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Filmplakat von Nachbarn

Nachbarn

124 min | Drama | FSK 12
Szene %1 aus %Nachbarn
In einem syrischen Grenzdorf in den frühen 1980er-Jahren erlebt der kleine Sero sein erstes Schuljahr. Er spielt freche Streiche mit seinen Kameraden, träumt von einem Fernseher, damit er endlich Cartoons schauen kann und muss gleichzeitig erleben, wie die Erwachsenen um ihn herum immer mehr von nationalistischer Willkür und Gewalt erdrückt werden. Mit feinem Gespür für Humor und Satire zeichnet der Regisseur Mano Khalil das Bild einer Kindheit, die unter der Assad-Diktatur auch leichte Momente findet. Der Film ist inspiriert von seinen persönlichen Kindheitserlebnissen und spannt die berührende Erzählung bis in die syrische Tragödie der Gegenwart.

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Filmkritik

Ein Dorf an der syrisch-türkischen Grenze, nahe der Stadt Qamischli, jene Gegend, die heute auf Kurdisch Rojava genannt wird, in den 1980er-Jahren. Aufgeregt läuft der sechsjährige Sero in einem Graben geduckt hinter seinem Onkel Aram her. Die beiden ärgern die türkischen Grenzposten, indem sie drei Ballons in den kurdischen Farben Grün, Gelb und Rot aufsteigen lassen. Mit einigen Salven ihrer Sturmgewehre schießen die Grenzsoldaten den grünen und den gelben Ballon aus der Luft, doch der rote zuckt nur kurz und steigt weiter hinauf. „Nachbarn“ des kurdisch-schweizerischen Filmemachers Mano Khalil beginnt mit einem kurzen spielerischen Moment.

Das Dorf ist Seros ganze Welt. Das einzige, was ihn von außerhalb interessiert, sind die Cartoons im Fernsehen, von denen die Kinder aus der Stadt erzählt haben. Doch das Dorf ist entgegen aller Zusagen noch immer nicht an das syrische Stromnetz angeschlossen; ein Fernseher ist deshalb nicht in Sicht. Seros Eltern und Großeltern sowie seine beiden Onkel wohnen im Umkreis weniger Meter voneinander entfernt. Im Haus neben seinen Eltern lebt hingegen eine jüdische Familie. Jeden Freitag machen Aram und Sero bei der Familie die „Shabbes gojs“, die Nicht-Juden, die den Herd andrehen, das Licht entzünden und das Radio anschalten.

Vereint im Antisemitismus

Zum neuen Schuljahr bringt ein Auto einen neuen Lehrer ins Dorf. Der ist ein glühender Anhänger des Staatspräsidenten Hafiz al-Assad und der regierenden Baath-Partei. Mit brachialer Energie versucht der Lehrer den Kindern ebenfalls eine Begeisterung für Assad und dessen Politik beizubringen. Dazu nutzt er eine Arabisierungskampagne. Kinder wie Sero, die bislang nur die kurdische Sprache Kurmandschi sprechen, müssen Arabisch lernen. Sein primärer Lehrinhalt jedoch ist Antisemitismus. Um die Schüler:innen zu einen, schwört er sie auf den Hass gegen die Juden ein.

Seros Familienleben findet ein jähes Ende, als türkische Grenzsoldaten seine Mutter beim Wäschewaschen am Fluss erschießen. Sein Onkel Aram protestiert lautstark gegen die Untätigkeit der syrischen Soldaten und wird kurz darauf vom Geheimdienst verschleppt. Seros Welt beginnt unwiederbringlich zu zerbrechen.

Regisseur Mano Khalil wurde in Syrien geboren. Von 1987 bis 1994 studierte er an der Prager Famu, arbeitete anschließend für das tschechische und slowakische Fernsehen, bevor er Mitte der 1990er-Jahre in die Schweiz zog. Sein Dokumentarfilm „Der Imker“ über einen kurdischen Vater, der nach dem Tod seiner Tochter aus der Türkei in die Schweiz flieht, gewann viele Preise.

Auch für ein Publikum ohne Vorkenntnisse

„Nachbarn“ wurde im kurdischen Norden des Irak gedreht, während die Türkei einen neuerlichen Angriff auf das kurdische Autonomiegebiet in Syrien vorbereitete. Es ist ein recht didaktischer Film, stets bemüht, die Gemengelage auch für ein Publikum ohne Vorkenntnisse verständlich zu skizzieren. Für dieses Anliegen hat Khalil eine gelungene Form gefunden, indem er die Handlung weitgehend aus der Perspektive von Sero erzählt. In einer etwas bemühten Rahmenhandlung führt er Sero als Erwachsenen ein. Das eröffnet die Möglichkeit, dass der erwachsenen Sero seine Erlebnisse als Kind kommentiert, der Film aber zugleich vom Charme des Kinderdarstellers Serhet Khalil profitiert.

Die Darstellung der politischen Situation gerät allerdings etwas holzschnittartig: auf der einen Seite die einträchtig beisammen lebenden Kurden und Juden, auf der anderen Seite die politische Indoktrination und Korruption der arabischen Syrer und Baath-Anhänger. Durch diesen groben Kontrast handelt sich der Film einige Klischeeszenen ein, etwa wenn die alten Männer des Dorfes auf einer Bank im Schatten die Ankunft des neuen Lehrers beäugen und über verzogene Kinder klagen.

Humor bis in die größte Tragik hinein

Von solchen arg schlichten Szenen heben sich humorvolle Alltagsmomente wohltuend ab. So fragt Sero seinen Vater, wann er endlich einen Fernseher kauft. Als der Vater antwortet „Sobald der Strom da ist, kaufe ich einen. Inschallah“, stöhnt Sero auf. „Immer wenn du Inschallah sagst, passiert nichts.“ Dieser Humor des Films reicht bis in die größte Tragik hinein und verleiht „Nachbarn“ trotz seines bedrängenden Themas eine angenehme Leichtigkeit.

Erschienen auf filmdienst.deNachbarnVon: Fabian Tietke (11.2.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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