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Filmkritik
„Kein Kunstwerk ist ein Menschenleben wert.“ Simon ist Kunstauktionator. Aus dem Off – so, als sei er der Erzähler des Films – informiert er den Zuschauer, wie einfach es früher war, Bilder aus Auktionshäusern zu stehlen. Jetzt allerdings seien die Sicherheitsvorkehrungen ins Überdimensionale gewachsen, aber auch die Kunstdiebe hätten nachgerüstet, und wenn sie ihrem Begehren mit Waffengewalt Nachdruck verliehen, müsse man als Angestellter einfach klein beigeben. Und dann passiert es: Rauchbomben kullern durch die Gänge, mit Gasmasken ausgestattete Räuber stürmen den Auktionssaal. Simon handelt entsprechend den Sicherheitsregeln, schnappt sich den millionenschweren Goya und will ihn in eine für Notfälle vorgesehene Safe-Klappe werfen. Dabei stellt er sich allerdings Franck, dem Anführer der Bande, in den Weg, und wird durch einen Schlag mit dem Gewehr so schwer verletzt, dass er für Tage im Krankenhaus landet – und überdies sein Gedächtnis verliert. Wo ist das Gemälde? Simon weiß es nicht mehr. Überdies stellt sich heraus, dass er mit Franck gemeinsame Sache gemacht hat, um – das enthüllt später eine Rückblende – Spielschulden zu begleichen. Als Drohungen und Folter dem Gedächtnis nicht auf die Sprünge helfen, zwingt Franck den jungen Auktionator, sich von der Psychologin Elizabeth Lamb hypnotisieren zu lassen. Doch die merkt schnell, was hier gespielt wird, und will auch ein Stück vom Kuchen ab haben. Das aber ist erst der Beginn eines Verwirrspiels, in dem schon bald nicht mehr zu unterscheiden ist, ob es um Traum oder Realität, Erzählung oder Wunschvorstellung, Vergangenheit oder die subjektive Erinnerung an sich geht. Schon das rotleuchtende Autobahngewusel, das sich als metaphorisches Motiv durch den Film zieht, verdeutlicht das geplante Durcheinander. Mit den Hypnose-Sitzungen ziehen Regisseur Danny Boyle und die Drehbuchautoren Joe Ahearne und John Hodge eine zweite Realitätsebene ein, die überdies mehrmals gebrochen wird. Simons Erzählungen unter Hypnose werden bildhaft; er sieht sich selbst dabei zu, wie er während des Kunstraubs gehandelt hat. Oder gehandelt haben könnte. In dieser Vagheit ist auch die Furcht vor der Erinnerung enthalten, die mühsam hervorgeholt werden muss. Zu den schönen Bild-Ideen gehört ein Paket mit Erinnerungen, das der Postbote bringt und nur noch geöffnet werden muss. Szenen wie diese machen „Trance“ zu einem klugen, aufregenden Traktat über Erinnern und Vergessen, über die psychologischen Hintergründe und die unberechenbaren Folgen. Dabei ist den Bildern nicht immer zu trauen, am besten verdeutlicht in Simons Interpretation von Rembrandts Gemälde „Der Sturm auf dem See Genezareth“ (eines der wertvollsten Gemälde, das jemals gestohlen wurde), in dem sich Rembrandt selbst unter die Bootspassagiere gemalt hat. Er sieht den Betrachter an, doch sicher ist das nicht. So wie auch im Folgenden nichts mehr sicher ist. Mehr noch als ein Thriller ist „Trance“ das Psychoduell dreier unterschiedlicher Figuren, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Blutend, geschlagen, verschwitzt und ein Spielball der anderen: so legt James McAvoy seine Figur an, die ihr Geheimnis bewahren zu können glaubt. Vincent Cassel interpretiert die Rolle des Bandenchefs hingegen geradlinig als brutaler, unberechenbarer Gangster, der sein Ziel durch Gewalt und Entschlossenheit erreichen will. Rosario Dawson war selten so präsent, anziehend und dominant wie in diesem Film. Mit ihrer Macht über Männer löst sie auch erotische Verwicklungen aus, die auf die Auflösung des Films hindeuten. Danny Boyle und sein Kameramann Anthony Dod Mantle finden sehr viel klarere, schlichtere und pragmatischere Bilder als in ihren Vorgänger-Filmen, etwa „127 Hours“ (fd 40 317); nur die Hypnoseszenen visualisieren mit lebendiger Farbigkeit und tanzenden Schemen das traumhafte Geschehen. Dramaturgisch zieht Boyle ganz langsam die Schraube an: eine Enthüllung hier, eine Enthüllung dort. Dennoch sind die trickreichen Wendungen, Überraschungen und Kurven eher Beirat denn Inhalt. Denn am Schluss hat man das Gefühl, viel gesehen und erlebt zu haben – und trotzdem mit leeren Händen dazustehen.