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Filmplakat von Hexenjagd

Hexenjagd

Literaturverfilmung
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Filmkritik

Arthur Millers Stück über Hexenverfolgung bezieht sich auf einen authentischen Fall, der sich im Neuengland des Jahres 1692 zugetragen hat. Im Jahre der Veröffentlichung des Stückes indes, 1953, mußte jedem Theaterzuschauer der metaphorische Charakter des Dramas bewußt sein. Hinter der Darstellung der historischen Ereignisse verbarg sich eine unverhohlene Allegorie auf die Kommunistenjagd des "Kommitees für unamerikanische Aktivitäten" unter der Leitung des Senators McCarthy. Im Stück wie in Wirklichkeit ging es um Rufmord im Wortsinn; vordergründig um den Kampf gegen das Böse, gestützt von einem unerschütterlichen Glauben an die Richtigkeit des eigenen Tuns; in Wahrheit aber um gezielte Verleumdungen, um das Erpressen von falschen Geständnissen, um den Freikauf des eigenen Kopfes zum Preis der Denunziation. Das Stück "Hexenjagd" wurde zu einem Symbol für die antikommunistische Hysterie und zugleich zu einem der meistgespielten Dramen der Moderne. Über den direkten zeitgeschichtlichen Bezug hinaus zeichnet es sich, wie alle großen Theaterstücke, durch eine universelle Thematik aus, die für jeden Ort und jede Zeit Gültigkeit besitzen kann. Der Engländer Nicholas Hytner vermied Bezüge zur Gegenwart, anders als Rouleau und Sartre in der Verfilmung von 1957, beließ es bei der Zeitbestimmung der Vorlage und hielt sich auch sonst sehr eng an den Text, bis hin zu einzelnen Szenenanweisungen. Dies hat sicher etwas damit zu tun, daß es Hytner gelungen war, den 81jährigen Arthur Miller zum Verfassen des Drehbuchs zu bewegen.

Zwei junge Mädchen befinden sich in einer Art Koma, nachdem sie mit Freundinnen im Wald eine nächtliche spielerische Geisterbeschwörung aufgeführt haben - mit dem ganz unsatanischen Ziel, die Liebe bestimmter Jungen des Dorfes zu gewinnen. Die Angehörigen aber befürchten sogleich, daß ihre schläfrigen Kinder verhext wurden und rufen nach (zunächst nur) geistlichem Beistand. Um selbst nicht in den Verdacht unlauteren Tuns zu geraten, gibt die 17jährige Abigail, eine Nichte des Pfarrers, die Namen einiger Dorfbewohner preis, die sie in jener Nacht zusammen mit dem Teufel gesehen haben will: Obdachlose und Ausgestoßene, die ohnehin jedem im Dorf suspekt sind. In einer ebenso ergreifenden wie grotesken Szene beginnen daraufhin auch die anderen Mädchen in angstvoller Euphorie alle Namen zu skandieren, die ihnen einfallen - nicht ahnend, daß sie sie damit dem Galgen ausliefern. Die Ereignisse eskalieren, ranghohe Richter werden in das Dorf gerufen, um den vermeintlich Besessenen den Prozeß zu machen. Jeder, dessen Namen dabei in irgendeiner Form genannt wird, ist verdächtig und damit so gut wie verurteilt. Denn, so einer der Richter, im Falle von Besessenheit gebe es keine Verteidigung: was zählt, ist nur die Aussage der Opfer. Während die Kinder das grausame Spiel weiterspielen, um nicht als Lügner dazustehen, nutzen andere Dorfbewohner die Chance, ungeliebte Mitmenschen loszuwerden und deren Besitz zu übernehmen. Abigail aber würde mit der Macht, die sie über ihre Freundinnen hat, die Verleumdungen sofort beenden, wenn John Proctor, ein angesehener Bauer, sich ihr endlich wieder zu- und von seiner Frau abwenden würde.

Millers Drama besteht aus nur fünf Szenen, die alle in Innenräumen spielen. Hytner, ein erfahrener Theaterregisseur, beließ es bei deren dramaturgischem Ablauf und auch weitgehend beim Wortlaut, wechselte aber immer wieder im rechten Moment die Schauplätze, auch um die Szenerie als Ganzes ins Bewußtsein zu rufen. Die Stilisierung des Theaters, die vor allem an das Vorstellungsvermögen des Publikums appelliert, wäre auch und gerade in diesem Falle für das Kino untauglich gewesen; selbst zwei Begebenheiten, die im Stück nur nacherzählt werden, stellt der Film dar. War Hytners komödiantischer Debütfilm "King George - ein Königreich für mehr Verstand" (fd 31 593) aber noch von wüster Dynamik geprägt, setzte der Regisseur hier auf eine sehr sparsame, dosierte Anwendung filmischer Mittel. Das Dorf Salem ist als eine Ansammlung weniger Holzhäuser, Gemeindebauten und Gehöfte zu sehen: schmucklos gezimmert nach Art der puritanischen Einwanderer, wenngleich an einer beschaulichen Küste gelegen. Das einfallende Licht ist hart und kontrastreich; je länger der Film dauert, und je weiter das willkürliche Töten um sich greift, desto mehr schwinden Farben und Helligkeit aus den Bildern. Die Innenräume fingen Hytner und sein Kameramann Andrew Dunn mit nur wenig Licht ein; lange, genau arrangierte Einstellungen und eine Reduzierung auf einzelne (scheinbar) natürliche Lichtquellen lassen an Vorbilder in der flämischen Malerei etwa eines Vermeer denken. Nur in Momenten äußerster Anspannung, die zu den Schlüsselszenen des Stückes führen, wagt Hynter eine Großaufnahme oder eine kreisende Kamerafahrt: in der Gerichtsszene etwa, wenn die Kinder vor der Wahl stehen, als Betrüger oder als Mörder zu gelten, ändert sich ohne einen Schnitt die Perspektive des Richters hin zu derjenigen der zu Richtenden.

Hytner hat weniger eine Eigeninterpretation als eine adäquate Umsetzung des Klassikers realisiert, hochkonzentriert und mit Arthur Miller als kompetentestem denkbarem Beistand. Die Wirkung von dessen Worten ist ungebrochen, das beweist gerade diese Verfilmung. Wenn etwa John Proctor angesichts seines Todes fordert, ihm seinen Namen zu lassen, wenn man ihm schon seine Seele nimmt, ist das nach wie vor markerschütternd, und zwar eben auch hier, mit Daniel Day-Lewis in der Rolle. Überhaupt bewies Hytner bei der Besetzung eine glückliche Hand und engagierte neben Lewis und Winona Ryder (in für sie ungewohnter, aber treffend gespielter Hysterie) ein Ensemble, das insbesondere auch auf dem Theater reüssiert hat, wie Paul Scofield, Joan Allen und Jeffrey Jones. Assoziationen jedenfalls entstehen angesichts der unheilvollen Verstrickung der Figuren im Stück zur Genüge; dies gerade aus deutscher Sicht, die Hexenjagden jeglicher Couleur in jüngerer und jüngster Vergangenheit vor Augen.

Erschienen auf filmdienst.deHexenjagdVon: Oliver Rahayel (15.10.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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