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Filmkritik
Die Uhr tickt für Alejandro (Julio Torres). Der junge Mann aus El Salvador versucht möglichst viel über sich selbst und seine Design-Philosophie zu sagen, während der rote Balken unter dem Video unerbittlich weiterläuft. Viel passt nicht in den kurzen Zeitraum, der ihm zur Verfügung steht. Auch die Antwort des Spielzeugherstellers Hasbro, für dessen Nachwuchs-Designer-Programm sich Alejandro hier per Video bewirbt, lässt auf sich warten.
Bevor sie kommt, beginnt für Alejandro ein neuer Countdown. Nach einem Ungeschick verliert er seinen Brotjob bei „FreezeCorp“, einem Unternehmen, das Menschen einfriert, um sie, in der Hoffnung, dass jemals eine solche Technologie entwickelt wird, in der Zukunft wieder aufzutauen. Alejandro ist für die „Zelle“ des Künstlers Bobby Asencio (RZA) zuständig, stolpert aber über das Verbindungskabel des Notstromgenerators. Ein Versehen, das nicht nur die Zukunft des im Kälte-Koma liegenden Künstlers, sondern auch die von Alejandro zu zerstören droht. In nur 30 Tagen muss er einen neuen Job und einen Förderer finden oder seine Träume begraben.
Ledermantel statt Prada
Die einzige Hoffnung ist die Ehefrau des eingefrorenen Künstlers, die nicht nur Kunstkritikerin, sondern offensichtlich auch eine überforderte Nachlassverwalterin ist. Daran ist in ihren Augen die ganze Welt, aber keinesfalls sie schuld. Als derjenige, dem ebenfalls vom FreezeCorp-Konzern „Unrecht getan“ wurde, ergattert Alejandro einen Platz im nicht allzu großen Herzen der Kulturdiva, die sich mit jedem anlegt, der ihr in die Quere kommt. Dieses Schicksal wird bald auch Alejandro zuteil, der für sie fortan zu einer Art persönlicher Assistent wird.
Ein Großteil von „Problemista“ findet damit im Schatten der von Tilda Swinton süffisant interpretierten Kulturbourgeoisie-Version einer satanischen Chefin statt, die nicht Prada, sondern schultergepolsterte Samtsakkos und Ledermäntel zu ihrer halbgelockten Pony-Frisur trägt, deren feuriges Violett schon allzu weit herausgewachsen ist. Swinton gibt ihrer Rolle als wandelnder 1980er-Punk-Kostümständer mit Adelsprivilegien die notwendige Verve. Etwa wenn sie den Mitarbeiter einer Hotline zerrupft, weil der angeblich ihre Erinnerungen vernichtet habe, die in Form von Fotos auf ihrem Tablet gespeichert sind, mit dessen Bedienung sie zunehmend überfordert ist.
Auf Dauer aber verlieren Elizabeths Tiraden gegen unschuldige Servicekräfte, so amüsant sie mitunter auch sein mögen, ihren Reiz. Wo es dann tatsächlich einmal an die Arbeit geht, wird das Datenbanksystem FileMaker Pro zum Antagonisten aufgeblasen: kompliziert, veraltet, unnötig, ein Symbol des Brotjobs. Als Elizabeth davon Wind bekommt, heuert sie einen Rivalen (James Scully) an, der jedoch nach zwei kurzen Auftritten, in denen er den charismatischeren und ungleich zynischeren queeren Assistenten gibt, umgehend wieder aus dem Film verschwindet.
Sich in Luft auflösen
Das ist symptomatisch für „Problemista“, der sich nie wirklich zu konzentrieren vermag. Die Visa-Sanduhr erinnert zwar regelmäßig daran, dass Alejandro die Abschiebung droht, doch der Film leidet selbst viel zu sehr unter dem eigenen Aufmerksamkeitsdefizit, um sich auf den Hauptkonflikt einzulassen. Der Modus Operandi des Debütfilms von Julio Torres ist der surreale Umweg. Hauptziel des Humors von „Problemista“ ist die US-Migrationsbürokratie. Das wiederkehrende Bild für die Prüfungen, die Alejandro auferlegt werden, sind die miteinander verbundenen Boxen, die zwar Türen haben, deren Schlüssel aber hinter anderen Türen eingeschlossen sind. Wer die Schlüssel nicht erreicht und das Escape-Room-Spiel der Immigration nicht schnell genug abschließt, löst sich, wie eine der Frauen, die neben Alejandro auf dem Amt auftaucht, einfach in Luft auf.
Um dieses Schicksal zumindest hinauszuzögern, verdient sich Alejandro ein paar Extra-Dollars bei der Online-Auktionsplattform „Craigslist“, die ebenfalls als geisterhafte Sphäre illustriert wird, in der Larry Owens als der verführerisch böse Geist von „Craig“ auftritt, um Gegenstände und ihren Dollarwert oder schlecht bezahlte Gelegenheitsjobs um sich kreisen zu lassen.
Die Uhr tickt
So zeitgeistig die visuelle Aufbereitung des ebenso tristen wie fordernden Migranten-Alltags auch sein mag, so zahm ist dieser letztlich auch. Die strukturellen Absurditäten taugen gut als Gag und manches vielleicht sogar als politischer Kommentar, etwa die Frau, die sich nach Ablauf ihrer Sanduhr in Luft auflöst. Wirklich Nachdruck hat das alles nicht. „Problemista“ gibt sich viel Mühe, sein Sujet kreativ, hoffnungsvoll und mit gutem Geschmack zu umsegeln und dabei nicht zu widerspenstig, nicht zu politisch oder gar zu direkt sein. So fühlt sich das Ringen um das Visum selbst in seinen düstersten Momenten nie wie existentieller Kampf an. Die Uhr tickt. Doch wirklich in Eile geraten möchte Julio Torres nicht.