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Filmkritik
Die „Purge“-Reihe liebt das Fernsehen. Nachrichtensendungen, Talkshows und Kommentare dienen Schöpfer James DeMonaco seit jeher nicht nur als Countdown zu der einen Nacht, in der die Vereinigten Staaten jegliche Strafverfolgung aussetzen, sondern auch – und in dieser Rolle fast noch wichtiger – als Brücke der Zeitgenossenschaft, die das Franchise seit nunmehr acht Jahren schlägt. Auch der fünfte Teil sammelt die Stichworte, die in den vergangenen vier Jahren einigen Zuwachs bekommen haben, in die Nachrichtenschnipseln des Vorspanns, um sie in kleinen Brocken wieder auszuspeien. Von der „Purge“-Nacht wird nun als Virus gesprochen, das sich unkontrolliert auszubreiten droht. Ein Gedanke, den dann auch die rechtsradikalen Todesschwadronen aufgreifen, indem sie ihren Säuberungs- durch den Desinfektionsbegriff ersetzen, um Werbung für das Superspreader-Event des Hasses zu machen, das wieder vor der Tür steht.
Der Ablauf der Nacht bleibt, allen linguistischen Updates zum Trotz erstmal der gleiche: Maskierte, vornehmlich rechtsradikale Banden ziehen durch amerikanische Großstädte und töten die armen Seelen, die sich nicht in der Sicherheit der eigenen vier Wände verbarrikadieren konnten. Allein der Schauplatz ist diesmal ein anderer. „The Forever Purge“ übersiedelt das Geschehen an die amerikanisch-mexikanische Grenze; das weite, karge Grenzland, das im zeitgenössischen Film immer wieder Schauplatz ist für die Ausläufer von Kartellgewalt, das Elend der Einwanderer, die mit letzter Kraft nach Amerika zu gelangen versuchen, und die Staatsbeamten und Bürgerwehren, die dies zu verhindern suchen. Ein perfektes Spielfeld also, um das bekannte Szenario einmal jenseits der urbanen Schauplätze, die das Franchise bis dato dominierten, durchzuspielen.
Proteste und Pandemie-Vokabular
Nachdem der dritte Teil der Reihe, „The Purge: Election Year“, sich den Präsidentschafts-Wahlkampf von 2016 zu eigen machte und eine eigene, deutlich verjüngte Version von Hillary Clinton in den Kampf gegen die „New Founding Fathers“, sprich: die ultrareichen und ultrakonservativen Befürworter der Horrornacht schickte, richtete Teil vier, „The First Purge“, sein Augenmerk auf die sozial vernachlässigten Ballungsräume, in denen die schwarze Bevölkerung zum Versuchskaninchen für die erste „Purge“-Nacht gewählt wird. „The Forever Purge“ bringt nun ein Mashup aus Anti-Immigrations- beziehungsweise Alt-Right-Rhetorik, Black-Lives-Matter-Protesten und Pandemie-Vokabular in die Prämisse ein.
Eine für ein dystopisches Horrorfranchise durchaus dankbare Amtszeit also, aus der DeMonacos Drehbuch die fügsamsten Diskurshighlights extrahiert. Angefangen bei der zum Amtsantritt von Donald Trump in den sozialen Medien bekundeten Auswanderungswelle, die hier gezwungenermaßen in die Tat umgesetzt wird. Denn das Morden hört, auch nachdem die alljährliche Kriminalitätswelle offiziell für beendet erklärt wurde, nicht auf. Rechtsextreme Banden und Mobs ziehen auch am Morgen noch maskiert und bewaffnet durch die Straßen, um ihre „desinfizierte“ Vision Amerikas in die Tat umzusetzen. Die Autoritäten sind natürlich überfordert und bis das Militär die Lage im Griff hat, bieten die Nachbarstaaten Kanada und Mexiko allen unbewaffneten Amerikanern für wenige Stunden Asyl an.
Eine aus der Not geborene idealamerikanische Allianz
Damit kehrt der Film die eingangs gezeigte Fluchtbewegung um. Eine reiche, texanische Patriotenfamilie versucht im Schlepptau ihrer mexikanischstämmigen Angestellten nach Mexiko zu entkommen. Der dazugehörige Leitgedanke – Amerika war, ist und bleibt ein Einwanderungsland – wird zunächst im Trommelfeuer der politischen Subtexte formuliert und dann zur Sicherheit noch mehrfach ausgesprochen. Wirklich angebunden an die Instrumente des Genrefilms, nach denen jeder „Purge“-Film funktioniert, ist die Idee der aus der Not geborenen idealamerikanischen Allianz jedoch nie. Das ist besonders deswegen schade, weil das in Richtung Western verschobene Setting und die anfangs in Desperado-Aufzüge gehüllten Marodeure ein geschichts- und genretechnisches Versprechen abgeben, das „The Forever Purge“ nie einlöst. Der eigentliche Körper des Films ist ein ausgedehnter, mit Schießereien betupfter Marsch durch die zerstörten Grenzstädte auf amerikanischem Boden. Also genau das, was die Reihe seit dem zweiten Teil schon in deutlich präziser inszenierten Sequenzen bereits abgehandelt hat.
Bis der Film den Ausweg in Richtung des ehemaligen wilden Westens findet, gibt es praktisch nur Recyclingware zu sehen. Der Showdown wartet dann noch einmal mit einer Western-Variation auf, für die ein paar Wohnwagen notdürftig zu einem Planwagen-Verteidigungsring aufgestellt werden. Verteidigt wird er – und das ist an dieser Stelle ein schon fast nerviger Wink mit dem Zaunpfahl – von den Protagonistinnen und einer Gruppe indigener Amerikaner, die sich spontan auf die Seite der mexikanisch-texanischen Fraktion schlagen, um diese gegen den faschistischen Mob zu verteidigen.
Zusammengeschustert wie ein Nachrichten-Zusammenschnitt
Der auf den Kopf gestellte Western-Topos ist in seiner lieblosen Präsentation exemplarisch für einen Film, der zusammengeschustert ist wie ein Nachrichten-Zusammenschnitt, der Begriffe in den Raum wirft und darauf hofft, dass jemand daraus eine Verbindungslinie zum politischen Diskurs bastelt.