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Filmkritik
Eine Krankheit als Fluch, als göttliche Strafe? Das Schwarze Wolfsfieber stellt die Gelehrten vor Rätsel. Für viele Menschen aus dem Königreich Zol, das vor geraumer Zeit Teile des Königreichs Akhafa unterworfen hat, ist es tödlich. Und doch scheint das Fieber nicht alle Menschen gleichermaßen zu treffen. Auf wundersame Weise überleben manche Menschen aus Akhafa, etwa der einstige Krieger Van, der als Sklave für Zol in einer Salzmine schuften muss.
Er wurde bei einem Angriff von Wölfen schwer verletzt, die das Fieber übertragen, weil er einen Säugling vor den wilden Tieren schützen wollte. Doch anstatt zu sterben, entwickelt Van fortan geradezu magische Kräfte und kann mit der Waisen Yuna entkommen. In einem kleinen Dorf finden er und das Mädchen zunächst Zuflucht. Dann aber gerät Van ins Visier einer Fährtenleserin, die ihn töten soll.
Die Adaption der Roman-Reihe „The Deer King“ von Nahoko Uehashi ist durch und durch episch angelegt. Immer wieder gibt es große Bilder, die Einblicke in eine faszinierende Fantasywelt bieten, mit tiefen dunklen Wäldern, mit Ballons, die wie riesige Augen aussehen, und Festungen, die in goldenem Licht erscheinen. Auch die Animation ist bemerkenswert. Die Bewegungen der Figuren sind detailliert und fein, der Wechsel der Kameraperspektiven erinnert an Realfilme und zeigt, wie aufregend Animes sein können.
In diesen Gestaltungen wird ganz deutlich, welche Erfahrung Masashi Ando mitbringt, der bislang als Animation Director an Filmen wie „Prinzessin Mononoke“ und „Chihiros Reise ins Zauberland“ von Hayao Miyazaki, „Paprika“ von Satoshi Kon oder „Your Name“ von Makoto Shinkai mitgearbeitet hat und bei „The Deer King“ zum ersten Mal selbst Regie führt.
Kuddelmuddel aus Namen und Beziehungen
Das Problem ist, dass die eindrucksvolle Ästhetik sich nicht richtig entfalten kann, weil der Film sich in seiner Geschichte heillos verzettelt. Anstatt die Hintergrundgeschichte zu entfalten und sanft in die komplexe Fantasywelt einzuführen, werden wichtige Informationen zu Beginn in überladenen Dialogen vermittelt; ein Kuddelmuddel aus Namen und Beziehungen, das den Fluss der Erzählung erheblich stört. Hinzu kommt, dass die Handlung nicht eine Figur in den Mittelpunkt stellt, sondern mehrere Geschichten parallel verfolgen will.
Da gibt es den Sklaven Van, der der sich rührend um Yuna kümmert (in einer leider viel zu kurzen Montagesequenz); andernorts forscht der Arzt Hohsalle, der auch die Rolle des Voice-Over-Erzählers übernimmt, nach der Ursache der Krankheit und untersucht Blutproben. Eine Fährtenleserin wiederum wird auf Van angesetzt – gerade um zu verhindern, dass ein Gegenmittel gegen das Fieber gefunden werden kann. Was all diese Figuren wirklich motiviert, bleibt jedoch offen.
Der Mediziner stiehlt dem Helden die Schau
Erst nach etwa der Hälfte des Films verknüpft „The Deer King“ die unterschiedlichen Handlungsstränge miteinander. Bis dahin wirkt der Film wie ein Potpourri aus Schlaglichtern. Ob es Absicht war, dass der Mediziner Hohsalle Van zunehmend die Schau stiehlt? Vor dem Hintergrund der Entstehung des Films ist die Verschiebung des Schwerpunkts interessant. Während einer Pandemie sind auch im Kino nicht mehr die Krieger die klassischen Helden, sondern Wissenschaftler und Forscher. Es schmälert die Qualität von „The Deer King“ allerdings erheblich, dass diese fantastische Geschichte über den Umgang mit einer merkwürdigen Krankheit sich durch das chaotische Drehbuch nicht wirklich entfalten kann.