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Filmkritik
Für ihren ersten langen Animationsfilm hat sich die norwegische Filmemacherin Kajsa Næss eine typische Heldenstory ausgesucht, die auf einem realen Fall beruht. Es geht um die enge Kooperation und spätere Rivalität zweier Abenteurer: dem italienischen Luftschiffingenieur Umberto Nobile (1885-1978) und dem norwegischen Polarforscher Roald Amundsen (1872-1929). Zusammen mit dem Millionär Lincoln Ellsworth gelang es den beiden im Jahr 1926, erstmals mit einem Luftschiff den Nordpol zu überqueren. Als Nobile 1928 mit einem zweiten Luftschiff in der Arktis verunglückte, leitete Amundsen eine Rettungsexpedition für den Kollegen, verschwand dabei aber mit seinem Flugzeug spurlos im Nordpolarmeer.
Næss und ihr Ko-Autor Per Schreiner brechen die Struktur der männlichen Heldensaga über zwei Naturbezwinger allerdings auf, indem sie die Geschichte weitgehend aus der Perspektive eines Haustiers erzählen und damit zu einem emotionsgeladenen Doppelporträt zweier Egomanen umfunktionieren. Dass sie es dabei mit den historischen Fakten nicht ganz so genau nehmen, signalisiert bereits der Vorspann mit dem Hinweis „Mehr oder weniger nach auf wahren Ereignissen“ und der Behauptung, dass die titelgebende Hündin mehr als 50 Jahre alt geworden sein soll. Reale Hunde werden im Schnitt allerdings nur zehn bis 15 Jahre alt.
Aus der Sicht des Hundes
Im Jahr 1978 schauen sich die Terrierhündin Titina und der alte Umberto Nobile jedenfalls gebannt alte Schwarz-weiß-Aufnahmen von ihren gemeinsamen Expeditionen zum Nordpol an. Eine Rückblende führt 53 Jahre zurück. Dort stromert die herrenlose Titina in den Straßen von Rom herum. Als die hungrige Hündin in einer Metzgerei eine Wurst stehlen will, landet sie in den Armen des jungen Ingenieurs Nobile, der sie mit Sellerie füttert. Das zutrauliche Tier folgt ihm in seine Wohnung und wird in die Familie aufgenommen. Von nun an weicht Titina nicht mehr von seiner Seite.
Auch nicht, als Nobile vom norwegischen Polarforscher Roald Amundsen den Auftrag erhält, ein großes Luftschiff zu bauen. Amundsen, der 1911 als erster Mensch den Südpol erreicht hatte, möchte damit zum Nordpol reisen. So gelangt dann auch Titina an Bord des Zeppelins „Norge“, der von Spitzbergen aus in einer abenteuerlichen Fahrt über den Nordpol fliegt. Eine Landung am Pol ist aus technischen Gründen nicht möglich. Kurz darauf macht das Luftschiff in Teller, Alaska, eine Bruchladung. Zwischen Nobile und Amundsen bricht ein Streit über die Frage aus, wem der Ruhm für die Pioniertat zusteht.
Von den abenteuerlichen Reisen in die Arktis erzählt „Titina“ in liebevollen 2D-Animationen, die in Italien in warmen Farben getaucht sind, in Norwegen und der Arktis hingegen eine große Kühle ausstrahlen. Die visuelle Gestaltung erinnert mit ihrer leisen Poesie gelegentlich an die Ästhetik von Jacques Tati und Wes Anderson. Dazwischen sind schwarz-weiße Ausschnitte aus historischen Realfilmen inklusive der wirklichen Titina montiert, die seinerzeit zum Medienstar avancierte. Die „New York Times“ widmete der Hündin sogar ein eigenes Tagebuch.
Ausflüge ins Fantastische
Hin und wieder greift die Regie auch zu ungewöhnlichen Bildgestaltungen wie vertikalen Split Screens, etwa als Amundsen zum ersten Mal mit Nobile telefoniert. Mitunter erlauben sich Næss und Per Schreiner auch Ausflüge in fantastische Gefilde. Etwa wenn eine Jazzsängerin über die lediglich angedeuteten Stufen eine imaginäre Treppe hinaufsteigt oder Amundsen in einer kuriosen Vision von Titina einen Eistanz mit einem Pinguin wagt. In einer anderen Szene ruft die Hündin einen riesigen Wal herbei, der kleine Eisschollen schicken soll, über die sie sich im Polareis ans Ufer retten kann. Ins Reich der Wunschträume gehört auch der allzu harmoniebedachte Schluss, der den beiden Kontrahenten ein versöhnliches Wiedersehen gönnt.
Während die naive Sicht der Hündin auf die Ereignisse dem jungen Publikum den Zugang erleichtert, kommen Erwachsene vor allem bei den satirischen Szenen um den italienischen Diktator Benito Mussolini und dessen Luftmarschall Italo Balbo auf ihre Kosten. Es ist schlicht wunderbar, wenn die beiden mehrmals mit einer lärmigen Militärkapelle aufkreuzen und sich lächerlich machen, weil sie sich so furchtbar wichtig nehmen und aufplustern.