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Filmkritik
Mit dem baumelnden Haken eines Abschleppwagens führt die Komödie „No Hard Feelings“ umgehend zum existenziellen Problem der Protagonistin. Weil die Uber-Fahrerin Maddie (Jennifer Lawrence) ihre Rechnungen nicht bezahlen kann, wird ihre Einnahmequelle auf vier Rädern gepfändet. Bereits hier offenbart „No Hard Feelings“ eine Vorliebe für Metaphern und Zweideutigkeiten. Denn Maddie schleppt auch selbst gerne Typen ab; wie etwa einst den Fahrer des Abschleppwagens, den sie nun zu bezirzen versucht, um ihr Auto zu behalten. Allerdings, auch das ist ein Leitmotiv des Films von Gene Stupnitsky, besitzt sie dabei deutlich mehr Ehrgeiz als Glück. Ihr Rettungsversuch scheitert kläglich, als ihr herzzerreißender Auftritt in letzter Sekunde von ihrem aktuellen One-Night-Stand gestört wird.
Maddies notorische Bindungsängste stehen konträr zu ihrer Heimatverbundenheit. Das von der Mutter geerbte Fertighaus steht einerseits für die Erinnerung an eine Familienidylle, die es nie gab, ist andererseits aber auch eine Lebensversicherung. Denn während im New Yorker Küstenort Montauk zunehmend auswärtige Schnösel mit ihren Zweitwohnsitzen die Grundstückspreise nach oben treiben, können sich die Einheimischen hier Wohnraum kaum noch leisten.
Als Belohnung winkt ein Auto
Die Lösung von Maddies Problem ist eine Annonce, die eigentlich zu absurd klingt, um wahr zu sein: Ein zugezogenes Paar sucht für seinen 19-jährigen Sohn Percy (Andrew Barth Feldman) eine Frau, die ihm helfen soll, sich noch schnell vor College-Beginn die Hörner abzustoßen. Als Belohnung gibt es ein Auto. Matthew Broderick und Laura Benanti spielen diese ätherischen Helikopter-Eltern, deren sterile weiße Kleidung genau aufs Sofa abgestimmt ist, als souveräne Gratwanderung zwischen Karikatur und Realismus.
Das Bewerbungsgespräch ist ein Paradebeispiel für die dramaturgisch ausgefeilte und auf den Punkt inszenierte Situationskomik des Films. Zu entschiedener Größe findet „No Hard Feelings“ im peinlich berührten Herumdrucksen. Nachdem Maddie ungelenk zu verschleiern versucht hat, dass sie mit Anfang 30 eigentlich viel zu alt für die Anzeige ist, wird lange um den heißen Brei geredet, was denn mit „daten“ nun genau gemeint ist. Natürlich soll sie Percy entjungfern.
Ein Triumph ist „No Hard Feelings“ vor allem für Jennifer Lawrence, die sich hier völlig furcht- und hemmungslos durch die Szenen kämpft. Sie wirkt abwechselnd glamourös und prollig, lasziv und launisch, zerbrechlich und vorlaut. Treffsichere Beleidigungen kann man von ihr ebenso erwarten wie eine ordentliche Kopfnuss. Und je aussichtsloser die Situation mit dem Härtefall Percy ist, desto aggressiver und grotesker werden ihre Verführungsversuche. Kaum etwas bleibt ihr dabei erspart: weder eine Pfefferspray-Attacke noch dumme Sprüche wegen ihres Alters oder der grandios gescheiterte Versuch, den Jungen mit ein wenig Twerking herumzukriegen.
Abgebrühtheit versus Naivität
Und doch lässt sie jede Demütigung erhobenen Hauptes hinter sich. Auch wenn Maddie ihre Rolle nur bedingt ausfüllen kann, steht sie doch für eine Lockerheit und Freizügigkeit, die den Jüngeren scheinbar abhandengekommen ist. Beim desaströsen Besuch einer Studentenparty stellt sie fassungslos fest, dass die Generation Z lieber in ihre Handys schaut, statt übereinander herzufallen.
Bei ihren Annäherungsversuchen an den zierlichen, noch etwas kindlichen Percy gerät sie allerdings an ihre Grenzen. Abgebrühtheit trifft hier auf Naivität, Kalkül auf eine unschuldige romantische Sehnsucht. Während jeder von Maddies Sätzen nur so vor Ironie und Anzüglichkeit strotzt, nimmt Percy alles wörtlich. Wie unterschiedlich ihre Wahrnehmungen sind, zeigt sich, als in einer Bar der 1980er-Hit „Maneater“ von Hall & Oates läuft. Im Gegensatz zu Percy, der meint, der Song handle von einem menschenfressenden Monster, weiß Maddie, dass es in Wahrheit um einen männerverschlingenden Vamp geht, wie sie vielleicht auch einer für ihn ist.
Auch dafür, dass sich die beiden nicht auf Augenhöhe begegnen können, findet Stupnitsky ein treffendes Bild. Aus ihrer ersten Begegnung spinnt „No Hard Feelings“ eine ungemein komische, immer wieder ins Absurde kippende Szene. Als Vorwand will Maddie einen Hund aus dem Tierheim adoptieren, in dem Percy arbeitet. Während des Beratungsgesprächs werden ihre übersexualisierten Flirtversuche jedoch immer wieder von einer schweren und viel zu niedrigen Sitzbank sabotiert, was dazu führt, dass Maddie kaum über den Schreibtisch schauen kann. Gerade in solchen körperbetonten Slapstick-Momenten weiß Lawrence zu punkten; allein der Versuch, mit Rollschuhen eine Treppe hochzusteigen, wird in ihren Händen zu Comedy-Gold.
Die lädierten Seelenwelten
Wenn es besonders peinlich wird, entwickelt sich dann doch immer wieder eine unfreiwillige Intimität zwischen den beiden. Doch dadurch wird es erst kompliziert. Irgendwann lässt „No Hard Feelings“ mit einem Gänsehaut-Moment die Stimmung kippen. In einem Restaurant fordert Maddie den musikalisch begabten Percy heraus, spontan etwas am Klavier zu spielen. Während er sich, zunächst schüchtern und zögerlich, dann mit immer mehr Emphase, an einer Coverversion von „Maneater“ versucht, fällt kurz auch Maddies Maske der souveränen Femme fatale. Mit einem Mal wird ihr bewusst, dass nicht nur sie sich für ein sorgenfreieres Leben erniedrigen muss, sondern dafür auch auf grausame Weise mit einem Jungen spielt, der sich zum ersten Mal jemandem öffnet.
Wenn „No Hard Feelings“ gegen Ende emotionalere Töne anschlägt und weniger von der respektlos rotzigen Art seiner Protagonistin bestimmt wird, fühlt sich das nur kurz nach einem Verlust an. Denn nachdem Stupnitsky auf komische Weise die Unzulänglichkeiten seiner Figuren ausgereizt hat, widmet er sich der lädierten Seelenwelt, die dahintersteht. Plötzlich sind Maddie und Percy keine Konkurrenten mehr, sondern Leidensgenossen.
Der Film verliert die Unterschiede zwischen den beiden zwar nicht aus den Augen, konzentriert sich aber stärker darauf, was sie teilen: die Zurückweisungen, die Einsamkeit und die Angst, sich von Vertrautem zu lösen. „No Hard Feelings“ entpuppt sich schließlich als doppelte Coming-of-Age-Geschichte zweier Außenseiter, die zwar irgendwie reifen, aber dann glücklicherweise doch nicht vollends erwachsen werden müssen.