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Filmkritik
Eine kleine Insel im Südpazifik beheimatet die schlechteste Fußballmannschaft der Welt: Ein Team, das bei der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2002 im Jahr davor ein Spiel mit 31 Toren verlor und seit seinem Bestehen noch keinen einzigen Treffer landen konnte. Die Insel heißt Amerikanisch-Samoa – nicht zu verwechseln mit der größeren, bekannteren Insel Samoa –; dessen Bewohner haben den bescheidenen Wunsch, dass ihre Nationalmannschaft irgendwann auch mal ein Tor schießt. Zu ihrer Unterstützung wird der abgehalfterte englische Trainer Thomas Rongen (Michael Fassbender) eingeflogen, der sich gerade scheiden lässt, gerne mal ein Gläschen zu viel trinkt und schon mehrere Jobs wegen seiner Wutanfälle verloren hat. Der zornige weiße Mann soll den gemütlichen Amerikanisch-Samoanern beibringen, wie man gewinnt. Ein einziges Tor gegen den Rivalen Tonga würde schon genügen.
Ein Sportfilm wie jeder andere
Wäre Filmgeschichte ein Fußballspiel, könnte man aus Filmen mit der Prämisse „Liebenswertes, aber talentloses Team, das es zu etwas Großem bringen möchte und dafür einen unkonventionellen Trainer anheuert“ eine komplette Mannschaft zusammenstellen. „Cool Runnings“ und „Miracle – Das Wunder von Lake Placid“ im Sturm, „Voll auf die Nüsse“ im Mittelfeld und „Eddie the Eagle“ als Einzelspieler im Tor. Jeder Generation wird ein anderes Lieblingsbeispiel einfallen, und schon nach dem Trailer sind alle Züge der Story mehr oder minder klar. So inspirierend die wahre Geschichte dieser Nationalmannschaft auch sein mag, so abgegriffen wirkt ihre Spielfilm-Adaption.
Auch der Regisseur Taika Waititi kann dieser auserzählten Geschichte nicht viel hinzufügen. Doch er ist sich dessen bewusst und macht deshalb aus dem Trainer einen Filmfan, der bei seiner Ankunft Liam Neeson imitiert und seine finale Motivationsrede aus dem Film „An jedem verdammten Sonntag“ klaut. Die Insulaner hingegen versuchen ihn mit einer „Matrix“-Philosophie zu beeindrucken, weil das ihrer Ansicht nach die Art ist, wie man mit weißen Menschen kommuniziert. Trainingsmethoden aus „Karate Kid“ sind ebenfalls ein wiederkehrendes Motiv. Die endlose Reihe an Vorbildern, Blaupausen und Klischees schreckt Waititi dabei nicht ab, sondern ermuntert ihn eher zu einer Hommage an die Außenseiter-Sportfilme seiner eigenen Jugend, die er für eine neue Generation aufbereitet.
Die Angst vor dem Elfmeter
Die sportlichen Aspekte des Filmes werden über Montagen abgehandelt, und für die Teammitglieder bleibt darin meistens nur die Rolle als Stichwortgeber. Die einzige Person im Kader, der in der Geschichte ein größerer Anteil zukommt, ist Jaiyah (Kaimana), die in der amerikanisch-samoanischen Kultur einem dritten Geschlecht namens „Fa’afafine“ angehört. Da Fa’afafine zwischen den binären Geschlechtern stehen, kämpft Jaiyah umso härter um einen Platz im Männerteam, da sie auch außerhalb der Insel als Sportler:in akzeptiert werden möchte.
Der Film hätte sich Jaiyahs Geschichte als Fokus aussuchen können, was ihn auf jeden Fall ungewöhnlicher gemacht hätte. Doch als Rongen etwas mehr über die Fa’afafine erfahren will, lautet die Antwort schlicht: Lass uns lieber über Fußball reden. Wahrscheinlich ist das genau der Wunsch von Taika Waititi.
Dem Impuls, das große Drama an den Spielfeldrand zu rücken und es nur szenenweise in den bunten Reigen aus Leichtigkeit und Absurdität einbrechen zu lassen, ist Waititi schon in „Jojo Rabbit“ nachgegangen. Auch in „Next Goal Wins“ fühlt er sich merklich wohler, wenn die tränenreichen Momente überwunden sind und der Film wieder zur gutmütigen Komödie wird.
Die Stärke der Inszenierung liegt darin, die Inselwelt in all ihren Eigenheiten sympathisch zu machen. Das übersichtliche Südsee-Habitat hält eine Reihe von Gags parat. Einheimisches Highlight ist der überambitionierte Vereinsvorsitzende Tavita (Oscar Kightley), der gleich mehrere Nebenjobs hat, um sich über Wasser zu halten. Dennoch findet er Zeit, um Rongens Hütte mit Bildern von Jesus und Dolly Parton zu dekorieren.
Es ist dabei unentbehrlich, die Insulaner und ihre Eigenheiten ins Herz zu schließen. Denn im Prolog kündigt Waititi in einer Gastrolle an, dass dieser Film „A tale of WOAH!“ werde, bei dem man vor Freude in die Luft springen will, wenn die ungelenke Mannschaft triumphiert. Dieser Freudensprung klappt aber nur, wenn man einige der Teammitglieder bis zum entscheidenden Spiel wirklich liebgewonnen hat.
Erzähl’s noch einmal!
Wer schon bei der Prämisse gelangweilt ist und auf Klischees allergisch reagiert, wird an „Next Goal Wins“ keine Freude haben. Waitit inszeniert einen handwerklich soliden, aber nicht sonderlich einfallsreichen Sportfilm. Wenn man sich aber genau nach der Wohlfühlerfahrung einer altbewährten Formel sehnt, bekommt man genug geboten, um die Spielzeit zu überdauern. Michael Fassbender sorgt als ruppiger Engländer für zahllose Lacher, sein amerikanisch-samoanisches Gegenstück Oscar Kightley noch für ein paar mehr, und die Newcomer:in Kaimana kämpft sich ebenfalls wacker durch die dramatischen Szenen.
Am Ende kommt es im Film wie auch beim Fußball auf die letzten Minuten an. Auf den einen Moment, in dem das entscheidende Tor fällt. Diesen letzten Treffer kann Waititi verwandeln. Etwas holperig zwar, aber klar über der Linie. Das Finale von „Next Goal Wins“ ist temporeich in Szene gesetzt, mit einer großen Traineransprache, die alles wendet, hochemotional und voller Pathos. Und auch die Art, wie die finalen Momente der Partie erzählt werden, ist so liebenswert und verspielt, dass es fast verwundert, wie wenig kreativ der Rest des Films ausfällt. Für Waititi ist, wie in den letzten Szenen klar wird, jedes Fußballspiel nichts anderes als eine Geschichte, die man sich leidenschaftlich erzählt und bei der es sogar noch schöner ist, wenn man vorher weiß, ob man sich auf das Ende freuen kann. Für Menschen, die dem zustimmen, ist dieser Film gemacht. Für jene, die so eine Geschichte schon unzählige Male gehört haben und danach mit leuchtenden Augen sagen: Erzähl’s noch einmal!“