- RegieOliver Stone
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2016
- Dauer139 Minuten
- GenreDramaThrillerBiographie
- AltersfreigabeFSK 6
- IMDb Rating7/10 (76955) Stimmen
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Filmkritik
Die Helden des digitalen Zeitalters kriegen nicht viel Sonne ab. Ob er in Wirklichkeit auch so blass sei, chattet seine Freundin in spe mit dem Whistleblower in spe Edward Snowden, als der, von den körperlichen Strapazen des Militärdiensts gebrochen, in einem Krankenhausbett liegt. Zum Ende hin, als die Schlacht um den Code und die Dateien geschlagen und ein Etappensieg errungen ist, lässt Oliver Stone seinen Hauptdarsteller Joseph Gordon-Levitt aus dem Serverbunker ins gleißende Licht stolzieren, ein Moment des sagenhaft übertriebenen Kitsches. Ein Held muss er schließlich sein, dieser Edward Snowden, sonst würde es sich ja nicht lohnen, seine Geschichte noch einmal oder überhaupt zu erzählen. „I’m not the story here“, sagte der blasse Snowden damals in seinem Hongkonger Hotelzimmer zur Dokumentarfilmerin Laura Poitras und dem Journalisten Glenn Greenwald. Auch wenn dieser Satz aus „Citizenfour“ (fd 42 703) bei Oliver Stone nicht fällt, so zitiert der streitbare Regisseur Poitras’ Film doch immer wieder und wählt dessen Setting als Rahmung seiner eigenen Erzählung. Die Vorgeschichte von Snowdens Enthüllungen ist die der Gewissensbildung eines Mannes, der als glühender Patriot nach dem Ausscheiden aus dem Militär bei der CIA anheuert, nach einer skrupellosen Episode in Genf aber ausscheidet, um als freier Berater von IT-Firmen schlussendlich doch wieder bei den Geheimdiensten zu landen. Seine Bedenken wachsen. Beim zweiten Einstellungstest am Lügendetektor zittert die Nadel gewaltig, als er bejahen muss, dass die USA das großartigste Land der Welt seien. Seine Beziehung mit Lindsay Mills, der Dame aus dem Chat und einer überzeugten Linksliberalen, bröckelt und fügt sich doch wieder zusammen. Der Weg zum Helden ist bei Stone kein geradliniger. Der Regisseur und sein Co-Autor Kieran Fitzgerald haben während der Vorbereitung mit Snowden gesprochen. Außerdem stützen sie sich auf Luke Hardings Buch „Edward Snowden. Geschichte einer Weltaffäre“, das der Autor ohne direkten Kontakt zum Whistleblower verfasste – und auf „Time of the Octopus“, einen von den realen Begebenheiten inspirierten Roman von Snowdens russischem Anwalt Anatoli Kutscherena. Das Ergebnis ist ein glatt gebügeltes Patchwork aus authentischen, halbfiktionalen und fiktionalen Quellen, vermengt mit popkulturellen Anspielungen. Der Drill in Snowdens Militärdienst erinnert bis in einzelne Einstellungen an Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ (fd 26 400), Snowdens erster CIA-Mentor O’Brien soll seinen Namen dem Parteifunktionär aus Orwells „1984“ verdanken. All dies strukturiert sich allerdings streng in der chronologischen Abfolge von Snowdens Aufträgen und seinen Entdeckungen, die nach den Regeln des emotionalisierenden Biopics mit privat-unheroischen Facetten als liebender, leidender, durch seine Tätigkeit aber auch extrem anstrengender Beziehungspartner kontrastiert werden. Gordon-Levitt spielt Snowden mit der gleichen mysteriösen Mischung aus Kontrolle und Schüchternheit, aus leiser, aber tiefer Stimme und leicht verhuschtem, dann wieder konzentriertem Blick, die das öffentliche Image seines Vorbildes kennzeichnet. Die Filmemacher haben aus Snowdens Geschichte einen braven, in der Werkgeschichte von Oliver Stone auffallend konventionellen Film gemacht. Die rasante Montage, das hysterische Nebeneinander von Eindrücken, Auflösungen und Einstellungen findet sich nur in den wenigen Momenten, in denen Poitras’ dokumentarische Kamera im Hotelzimmer simuliert werden soll – oder wenn die hinlänglich bekannten Kino-Metonymien des Hackertums, die über die Leinwand laufenden Programmzeilen, die galaxienartigen abstrakten Netzwerke zwischen den ausgespähten Usern ins grobpixelige, riesige Smartphone-Selfieüberwachungsbild des einzelnen Users münden. Den haben wir. Dich auch. Die nachhaltigsten Momente erzielt der Film, der auch unangenehm didaktische Augenblicke besitzt, genau dort, wo er dem Laien die Alltagsmacht offenlegt, die sich hinter Ausdrücken wie XKeyscore oder Prism versteckt. Zwei junge Kerle aktivieren am anderen Ende der Welt einmal die Webcam einer Frau, der sie beim Ausziehen zuschauen. Später findet das digitale Heroentum auch seinen cineastischen Ausdruck: In Zeitlupe senkt sich ein Fuß auf eine Speicherkarte, damit der Vorgesetzte sie nicht entdeckt. Mehr Physis braucht es heute nicht mehr, um die Welt ein bisschen besser zu machen.