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Filmkritik
Es ist tief in der Nacht. Die wenigen Ziegen und Schafe einer abseits im ländlichen Texas gelegenen Farm sind längst im luftigen, spärlich geschützten Stall. Nur den kaum spürbaren, warmen Wind hört Virginia Straker durch das leise Quietschen des Windrades. Ihr Mann David liegt schwer krank im Bett, und die Näharbeiten im fahlen Licht sind ihr einziger Zeitvertreib. Dennoch ist da etwas, mit dem sie sich leise unterhält und dass sie in den Stall zieht, wo die Tiere langsam unruhig werden. Als ihre Kinder Michael und Louise gegen ihren erklärten Willen auf die Farm ihrer Kindheit zurückkehren, um nach dem Rechten zu sehen, ist dieses Etwas bereits ganz in der Nähe und der Grund dafür, dass Virginia wie aus heiterem Himmel ihrem Leben ein Ende bereitet. Als Louise das Tagebuch ihrer Mutter findet, wird vieles erklärbarer, aber nichts klarer.
Gut gemachte Horrorfilme schaffen es, bereits in der ersten Einstellung eine seltsame, schwer greifbare Aura zu erschaffen. Filme wie „Der Exorzist“ oder „The Wicker Man“, „Rosemaries Baby“, „Der Babadook“ oder auch die „Ring – Das Original“-Trilogie eint, dass sie von Anfang an erfolgreich versuchen, den Zuschauer in den Bann ihrer jeweiligen Welt zu ziehen. Auch wenn sie von Sujet, Zeit und Ort her nicht viel gemein haben, teilen sie eine suggestive Atmosphäre, die klarmacht, dass hier der Schatten des Bösen auf den Protagonisten liegt. Auch „The Dark and the Wicked“ ist ein solcher Film.
Sorgfalt auch bei klassischen Horroreffekten
Der Regisseur Bryan Bertino ist vor allem bekannt geworden durch seine beiden „Home-Invasion“-Thriller „The Strangers“ (2008) und „The Strangers: Opfernacht“ (2018), die sich zwar durch eine bedrückende Atmosphäre, aber leider auch durch lustlose, auf die reine Mord-Show fokussierte Drehbücher auszeichnen. Auch für „The Dark and the Wicked“ bedient sich der 44-jährige Texaner bei bekannten Horror-Motiven; im Gegensatz zu seinen vergangenen Werken aber legt er diesmal Sorgfalt in sein Tun, kurbelt die Schockeffekte nicht einfach nur herunter, sondern setzt sie wirkungsvoll um.
Auch wenn Bertinos Drehbuchautor recht vage hält, was aus welchem Grund die Familie Straker heimsucht, schafft es seine Inszenierung dennoch, ein ständiges Gefühl der Bedrohung zu evozieren, dass die Protagonisten immer gefangen hält, selbst wenn sie den Ort der Handlung Hals über Kopf verlassen. Wenn sich das Böse erst einmal aus der Dunkelheit angeschlichen hat, dann lässt es nicht mehr ab, selbst wenn nach göttlichem Beistand gesucht wird.
Mit Blut und Spezialeffekten zurückhaltend
Bertino kann sich auf ein kleines, unverbrauchtes Ensemble vor der Kamera verlassen, aus dem der beliebte Nebendarsteller Xander Berkeley in der kleinen Rolle des Priesters in Sachen Bekanntheit herausragt. Der Authentizität der Darsteller ist es zu verdanken, dass das Spiel mit Realität und Täuschung nicht ermüdend wird. Mit Blut und Spezialeffekten hält sich der Film betont zurück und verlässt sich zu Recht auf die brillante Arbeit von Kameramann Tristan Nyby. Man muss mitunter schon genau hinschauen, um das Grauen zu sehen, so zum Beispiel, wenn es gleich zu Beginn im Stall der Virginia Straker kauert. Für einen Sekundenbruchteil erahnt man die Fratze. Ein Effekt, den sich Bertino bei Friedkins „Der Exorzist“ „geborgt“ hat.
Horror lebt immer auch von besonderen Reizen: von den scharfen Tastenschlägen des Klaviers, vom Heulen der Hunde und von flüsternden Stimmen. Man erkennt die inszenatorische Absicht, aber in den besseren Horrorfilmen entfaltet dieses Spiel auf der emotionalen Klaviatur dennoch seine Wirkung. Bei „The Dark and the Wicked“ braucht es keine Gore-Orgie, um Schrecken zu verbreiten. Da reicht es schon, wenn mitten in der Nacht unvermittelt das Licht angeht.