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Filmkritik
Menschen wie Jane betreten Häuser durch den Hintereingang. Sie servieren das Frühstück, nehmen Telefonanrufe entgegen oder schenken beim Dinner Champagner ein. An diesem sommerlich warmen Märzsonntag des Jahres 1924 aber ist das anders. Zur Feier des Tages – es ist Muttertag und, wie Janes Dienstherr Mister Niven mehrmals betont, ein wahrlich wunderbarer Tag – bekommt sie frei. Die Nivens treffen sich mit ihren Nachbarn, den Hobdays und Sheringhams, zum Picknick. Jane (Odessa Young) darf sich ein Fahrrad ausleihen, ein Buch aus der Bibliothek mitnehmen, den Tag zu ihrem Tag machen und schließlich ein herrschaftliches Anwesen durch den Vordereingang betreten.
„Mothering Sunday“, heißt der Film im Original, und ebenso dessen literarische Vorlage von Graham Swift. Ein grausamer Titel. Was gibt es zu feiern, wenn die Söhne auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs geblieben sind?
The good old times
Mrs. Niven (Olivia Colman) ist in ihrer Trauer versteinert. Sie ist eine einzige Anklage mit heruntergezogenen Mundwinkeln. Ihr Mann (Colin Firth) droht jederzeit zu zerbrechen und versucht mit Floskeln die Stimmung aufzuhellen. Eine Wehmut füllt die Nivens aus, auch die Hobdays und die Sheringhams, ein Sehnen nach „the good old times“, als die Welt noch in Ordnung war. Die Sheringhams haben wenigstens noch einen lebenden Sohn, Paul (Josh O’Connor), der Anwalt werden und sich standesgemäß mit Emma, Tochter der Hobdays, vermählen soll.
Das klingt ganz nach „Downtown Abbey“ und Ähnlichem: Die britische Upper Class mit ihrem Standesdünkel, ihrer Erstarrung in Konventionen, dem Leiden an den eigenen Passionen und an der sich wandelnden Zeit. Die Menschen sind schön oder skurril, die Kostüme erlesen, die Landschaft immergrün, die Lippen verkniffen. Das kennt man, und es überrascht vielleicht am meisten, dass sich mit Eva Husson eine Französin dieses urbritischen Stoffs angenommen hat, die in dem Drehbuch all das gefunden hat, wofür sie brenne: „Schreiben, Sex und Kino in Reinform.“
Husson bleibt den vertrauten filmischen Erzählmustern verhaftet, beschwört aber das Sinnliche, gerne in Detailaufnahmen: Janes blondes Haar, das im Winter flattert; ein Schimmel im freien Galopp, in Zeitlupe gefilmt, ein sich liebendes Paar, Haut auf Haut, sanftes Sonnenlicht auf zerwühlten Laken. Denn während sich die feine Gesellschaft unten am Fluss in Henley um Contenance bemüht, erlebt Jane ihren „Festtag“ mit Paul. Jenem Sohn der Sheringhams, der von Braut, Eltern und Nachbarn zum Picknick erwartet wird, während er Jane die Haustür öffnet und sie in sein Zimmer führt. Dort geht er vor ihr auf die Knie, öffnet die Schnallen ihrer Schuhe, streift die Strümpfe von ihren Beinen, knöpft ihr Mieder auf.
Die Geschichte einer Selbstermächtigung
Dienstmädchen und junger Mann aus gutem Hause, eine Liebschaft, die sich über Klassengrenzen hinwegsetzt, aber selbstredend keine Zukunft hat – das ist nur auf dem ersten Blick die Geschichte von „Ein Festtag“. Denn eigentlich geht es hier um eine Selbstermächtigung und um die Frage, wie man zu dem Menschen wird, der man am Ende seines Lebens sein wird, den man sich womöglich erträumt hat.
Jane Fairchild, die junge Frau, die im Waisenhaus aufwuchs, als 14-Jährige eine Stelle als Dienstmagd fand und so zur „Beobachterin des Lebens“ wurde, ist im hohen Alter eine berühmte Schriftstellerin à la Doris Lessing. Das heimliche Treffen mit dem Geliebten an diesem Sonntag, der ein überaus tragisches Ende nimmt, markiert angeblich den Punkt, an dem Jane ihr Leben in die eigenen Hände nimmt und zu dem sie beim Schreiben und in Gedanken immer wieder zurückkehrt.
Husson gelingt es, drei Zeitebenen – Jane als Dienstmädchen, Jane am Beginn ihrer Karriere und als gestandene Literatin – in elliptischen Rückblenden miteinander zu verweben und damit im Ansatz auch den Verarbeitungsprozess dieses Tages zu verdeutlichen. Denn das ist ja die große Herausforderung der filmischen Übersetzung: Wie kann man das Introspektive des Schreibprozesses vermitteln?
Fehlanzeige: Ecken und Kanten
Die Regisseurin und ihr Kameramann Jamie D. Ramsay vertrauen vor allem auf die Poesie des Augenblicks und auf jene Bilder, in die man sich wie in ein wohltemperiertes Bad hineinlegen und langsam hinwegdösen kann. Was fehlt, sind Ecken und Kanten, an denen man sich stößt. Dass Jane sich später etwa in den schwarzen Philosophen Donald verliebt und ihn heiratet, geschieht in „Ein Festtag“ geradezu beiläufig, war in Großbritannien nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aber ein gesellschaftliches Tabu. Nur am Rande und beim genauen Zuhören bekommt man eine Ahnung vom Rassismus und den Vorurteilen dieser Zeit.
Aber vielleicht ist das die Crux der Erinnerung, die manchmal alles etwas weicher und erträglicher macht. Nicht nur Verletzungen, Trauer und Verlust, sondern auch diesen Film.