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Filmkritik
Vielen Serienfans gilt „Die Sopranos“ auch heute noch als beste Fernsehserie überhaupt. Während ihrer Laufzeit von sechs Staffeln wurde sie mit Preisen überhäuft, etwa mit 21 „Emmys“ und fünf „Golden Globes“. Ab März 2000 liefen die ersten drei Staffeln auch im ZDF, allerdings mit nachlassendem Mut der Programmverantwortlichen, die die Folgen zu nachtschlafender Stunde versendeten. Später sprangen die Sender kabeleins und Premiere mit den letzten Staffeln in die Bresche.
Herzstück der Erzählung war James Gandolfinis beeindruckendes Porträt von Tony Soprano, dem klugen und skrupellosen, aber auch depressiven und viel zu sensiblen Gangsterboss – ein überlebensgroßer Antiheld, den man so im Fernsehen noch nicht gesehen hatte. Gewürzt mit düsterem Humor, beschreibt „Die Sopranos“ eine gewalttätige Welt voller Verbrechen, Verrat und Untreue. Doch weil die Gangster sich auch um ihre alten Eltern und heranwachsenden Kinder kümmern müssen, sind sie auch Identifikationsfiguren: Mafiosi sind auch nur Menschen.
Nun erzählen die Autoren David Chase und Lawrence Konner die Vorgeschichte der „Sopranos“; Alan Taylor, schon bei der Serie dabei, führt auch hier Regie. Es beginnt mit einem kleinen Kabinettstück. Eine höchst agile Kamera fährt auf einem Friedhof über die Gedenksteine und hält gelegentlich vor einem Grab inne, sodass man Namen und Foto erkennen kann: alte Bekannte, die kurz über ihr viel zu frühes Ende in der Fernsehserie berichten. Bis die Kamera vor dem Grab von Dickie Moltisanti haltmacht, der mit seiner Off-Erzählung ins Newark des Jahres 1967 entführt, in das italienische Viertel North Ward.
Dickie (Alessandro Nivola) ist ein makellos gekleideter Mafioso, der sich in seiner Gentleman-Attitüde gefällt. Allerdings ist sein Vater „Hollywood Dick“ Moltisanti (Ray Liotta) soeben mit einer neuen, wunderschönen Braut namens Giuseppina aus Italien zurückgekehrt. Dickies Vater ist ein aufbrausender und anmaßender Mann, der keinen Widerspruch duldet. Immer wieder kommt es zu Konflikten.
Interesse sich für Rockmusik und Mädchen
Dickies größter Bewunderer ist sein Neffe Anthony Soprano (gespielt von Michael Gandolfini, dem Sohn des Serienstars), ein etwas unbedarfter Teenager, der sich für Rockmusik und Mädchen interessiert. Doch im Juli 1967 entbrennen durch Polizeigewalt auch in Newark tagelange Rassenunruhen. Hass und Gewalt durchziehen die Straßen. Schwarze Gangster wollen auch ein Stück vom Kuchen und verderben den Mafiosi das Geschäft. Anthony hingegen wird durch das Vorbild seines Onkels immer aufmüpfiger und skrupelloser. Sein Weg in das organisierte Verbrechen scheint vorgezeichnet.
„The Many Saints of Newark“ weckt zunächst Interesse durch seine Anbindung an die Serie. Welche Figuren aus den „Sopranos“ lernt man hier als junge Männer kennen? Ist in dem jungen Anthony schon der zweifelnde Neurotiker zu erkennen, der als Erwachsener sogar eine Gesprächstherapie braucht? Auf mehreren Festen (Kommunion, Hochzeit, Geburtstag, zahlreiche Beerdigungen) kommen Verwandte und Familienmitglieder zusammen. Doch die Wärme und der Schutz, die ähnliche Szenen in Coppolas „Paten“ verbreiten, will sich hier nicht einstellen.
Die Verbundenheit der Familie, ihre Bedeutung als schützender Raum, wird seltsam konterkariert, weil Dickie Moltisanti ein so unberechenbarer, jähzorniger Charakter ist. Er besucht zwar seinen eigenen Onkel (Ray Liotta in einer Doppelrolle) im Gefängnis, was sein Verhältnis zu seinem Neffen Anthony spiegelt. Trotzdem wird er zum Monster, das nicht nur feindliche Gangster, sondern auch mit einem Rekurs auf den Ödipus-Mythos Unschuldige zerstört – zur großen Irritation der Zuschauer. Zur Identifikationsfigur taugt er nicht, im Gegenteil: Sein lapidares Ende, durch seine Arroganz bedingt, ist einem egal.
Vom Aufruhr ins organisierte Verbrechen
Auch die Metapher eines zerrissenen Landes, in dem sich Schwarze und Polizisten in brennenden Straßen bekämpfen, will nicht funktionieren, weil sie dem Film so bedenkenlos übergestülpt wird. Vom politischen Aufruhr ins organisierte Verbrechen – das ist doch zu kurz gedacht. Die Krimihandlung hingegen kocht nur auf Sparflamme. Was die Mafiosi eigentlich machen, wie sie ihr Geld „verdienen“, erfährt man nicht. Im Hinterzimmer eines Ladens, der nur als vorgeschobene Legitimation gilt, werden Kartons gestapelt und dann abgeholt – als filmische Aktion ist das zu wenig.
Was bleibt, ist die genaue, detailfreudige Zeichnung der 1960er-Jahre, in der geschwungene Autokarosserien, protzige Pelzmäntel und große Musiklautsprecher von einem unverdienten Wohlstand zeugen.