignet. Sie ist es aber auch, die als einzige von den Schachzügen der „Freundin“ lernt und sie auch gegen diese zu wenden vermag, Das heißt aber nicht automatisch, dass in diesem abgründigen Intrigengeflecht die zu desillusionierten Überlebensmonstern abgerichteten Frauen nicht doch noch so etwas wie Solidarität untereinander finden können.

Als Feminist auf der Höhe der Zeit

Für die jungen Schauspielerinnen, neben Laura Balzer sind dies Anna Gesa-Raija Lappe, Lara Feith, Lena Urzendowsky und Katja Hutko, ist dieser übersteigerte Emanzipationshybrid zwischen Kostümfilm, Videoclip und zeitgeistigem Märchen ein Fest, das sie in allen emotionalen Hochs und Tiefs als Visitenkarte zu nutzen wissen. Nicht zu vergessen der Mann am Ende dieser aus dem üblichen Absolventenrahmen herausfallenden Verwertungskette: Oliver Kracht gibt sich auf der Höhe der Zeit als Feminist, der in seinem Drehbuch die Vergangenheit zum Spiegelbild der gar nicht so weit entfernten Gegenwart macht, wenn man auf die Position der Frauen generell oder die Rückkehr autoritär-populistischer Versuchungen schaut. Dass er dabei mit seinen Ambitionen prahlt und die Profilierungssucht mitunter mit ihm durchgeht, sei ihm in Zeiten gegönnt, in denen eine mafiöse Männerclique jenseits des Rentenalters die russische und ukrainische Jugend nicht zuletzt ins Sittenkorsett des 19. Jahrhunderts zurückbomben möchte und „dekadente“ Filme wie „Trümmermädchen“ erst gar nicht entstehen ließe.

Erschienen auf filmdienst.deTrümmermädchen - Die Geschichte der Charlotte SchumannVon: Alexandra Wach (24.1.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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