Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Welche New Yorker Kellnerin würde sich eine Hochzeit auf einem englischen Schloss entgehen lassen? Evie (Nathalie Emmanuel) fühlt sich schon wie bei Jane Austen, doch die Hintergründe sind ganz andere.
Seit dem Tod ihrer Mutter ist die junge Frau allein auf der Welt. Darum hat sie einen DNA-Test machen lassen. Ihre neue Familie ist steinreich, im Gegensatz zu ihr sehr weiß und sie selbst das Ergebnis eines Seitensprungs in grauer Vorzeit. Zum Glück gibt man sich modern und ist sogar überaus freundlich gegenüber dem unerwarteten Nachwuchs. Evie ahnt allerdings nicht, dass der adrette Schlossherr Walter DeVille (Thomas Doherty), dessen Zähne mit jedem Lächeln länger werden, noch einen anderen, nicht weniger teuflischen Namen trägt. Und: Die Hochzeit, zu der man sie nach England geladen hat, ist ihre eigene. Der Landadel braucht frisches Blut.
Die Neue wird misstrauisch beäugt
Auf die Idee, Klassiker der Weltliteratur mit modernem Horror zu kombinieren, sind schon viele gekommen. „The Invitation“ von Jennifer M. Thompson lässt sich als zeitgemäße Fortschreibung oder auch Aktualisierung von Bram Stokers berühmten Vampirroman „Dracula“ einordnen. Im dem von Blair Butler und Thompson gemeinsam verfassten Drehbuch bilden heutige Fragen von Rasse und Gender den durchaus tragfähigen Untergrund einer Geschichte, in der gesellschaftliche Klassen schon immer eine Rolle spielten. Im Mittelpunkt steht hier immerhin ein Graf. Die beiden ominösen „Brautjungfern“ beäugen Evie auch durchaus misstrauisch. Es ist wohl auch kein Zufall, dass im gruselbedingten Vorlauf der Ereignisse ein divers besetztes Ensemble unglücklicher Dienstmädchen geopfert wird.
In den nicht wenigen komischen Momenten wirkt „The Invitation“ wie eine Kreuzung aus „Get Out“ und „Downtown Abbey“. Tatsächlich hat die zunächst arglose Evie, analog zur Horrorsatire „Get Out“, eine New Yorker Freundin, die sie via Smartphone vor den undurchsichtigen Motiven der höfischen Gesellschaft warnt. Die wahren Absichten werden klarer bei einem grotesken Maskendinner, das mit steifem Zeremoniell beginnt und in kalkuliertem Wahnsinn endet. Die nächtlichen Spukereien, die auch Evie nicht ganz verborgen blieben, waren also doch keine Einbildung.
Mit hübschen Referenzen gespickt
Höhere Ambitionen als wohligen Grusel kann man der gediegenen, nicht allzu blutrünstigen Inszenierung so wenig nachsagen wie übermäßige Originalität. Doch in Nathalie Emmanuel und dem sardonisch-dandyhaften Thomas Doherty besitzt der Thriller ein sympathisches Darstellerpaar, bei dem die Chemie stimmt. Die beiden mögen sich nämlich wirklich. Sie findet Gefallen an seinem undurchsichtigen Charme. Und er würde einfach gerne so akzeptiert werden, wie er ist. Es ist das alte Vampirproblem, bei dem nicht nur Blutsauger mitfühlen können. Nur die Unsterblichkeit mit ihren Vor- und Nachteilen hat der ewige Verführer für sich allein.
Der Film ist außerdem mit hübschen Referenzen gespickt, die nicht bloß eine Kopie sind, sondern sich als Hommage auffassen lassen. Eine schaurige Dachfensterszene hat ihr berühmtes Vorbild erkennbar in „Tanz der Vampire“ von Roman Polanski. Wo sonst hat man Vampire jeden Alters und Geschlechts so formvollendet feiern sehen? Evies erster Eindruck war also gar nicht so falsch; immerhin erlebt sie ihr Martyrium in elegantem Ambiente.
Ein in jeder Hinsicht moderne Adaption
Dass der Film gar nicht in England, sondern aus Kostengründen in Ungarn gedreht wurde, rückt ihn in einem dörflichen Zwischenspiel sogar näher an die Ursprungshandlung. Dennoch ließe sich einwenden, dass diese in jeder Hinsicht modernde Adaption mit dem originalen Dracula kaum noch etwas zu tun hat. Einen vergnüglichen, wenn auch sehr frühen Einstieg in die Halloween-Saison bietet der Film allemal.