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Filmkritik
Deloris Van Cartier, aufgedonnerte Nachtclubsängerin mit Ehrgeiz, aber wenig Erfolg, wird Zeugin eines Mordes, den ihr "Förderer" Vince LaRocca an einem seiner Komplizen ausführen läßt. LaRocca, der Deloris schon lange seine Scheidung versprach, ohne Wort zu halten, und ihr nun einen Pelzmantel mit dem Namensschild seiner Frau schenkt, hat durch den Mord bei Deloris endgültig verspielt. Sie ist bereit, bei einem Prozeß über ihn auszupacken, und kann bis dahin nur mit einem besonderen Kniff der Polizei geschützt werden: das Kloster kann sich auch nach außen farbig geben und entdeckt seine Möglichkeiten in der Sozialarbeit. LaRocca, auf ständiger Suche nach der gefährlichen Deloris, erfährt durch den Fernsehrummel von ihrem Versteck, läßt sie zu sich nach Reno entführen und würde sie umbringen lassen, wenn nicht die besorgten Schwestern, inzwischen über die wahre Identität ihrer vermeintlichen Mitschwester aufgeklärt, in Reno "einfallen" und Deloris retten würden. Der Chor hat seine Chefin zurück, der feierliche Gottesdienst, an dem auf dessen ausdrücklichen Wunsch der auf US-Visite weilende Papst teilnimmt, kann stattfinden - ein großer Erfolg für Chor und Kloster, anerkannt selbst durch den hohen Gast, der andächtig mitswingt.
Regisseur Emile Ardolino, 1984 "Oscar"-Preisträger für einen Dokumentarfilm, hatte drei Jahre später mit seinem Spielfilmdebüt "Dirty Dancing" (fd 26 426) einen unerwartet grandiosen Publikumserfolg. Ähnlich erfolgreich scheint "Sister Act" zu werden; in den USA schlug der Film in diesem Sommer alle Rekorde. Ordensfrauen strömten ins Kino, nicht nur zu den Premierenterminen. Der Film muß eine Qualität für amerikanische Augen, Ohren und nicht zuletzt Gemüter haben, die deutscher Mentalität zunächst schwer verständlich bleiben könnte. Denn Buch und Regie sind alles andere als sprühend, der Witz bleibt im Vordergründigen. Die Elemente aus Kriminalfilm, Komödie, Musical sind nicht von der feinsten Webart. Und schließlich gibt das für Kinofilm ungewohnt geistliche Milieu auch wenig an Information über modernes Ordensleben her oder über Probleme amerikanischer Seelsorger oder Frömmigkeitsformen. Der europäische Kinogänger katholisch-kirchlichen Interesses, der gleichermaßen Anspruch anmeldet gegenüber Kirche wie Kino, muß zunächst irritiert, wenn nicht pikiert sein. Die Botschaften, daß Selbstvertrauen Ungeahntes an Leistung beim einzelnen freisetzen kann, daß Gemeinschaft wärmt, daß etwas Schwung in der Kirche munter macht, scheinen allzu dünn und naiv zu sein. Wahrscheinlich ist es aber gerade diese Naivität, die uns inzwischen abgeht. "Sister Act" ist eine Art Kino-Märchen und präsentiert auch religiöse Menschen, denen sich das US-Kino in diesem Falle unerwarteterweise zuwendet nach dem Motto: Warum nicht auch wieder einmal das katholische Milieu als Rahmen für eine softe Geschichte, in der das Gute belohnt und das Böse bestraft wird? Womit der Film für die ganze Familie vertretbar wird, da alle daran Beteiligten am Funktionieren dieses schlichten Grundmusters angesichts einer üblen Wirklichkeit interessiert sein müssen.
Da mag manche Ordensfrau eben entzückt sein, wenn bekannte Songs ganz locker ins Religiöse umgewidmet werden ("My Guy/ "My God"; "I will follow Hirn"), wenn Rhythm'n'Blues ein Gefühl vermittelt dafür, daß Lebendigkeit an der Kirchentür nicht abgestreift werden muß, wenn das Schwarz-Weiß der Ordenstracht als erfrischende Variante innerhalb der Farbigkeit oder Farblosigkeit des Alltagsmilieus erlebt wird. Man nehme "Sister Act" also nicht als Verunglimpfung kirchlichen Lebens - davon kann gar keine Rede sein -, aber auch nicht als tiefschürfenden Beitrag über praktische Theologie und erst recht nicht als Highlight amerikanischer Komödien-Fantasie. Reichen nicht auch mit Teilen des Kirchenmilieus der nett-freundliche Umgang, wie hier gezeigt, die sympathie-durchwobene Ansicht, daß Fröhlichkeit auch als Frömmigkeitsausdruck Platz haben sollte, und schließlich der Hinweis der großen amerikanischen (Kinofilm-)Kinder auf den Rang der Einfachheit im Umgang mit religiösem Inventar, der den religiös zunehmend ahnungslosen Durchschnittseuropäern, unter Umständen aber auch manchem umdüsterten Kirchenfachmann hierzulande ganz locker offeriert wird?