- RegieRolf de Heer
- Dauer96 Minuten
- GenreScience FictionFantasyMystery
Cast
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Filmkritik
Ihr Käfig steht in der Wüste. Hier soll sie sterben, in der Hitze, die Trockenrisse in den Boden brennt, oder in der Kälte, die sich nachts gemeinsam mit dem Sternenhimmel über die vegetationslosen Weiten legt. Die Protagonistin (Mwajemi Hussein), im Abspann schlicht „BlackWoman“ genannt, ergibt sich nicht dem Schicksal, das die von der Gasmaske verhüllte Schreckensherrschaft ihr zuteilt. Sie bricht ihren Käfig auf.
Die Kamera spielt Western. Wechselt von den extremen Nahaufnahmen (BlackWomans Gesicht, BlackWomans Verzweiflung, BlackWomans Werkzeuge, BlackWomans Ausbruch) zu gewaltigen Panoramen von Wüste und Sternenhimmel und wieder zurück zu Makroaufnahmen der Ameisen, die den Käfig neugierig betasten. Bis die Gefangene ihn schließlich verlässt, um ihre Reise durch den unverkennbaren roten Sand des Outbacks in Richtung der Reste der Zivilisation anzutreten.
Die Schrotflinte ist nicht geladen
Die sichtbaren Verweise auf die koloniale Vergangenheit Australiens vollziehen mit jedem Schritt den Wandel zu einer universelleren Symbolsprache, die Rolf de Heers Vision der Postapokalypse antreibt: die Gesamtheit der Wirbeltiere hat ihre Gebeine in einer Ruine versammelt, die Reste der Menschheit verwesen unter dem Sand oder siechen langsam hustend dahin. Ein Höllenkreis, dessen Stationen (Pandemie, Artensterben, Klimakollaps) gut sichtbar als allegorische Fähnchen ins Bild gestellt werden. Hinter die historischen und zeitgenössischen Stichworttafeln schaut „The Survival of Kindness“ selten. Das Politisch-Allegorische wagt sich nicht aus der vermeintlichen Sicherheit der wohlwollenden Geste hervor.
Tatsächliche sind eben solche Gesten das Herzstück der im Titel angedeuteten und hoffentlich überlebenden Güte. BlackWoman lässt die Schrotflinte ungeladen, gibt den Sterbenden Wasser oder begleitet sie für den letzten Gang zu einem der wenigen friedlichen Orte, den das dystopische Rundumschlags-Szenario noch bietet.
Der evolutionäre Gang, den BlackWoman antritt, führt zunehmend weg von diesen Orten, Richtung des Menschlichen, das, wie der Film wieder und wieder betont, nicht mit der Menschlichkeit zu verwechseln ist. Das animalische, allein auf Nahrungsbeschaffung und Schutzsuche ausgerichtete Leben bleibt zurück, um etwas Neues, deutlich Finsteres zu suchen. Die Interaktionen werden komplizierter, die Umgebung urbaner.
In den Städten trifft sie auf die Menschheit, die noch atmet, gewaltsam der Ethnie nach aufgeteilt. Herrscher sind die Bewaffneten. Unter deren Gasmaske blasse Haut und bestenfalls blaue Augen sichtbar werden. Der Rest der Menschheit baumelt am Baum, ist versklavt oder versteckt sich, wie die später zu BlackWomen stoßenden BrownGirl (Deepthi Sharma) und BrownBoy (Darsan Sharma) in verwaisten Industrie-Ruinen. Sprache gibt es keine mehr. Die Herrscher bellen Kommandos, die Sklaven missverstehen sich in Kauderwelsch.
Ein fahriger Widerstandsgestus
Die Parabel von Rolf de Heer macht es in seiner universellen Schwammigkeit bequem. Ungeachtet dessen, ob es um Rassismus, australische Kolonialgeschichte, Artensterben, Klimakollaps oder alles gehen mag: „The Survival of Kindness“ stellt sich allemal auf die richtige Seite der Geschichte. Wirklich reflektiert wirkt der Film dabei nicht. Der schwarzen Protagonistin ihre Güte zu lassen, sie zur Symbol- und Identifikationsfigur des Widerstands im Namen der Menschlichkeit zu machen, ist ein bestenfalls fahriger Widerstandsgestus. BlackWoman will, wenngleich sie zur Identifikationsfigur erklärt wird, nie wirklich zum Individuum taugen. Ihr bleibt nur ein Dasein als Symbolfigur, die, bewaffnet mit einem letzten Rest Humanismus, durch das tugendhaft, aber nicht wirklich gründlich geräumte Minenfeld der Allegorien marschieren muss.