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Filmkritik
Eine polnische Kleinstadt nahe der Grenze. Nur einen Augenblick hat eine Mutter beim Einkaufen ihre vierjährige Tochter Ola aus den Augen gelassen, und schon ist sie verschwunden. Die Kamera hatte zuvor auf einen Laster mit aufgemaltem Clownsgesicht aufmerksam gemacht. Die Mutter ahnt Schlimmes und rast mit ihrem Auto zur Grenze, um ihr Kind zu retten. Doch der Polizist Robert Goc hält sie wegen überhöhter Geschwindigkeit an. Bis sie ihn überzeugt hat, dass es sich um einen Notfall handelt, ist es schon zu spät: Das Fahrzeug mit dem Clownsgesicht hat soeben den Grenzübergang passiert. Goc fühlt sich schuldig, weil er die Entführer entkommen hat lassen, und strengt eine internationale Ermittlung an, um die kleine Ola zu finden.
„Der Menschenhandel ist der sich am dynamischsten entwickelnde Zweig der Kriminalität in der heutigen Welt. Jedes Jahr werden 1,5 Millionen Kinder für sexuelle Ausbeutung, Betteln, Organhandel oder Rituale verkauft“, informieren die Pressenotizen. Es geht in „Small World“ also um ein hochbrisantes Thema.
So beklemmend wie realistisch
Der von dem polnischen Regisseur Patryk Vega inszenierte Film beginnt beklemmend und realistisch: Das Wohl eines Kindes ist bedroht, eine Familie wird zerstört, das Leid der Mutter ist kaum vorstellbar. Doch mit zunehmender Dauer schleichen sich immer unpassendere Momente in den Film. Das beginnt mit der russischen Polizistin, die mit flottem Kurzhaarschnitt, offener Bluse und schwarzer Lederjacke Verdächtige verprügelt, bis die ohnmächtig liegenbleiben. Wirklich helfen kann sie Goc nicht, und so bleibt nur das Bedauern, nicht miteinander geschlafen zu haben.
Einige Jahre später führt die Spur in die Ukraine zu einer skrupellosen Fotografin, die die Mädchen in aufreizenden Positionen ablichtet. Insbesondere an dieser Figur lässt sich die Ruppigkeit von „Small World“ beispielshaft erläutern, der eher schockieren als sensibilisieren will. Dreimal wird der Fotografin Gewalt angetan; erst ist es ein abgeschnittener Finger, dann ein ausgestochenes Auge – bis ihr ein Hintermann die Kehle durchschneidet, um die lästige Zeugin zu beseitigen. Diese Szenen sind viel zu brutal geraten und auf den abstoßenden Effekt hin inszeniert. Dazu passt ein Freier, der das Sperma anderer Männer trinkt, das Ola in den Kondomen aufgefangen hat.
Eine schießfreudige Räuberpistole
„Small World“ will Wichtiges über Kindesmissbrauch und Menschenhandel sagen. Das Drehbuch beruht angeblich auf Dokumentationen; mit den weiteren Stationen in Moldawien, England und Thailand, in denen sich Ola nach jeweils mehreren Jahren wiederfindet, spricht es auch die internationale Verflechtung dieser abscheulichen Verbrechen an. Doch dann endet der Film als schießfreudige Räuberpistole im Bruce-Willis-Stil, die die christliche Buße auf die Spitze treibt.
Unglücklich ist auch die Entscheidung der Autoren, Zweifel an der Integrität des Fahnders zu sähen. Ist Goc durch seine jahrelange Arbeit im Sumpf des Kindesmissbrauchs selbst pädophil geworden? Mehrmals beobachtet ihn die Kamera, wie er einen Augenblick zu lange glücklich strahlende Kinder anschaut oder sich ihnen in einem Spaßbad körperlich annähern will. Auch das ist ein falscher Moment, der nicht zum Erkenntnisinteresse des Films beiträgt.
Kindesmissbrauch und Zwangsprostitution sind viel zu schwere Verbrechen, als dass man sie vor den Karren eines lauten Actionthrillers spannen dürfte. Die Bedenkenlosigkeit des Regisseurs ist denn auch der größte Vorwurf, den man „Small World“ machen muss.