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Filmplakat von Der denkwürdige Fall des Mr Poe

Der denkwürdige Fall des Mr Poe

130 min | Horror, Krimi, Mystery
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New York, 1830. In der Militärakademie von West Point wird ein junger Kadett tot aufgefunden. Alles deutet darauf hin, dass er sich selbst das Leben genommen hat. Doch am nächsten Morgen kommt ein schrecklicher Umstand ans Licht: Jemand hat über Nacht das Herz des Kadetten entfernt und gestohlen. Detektiv Augustus Landor nimmt sich des Falls an - und bekommt dabei Hilfe von einem jungen Kadetten mit dem Namen Edgar Allan Poe.

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Filmkritik

In den Welten von Edgar Allan Poe geschieht so manch Unerhörtes und meist so, dass der sicher scheinende Boden unter den Füßen ins Wanken gerät. Bei kaum einem anderen Schriftsteller muss man so sehr befürchten, dass alles, was einem erzählt wird, erfunden, eingebildet oder erlogen ist. Das trifft sicherlich auch auf „Der denkwürdige Fall des Mr. Poe“ zu, nur dass diese Geschichte gar nicht auf einem Stoff des großen Schriftstellers basiert.

Vorlage ist der gleichnamige Roman von Louis Bayard aus dem Jahr 2005. Der aber spielt derart gewieft mit Leben, literarischem Werk und Persona von Poe, dass man doch wieder das Gefühl bekommt, hier auf eine Geschichte zu treffen, die der 1849 verstorbene Autor selbst geschrieben oder gar Bayard eingeflüstert haben könnte. Aber keine Sorge, man muss nichts von Poe gelesen haben, um auf zwei Stunden solide Krimikost im schön schummrig geleuchteten 19. Jahrhundert zu kommen. Es bereitet allerdings unendlich mehr Freude.

E.A. Poe (Harry Melling), der im echten Leben als Kadett in der berühmten West Point Academy dient, ist zunächst gar nicht der Protagonist des Films. Denn als ein anderer Kadett tot an einem Strick aufgefunden wird, wobei dem Erhängten post mortem auch noch das Herz herausgeschnitten wurde, rufen die Militärs den in einer Waldhütte hausenden Ermittler Landor (Christian Bale). Der macht sich alsbald an die Arbeit, wobei er dem Formalismus der Militärschule wenig abgewinnen kann.

Eine Welt des Obskuren

Das trifft auch auf eben jenen Poe zu, der in seiner Uniform wie ein im Schnee vergessenes Handtuch aussieht. Mit dem Fall und dessen Verbindungen zu satanistischen Ritualen, in Geheimsprache verfassten Briefen, Eifersüchteleien und geheimen Gesellschaften wähnt sich der junge Soldat dagegen in seinem Element. Er assistiert dem mit eigenen Dämonen ringenden Ermittler auf einem Drahtseil, bei dem man nie sicher sein kann, ob es nur imaginiert ist, konstruiert wurde oder tatsächlich existiert. Das lustvoll aufspielende Ensemble hilft dabei, dass man dieses Spiel mit all den obligatorischen Twists und Ungereimtheiten, vieldeutigen Blicken und offensichtlich falschen Fährten bis zum durchaus überraschenden Ende gerne verfolgt.

Die Inszenierung von Regisseur Scott Cooper evoziert die Welt Poes filmisch, die literarischer nicht sein könnte, was den Film gelegentlich auch verpuffen lässt, indem er Raben, Silhouetten vor flackerndem Laternenlicht und durchs Unterholz stolpernde Zylinderträger im konstanten Halbdunkel in Szene setzt. „Der denkwürdige Fall des Mr. Poe“ ist ein Film in Schwarz (Raben, Hüte, Mäntel, Nacht) und Weiß (Schnee und Unschuld). Allerdings wagt er nur selten den naheliegenden Sprung ins Expressionistische, etwa wenn es zu einer unheimlichen Begegnung im nächtlichen Wald kommt und kurze Zeit nur noch Silhouetten vor der Linse tanzen, fast so wie in einem Film von Lotte Reiniger. Meist herrscht jene glattgebügelte Ästhetik vor, die im Streamingkino so vieles bestimmt und in der alles gleich aussieht. Das schmerzt auch deshalb, weil die Atmosphäre neben dem Schauspiel das Einzige ist, was „Der denkwürdige Fall des Mr. Poe“ seiner Vorlage hinzufügen könnte.

Die Toten lenken das Geschehen

Interessant ist, dass sich der Film niemals so anfühlt, als würde er in den USA spielen. Besetzung, Setting, das verschwiegen-steife Gebaren und das winterlich trübe Isolationsgefühl erinnern mehr an einen britischen Stoff. Damit wird einer politischen Lesart mit Blick aufs Militär sanft der Riegel vorgeschoben, was zum britischsten (dort auch aufgewachsenen) der großen US-amerikanischen Schriftsteller auch gut passt.

Doch egal, ob Britisch oder Amerikanisch, es sind die Toten, die diesen Film aus dem Off lenken. Poe sagt einmal, dass er daran glaube, dass die Toten die Menschen heimsuchen, weil wir sie vergessen würden. Die parallele Entfaltung übernatürlicher und logischer, quasi wissenschaftlicher Beweisführungen ist es, die „Der denkwürdige Fall des Mr. Poe“ dann auch zu einem spannenden, nie ganz vorhersehbaren Krimi machen.

Am Ende steht ein literarischer Verweis, denn Poe kündigt Landor im Lauf der Handlung an, dass er eines Tages über ihn schreiben werde. Mit dieser Information im Hinterkopf und vor allem durch das lange nachwirkende Finale des Films liest sich Poes Kurzerzählung „Landors Landhaus und dessen mysteriöser letzter Satz wirklich noch einmal ganz anders: „Es liegt nicht in der Absicht dieser Erzählung, mehr zu geben als eine eingehende Schilderung von Mr. Landors Wohnsitz, wie ich ihn fand.“ Allerdings ist dies die Leistung der literarischen Vorlage, nicht die des Films.

Erschienen auf filmdienst.deDer denkwürdige Fall des Mr PoeVon: Patrick Holzapfel (4.1.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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