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Filmkritik
Schon lange vor Erscheinen des jüngsten Polanski-Films in Europa konnte man von amerikanischen Kassenrekorden und Skandalen lesen, an denen das nationale katholische Filmbüro (NCOMP) mit seinem absoluten Verdikt ("condemned") nicht wenig beteiligt gewesen ist. An solcher Einschätzung sind weniger interpretatorische Mißverständnisse schuld als von vornherein falsche, unerfüllbare Erwartungen mancher Betrachter. Allzu empfindsamen Leuten ist der höfliche Polanski eigentlich noch entgegengekommen, indem er manche "Nebensätze" aus der (literarisch nicht gerade überragenden) Vorlage eliminierte. Das aber bedeutet diesmal auch eine Schwäche Polanskis, nämlich das Versäumnis, die psychische Wahrheit in Levins Buch einer brillanten, auch spannenden Darstellung wegen nicht weiter vertieft, sondern - vielleicht aus Gründen falscher Rücksichtnahme - verundeutlicht zu haben. Man ist versucht, sich vorzustellen, welch profunde Moralkritik ein 30jähriger Bunuel aus diesem Stoff formiert hätte. Zu absoluten Ablehnungen gibt es eine Alternative: statt sich ärgern die Chance wahrnehmen zu heilsamer Einsicht und Überprüfung. Rosemary und Guy Woodhouse, ein junges Ehepaar, beziehen trotz Warnung ihres Freundes Hutch eine Wohnung im mysteriösen "Bramford" in New York City, einem etwas romantisch verkommenen, schlecht beleumundeten Haus im viktorianischen Feudalstil. Draußen erzählt man sich Hexen- und Zaubergeschichten, dichtet an tatsächlichen Begebenheiten, auffallend häufigen Selbstmorden, kannibalistischen Kindesopfern und magischen Exzessen. Doch die neuen Nachbarn machen den Woodhouse keinen unbedingt abnormen Eindruck. Die Castavets im 7. Stock, von deren zehn Zimmern die Woodhouse vier abgetrennt bekamen, scheinen sogar sehr freundliche, hilfsbereite, wenn auch etwas aufdringlich interessierte Menschen zu sein. Guy, ein hoffnungsvoller Schauspieler, vermutet in Roman Castavet mit seinen Anekdoten berühmter Mimen einen interessanten und vielleicht beziehungsreichen Theaterdirektorssohn, während Rosemary an dem sonderbar gesitteten Paar viel Unheimliches zu entdecken glaubt, so z. B., daß vier Zimmer ihrer Wohnung unbenutzt und verschlossen, im Wohnzimmer alle Bilder abgehängt sind bis auf eines über dem Kamin, das nicht dahin paßt. Immer wenn die jungen Leute zusammen sind, hören sie merkwürdige Geräusche und "fromme" Gesänge von nebenan. Als Guy endlich eine begehrte Rolle bekommen hat (sein Konkurrent ist plötzlich erblindet) und das Paar den Abend in häuslicher Feststimmung feiert in Vorfreude einer unbedingten Vereinigung, da schellt Mrs. Castavet, um Rosemaries Diner mit einer Nachtischspezialität zu krönen. Rosemary wird übel, ein scheußlicher Alptraum befällt sie, der auf den Jachtdecks der Kennedy-Onassis spielt, und Guy berührt sie, statt mit behutsamer Liebe, in Teufelsgestalt mit Krallen und Hörnern. Nun bringt ihr Mrs. Castavet täglich ihren Schwangerschaftstee, wider ihren Willen, und als Hutch den Trank analysieren soll, wird auch er vom Tode ereilt. Sein Vermächtnis für Rosemary ist ein Buch "Alles über Hexen", in dem er einiges unterstrichen hat: Der Name Roman Castavet ist ein Versetzrätsel - Castavet ist der Sohn des um die Jahrhundertwende erschlagenen Hexenmeisters Steven Mercato. Begründet war das instinktive Mißtrauen Rosemaries, doch ihre Abwehr der Verschwörer zu schwach; das späte Hilfeersuchen an ihren wegen Castavet fallengelassenen Arzt ist erfolglos. Der Teufel weiß sich der Hexendienste seiner Erdenbürger durch ihre Gewohnheiten im Vorteil, um mit einer "Unschuldigen" Kind, dem "erwählten" Nachkommen, sein "Jahr Eins" zu begehen, eine neue Zeit des Anti-Christ.
Soweit man den Film nur für sich sieht, als Unterhaltungsschocker der Gütemarke Polanski, kann man ihn in vielfacher Hinsicht loben. Farbkamera und Musik sind musterhaft abgestimmt. Vor allem die vier Hauptdarsteller, darunter auch der Off-Hollywood-Regisseur Cassavetes ("Shadows", "Faces") spielen dank pointierter Führung eindrucksvoll. Einzelne optische Einfälle hat der Film überreich, doch Sequenzen, wo die Phantasie länger durchhalten muß, fallen ab gegenüber vergleichbaren Szenen wie etwa solchen aus Fellinis "Achteinhalb" und "Julia und die Geister". Doch enttäuschender ist, daß Polanski die Vorzüge seiner ersten, weniger glatten Filme (seine Kurzfilme sowie "Das Messer im Wasser") nicht weiter durchführt: aus den psychischen Besonderheiten seiner Personen allgemeingültige Rückschlüsse zu ermöglichen. Das kann daran liegen, daß Polanski erstmals, statt eigene Beobachtungen zu fixieren, sich ein fremdes Buch vorgenommen hat, an dem ihn nur die Verwendung des "Hexenreports", doch nicht die Verarbeitung des Success- und Kinsey-Reports gereizt haben mag. Eine radikale Liebestragödie hätte entstehen können, anstatt eines wohldosierten Gefühls- und Nerven-Thrillers - auch wenn er sich mit jedem Hitchcock über mehrere Runden messen kann. Doch technische Meisterschaft und symbolische Anspielungen auf aberwitzige Geisterwelt befriedigen nicht den, der nach Aufschlüssen sucht. Inwieweit "ist Gott tot", der Herr der Liebe, der den Mächtigen zürnt? Zu wenig verdeutlicht der Film, wie Guy des eitlen Erfolges wegen seine Liebe aufs Spiel setzt, wie er deswegen das Unglück eines anderen Menschen erhofft und dadurch sich und seine Liebe an den Teufel verrät; und Rosemary - wie sie, katholisch aufgewachsen, doch nicht kirchlich getraut, ihre Familie vergißt, sich bequemer- und koketterweise als Freidenkerin bezeichnet, es aber schön findet, "an einem Tag so glücklich" zu sein, wenn der Papst New York besucht (dann auch an der Stadion-Messe teilzunehmen), die sich drei Kinder wünscht, alle Jahre zwei, doch seit Jahren Schutzmittel nimmt, welche sie elend machen - ein leichtes Opfer für den ständigen Hexensabbat neurotischer Angst- und Zwangsempfindungen. Wie also geriet dieses Paar in Abhängigkeit bis zur Aufgabe eigenbewahrten Lebens? Viele - gar nicht "irreale" oder nur metaphysische - Fragen ergeben sich zwischen den Zeilen des Buches, und Polanski beließ sie dort.