Vorstellungen
Filmkritik
Wenn man die Spielfilme von Roland Klick sieht, etwa „Bübchen“ oder „Deadlock“, muss man unwillkürlich an Dutzende andere, bessere oder schlechtere Actionfilme denken, die den Kinomarkt unterhalten. Klicks Filme zeigen Randfiguren, Totschläger auf wirklichen beziehungsweise parabolisch erfundenen Plätzen ohne Ausweg, in vorherbestimmten tödlichen Fallen.
Die Figuren sind exemplarisch angelegt, allerdings ohne soziale oder psychologische Motivierung. Klick identifiziert sich mit „normalen“, aber irgendwie sozialgestörten Menschen, die anormale Handlungen begehen, plötzlich nur noch mit Messer und Maschinengewehr hantieren. Über die Gründe verfallener Ordnung soll allein der Zuschauer entscheiden.
Die Freiheit des Zuschauers
Um ihm nicht die Freiheit zu rauben, selbst Stellung zu nehmen, liefert Klick nur die Konstruktion eines Falles. Andererseits möchte der Filmemacher aber die Konstruktion meiden, soweit sie nach seiner Auffassung zur Aussage gehört. Doch mit der Freiheit und Befähigung des Zuschauers, an einfach nur gespielten Handlungsabläufen auch nach den Ursachen eines bestimmten Handelns zu fragen, verschätzt sich Klick beträchtlich, weil er die Überzeugungskraft seiner Filme überschätzt.
Seine Illusion ist erschreckend, da er „die gesellschaftliche Realität“ und hier „die Supermarkt-Generation“ widerspiegeln will und manche Schauplätze bisweilen - was die Kamera betrifft - auch treffend zu charakterisieren vermag. Doch im Ganzen, nicht nur in sozialpsychologischer Hinsicht, bleibt das gänzlich unverbindlich und oberflächlich. Dabei hätte Klick durchaus das Zeug, in einem bescheidener gestecktem, weniger auf reißerische Wirkung bedachtem Rahmen einen ernstzunehmenden, unter die Haut gehenden Film zu inszenieren.
Es nutzt wenig, Produzenten und Verleiher anzuklagen, die sich allzu gern unausgereifter Talente bedienen, um den Markt mit wenig kostspieligen, aber ungleich einträglichen Kinohappen zu versorgen. Bei diesen „Spielregeln“ kann man schwerlich einen Film erwarten, der „unserer Generation die Situation des totalen Überangebots“ – ohne „Orientierungsmaßstäbe, weil sie ihr keiner setzt“ - vor Augen führt, wie es in den Verleihinformationen heißt.
In Gewalttätigkeiten verwickelt
Den Typ des sozialgeschädigten Halbwüchsigen Willi hat Klick mit der Neuentdeckung Charlie Wierzejewski durchaus repräsentativ getroffen: ungepflegt, unbeheimatet, unzufrieden und mürrisch, keineswegs bösartig oder kriminell veranlagt. Doch wenn ein 18-jähriger Teenager reihenweise Mord und Totschlag auszuüben fähig sein soll, muss man als Zuschauer wenigstens auf die Spur einer Beschädigung geführt werden. Es genügt nicht, dass die Opfer von Willi als homosexueller Geldgeber (Hans-Michael Rehberg) oder als ebenso lebensüberdrüssiger Räuberkumpan etikettiert sind, abgesehen von den anderen Kino-Klischees, denen Klicks Vorliebe für Melodramen anzumerken ist, wie das gutherzige Strichmädchen (Eva Mattes), das der romantische Gelegenheitsstrichjunge Willi aus dem Sumpf ziehen möchte, oder der frustrierte Journalschreiber (Alfred Edel), der seine Resozialisierungspläne für Willi als persönliches Alibi verwenden will.
Die Verweise auf US-amerikanisches B-Gangster- und italienisches Spaghetti-Western-Kino verraten mehr über den Sekundärcharakter dieses Films, als über die psychische Labilität des halbwegs glorifizierten Helden, etwa im Titelsong „I want my celebration before I die“ (Ich will mein Fest bevor ich sterbe).
Fazit: Manches ist im Detail gut gesehen und fast realistisch wiedergegeben, aber für die gesamte Entwicklung der Personen und ihres Handelns ohne funktionelle Bedeutung. Das Interessanteste an „Supermarkt“ sind deshalb primär Überlegungen darüber, wie der Film angelegt sein müsste, um substanzielle Erkenntnisse über den Irrweg eines jungen Mannes in solche Verstrickungen zu vermitteln, wo die normierende Welt des Kaufens und (Sich-)Verkaufens – eine Art geistiger „Supermarkt“ - absolute Freizügigkeit vormacht.