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Filmplakat von Tori & Lokita

Tori & Lokita

88 min | Drama | FSK 12
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Auf der Flucht von Benin nach Europa lernt Tori die ältere Lokita kennen. In Belgien angekommen, geben sie sich als Geschwister aus. Für die illegal eingereiste Lokita ist das die einzige Chance, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Allmählich werden die Behörden skeptisch – ein DNA-Test soll Klarheit schaffen. In einem Strudel aus Not und Kriminalität wird die Freundschaft der "Geschwister" auf die Probe gestellt.

Vorstellungen

Leider gibt es keine Kinos.

Filmkritik

„Warum bekomme ich eine Aufenthaltsgenehmigung und meine Schwester nicht?“, fragt der junge Tori aus Benin, nachdem die belgischen Behörden das Gesuch der um einige Jahre älteren Lokita abgelehnt haben. Was sich der pfiffige, aber auch noch kindliche Tori (Pablo Schils) wünscht, wird nicht eintreten. Zum einen, weil die beiden gar keine echten Geschwister sind, auch wenn sie sich als solche empfinden. Dabei erscheint Lokitas Legende, dass sie Tori aus dem Waisenhaus in Benin befreit habe, nachdem sie von seiner Existenz erfuhr, zunächst durchaus plausibel. Er sei dorthin verbannt worden, weil er als Hexenkind galt, erklärt Lokita (Joely Mbundu) den Behörden, und das stimmt auch. Deshalb hat Tori in Belgien einen Schutzstatus erhalten. Doch Lokita wurde von Schleusern über Sizilien nach Belgien gebracht, und so kämpft das Mädchen an vielen Fronten und ist ihrem biologischen Alter in vielerlei schmerzlicher Hinsicht voraus.

Riskante Botengänge, schlecht bezahlt

Den Schleusern schuldet sie Geld, das sie allerdings auch ihrer in Afrika verbliebenen Familie überweisen will. Sie verdient es sich zusammen mit Tori durch zwielichtige Jobs. Beide schmuggeln Drogenpäckchen in einschlägige Clubs in der Stadt, werden für die riskanten Botengänge aber schlecht bezahlt und laufen ständig Gefahr aufzufliegen. Außerdem nutzt der Restaurantbesitzer, für den beide arbeiten, Lokita auch sexuell aus. Dennoch nimmt sie alles auf sich, weil sie auf ein Ziel hinarbeitet: Sie will Haushaltshilfe werden und dann ganz legal als Ernährerin ihrer Familie in Afrika fungieren.

Gegen Lokitas Nöte muten jene der Protagonistin aus „Rosetta“ von Luc und Jean-Pierre Dardenne fast harmlos an. Wo die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Rosetta verbissen daran arbeitete, sich aus ihrer sozialen Notlage zu befreien, scheinen Lokitas Hürden kaum überwindbar. An eine unbeschwerte Kindheit und Jugend ist da nicht zu denken. Lokita steht unter außerordentlichem Druck und gerät dadurch in die Hände von Mafiosi, für die sie als Gefangene in einem hermetisch abgeriegelten Gewächshaus Cannabis züchtet. Mit dem Geld hofft sie, sich illegale Papiere zu besorgen. Doch bis es so weit ist, muss sie ihren Peinigern bedingungslos gehorchen und hat zudem keinerlei Garantie, dass sie ihr Versprechen halten.

In ihrem zwölften Film schildern die Dardenne-Brüder mit gewohnt hartem Realismus das Schicksal einer in moderner Sklavenarbeit gefangenen jungen Protagonistin. Sie wehrt sich heldenhaft und wird dabei rührend von ihrem jüngeren Wahlbruder Tori unterstützt. Wie Kinder sich sogar widrigen Situationen anpassen können, bezeugen die Handlungen des Jungen. Er will Lokita beschützen und agiert bedingungslos solidarisch, nicht ohne dabei immer wieder an seine Grenzen zu stoßen – durch ihn maßregelnde Erwachsene im Heim oder durch die Kriminellen, die Lokitas Leben bestimmen.

So beklemmend wie überzeugend

Es ist bestürzend und bewegend zugleich, Tori bei seinen Bemühungen zu folgen. Während sich der Film immer mehr zu einem Krimi entwickelt, erscheinen nicht alle Eskapaden von Tori glaubwürdig, etwa eine nächtliche Fahrt im Auto eines Mafioso, in dem er sich versteckt, um Lokitas Aufenthaltsort zu erkunden. Doch die übergreifende Situation von illegalen Jugendlichen zwischen behördlicher Gleichgültigkeit und allgegenwärtiger krimineller Ausbeutung schildern die Regisseure beklemmend und überzeugend.

Wie viele der Protagonisten der Dardenne-Brüder sind Tori und Lokita Gehetzte. Immer wieder fängt die nahe an den beiden Protagonisten operierende Kamera ein, wie sie ständig in Bewegung sind und keine Ruhepause einlegen können. Trotz ihres jugendlichen Alters haben die beiden schon viel erlebt, sind hart im Nehmen und lassen sich nicht unterkriegen. Während das Kind Tori vieles noch spielerisch erlebt, erkennt die Jugendliche Lokita den Ernst der Lage und läuft als angehende Frau auch mehr Gefahr als ihr kleiner Freund, ausgenutzt und missbraucht zu werden.

Bei der Schilderung des Schicksals ihrer beiden Helden verherrlichen die Dardenne-Brüder nie deren Elend und halten Tempo und Spannung hoch. Dennoch wird die Lage von Tori und Lokita durch einen auf einem hebräischen Volkslied basierenden Song von Angelo Branduardi symbolisiert, den beide gelegentlich vortragen, um sich ein Taschengeld zu verdienen. In „Alla fiera dell’est“ besingen sie eine Maus, die von ihrem Vater für zwei Münzen gekauft wird, dann aber von einer Katze gefressen wird, die wiederum vom Hund gebissen, der von einem Stock geprügelt wird und so weiter. Jeder frisst hier jeden, und Tori und Lokita befinden sich am untersten Ende der Nahrungskette.

Erschienen auf filmdienst.deTori & LokitaVon: Kira Taszman (28.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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