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Filmkritik
In welche Richtung seine geplante Komödie denn gehen solle, will der Produzent wissen. Welcher Humor, schwarz und so, Slapstick oder eher tragikomisch? Joseph (Fabian Stumm), als Filmemacher eigentlich eher Spezialist für das traurige Fach, ist sich darüber selbst noch nicht ganz klar. Nur dass er gerne in etwas Absurdes „hineingehen“ möchte. Im echten Leben muss er darauf nicht lange warten. Während des Gesprächs beginnt der Produzent an einer Hundesalami zu kauen, die er als ausgespuckten Matsch an seine Dogge verfüttert. Kurz darauf klemmt sich Joseph wie in einem schlechten Sketch die Hand im Snack-Automaten ein. Bis es einer hilfsbereiten Frau schließlich gelingt, den Notarzt zu rufen, kommt es zu einigen körperkomischen Pointen.
Wie nennt man einen traurigen Kaffee?
Nach seinem Filmdebüt „Knochen und Namen“ erzählt der Filmemacher Fabian Stumm in „Sad Jokes“ mit sich selbst in der Hauptrolle von den schwankenden, oftmals ambivalenten Gefühlsregungen in menschlichen Beziehungen. Freude, Leichtigkeit, Hoffnung und Leid, Nähe und Entfremdung, Scham und Hysterie: Jede Empfindung tritt in Mischverhältnissen auf. Traurige Witze, sad jokes; das „reine“, von allen Widersprüchen befreite Gefühl gibt es nicht. Wie nennt man einen traurigen Kaffee? Depresso. Das Gelächter bei der Witzesammlung im Intro des Films – verschiedene Personen erzählen in Studiokulisse einen Witz – kommt aus der Konserve. In der Wohnung des Regisseurs stehen Eric Rohmers „Komödien und Sprichwörter“ im Regal.
Familiäre Konstellationen und Freundschaften, flüchtige Begegnungen und solche, aus denen mehr entstehen könnte, stehen im Zentrum des Films. Joseph, der noch immer mit der Trennung von seinem Ex-Freund Marc (Jonas Dassler) beschäftigt ist, hat mit seiner besten Freundin einen Sohn. Doch Sonya (Haley Louise Jones) geht es nicht gut. In der ersten Szene kehrt sie in euphorischer Stimmung mit dem kleinen Pino nach Hause zurück. Als Joseph eintrifft und bald darauf nicht nur die Nachbarin, sondern auch noch Sonyas Mutter hinzukommt, kippt die Situation in Aggression und Verzweiflung um. Sonya, die aus eigener Entscheidung vorzeitig ihren Aufenthalt in einer psychiatrischen Einrichtung abgebrochen hat, fühlt sich durch die sorgenvollen Appelle bevormundet. Man versteht sie. Man versteht auch die anderen.
Suche nach Nähe und Verständnis
Eher lose reiht der Film Szenen aneinander. Die Einstellungen des Kameramann Michael Bennett sind statisch und klar, doch innerhalb des Bildrahmens herrschen oft Unruhe und Aufregung. „Sad Jokes“ ist von der Anlage eher skizzenhaft; die oft etwas verlegenen Dialoge bleiben zwar unter Mumblecore, aber es dominieren die Suche nach Worten und Füllworte – hmm, ah ja, genau, ja klar, voll.
Stets sind es soziale Interaktionen, die in Form von kurzen Handlungsepisoden erzählt werden. Ein aus höflichem Geplauder eskalierender Beziehungsstreit zwischen zwei Schauspielerinnen bei der Premierenfeier von Josephs Film, ein durch ein Babyfon mehrfach unterbrochenes Date, das sich ungut entwickelt, ein peinlich verlaufendes zweites Gespräch mit dem Produzenten, der das Drehbuch überhaupt nicht witzig findet: Jede Begegnung ist von Kommunikationsverfehlungen und Misstönen, aber auch der Suche nach Nähe und Verständnis geprägt. Zwischen Joseph und Sonya aber ist eine andere Tiefe, Verbundenheit, aber auch eine andere Fallhöhe am Wirken. Bei einem sehr warmen Küchengespräch teilen sie unter Lachen und Weinen noch einmal die Erinnerung an Pinos Geburt.
Gespielt und doch wahr
Der beiläufigste, vielleicht auch schönste Handlungsstrang entfaltet sich um die Bekanntschaft mit der schwedischen Künstlerin Elin (Ulrica Flach). Die Hauptfigur in Josephs Film soll nämlich ein in einem Museum beschäftigter Nachtwächter sein, der an Automatonophobie leidet, einer spezifischen Angststörung in Verbindung mit Puppen, Automaten oder Statuen. Zur Vorbereitung gibt Joseph bei Elin einen riesigen Kopf in Auftrag, nach dem Abguss seines eigenen Gesichts.
Bei den Treffen entwickelt sich ein Austausch über ihre jeweiligen Leben. Elin erzählt, dass sie als Kind Schauspielerin werden wollte und mit dem Monolog aus Dreyers „Die Passion der Jungfrau von Orléans“ ihre Freundinnen zum Weinen brachte. Als sie ihn – auf Schwedisch – Joseph vorträgt, steigert sie sich so sehr in die Figur hinein, dass man ihr jedes Wort, jede Erschütterung glaubt. Das Gefühl ist gespielt und doch ganz wahrhaftig.