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Filmplakat von Moonage Daydream

Moonage Daydream

140 min | Dokumentarfilm, Musik | FSK 12
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In seinem Dokumentarfilm zeigt der Filmemacher Brett Morgen selten gesehene Konzert- und Performance-Aufnahmen von David Bowie, alias Ziggy Stardust.

Vorstellungen

Capitol Theater
Seilgraben 8
52062 Aachen

Filmkritik

Töne und Bilder waren für den britischen Musiker, Maler und Schauspieler David Bowie (8.7.1947-10.1.2016) gleich wichtig. Seine Songs wurden auf der Bühne und später auch in Musikvideos multimedial in Szene gesetzt. Dieses grundlegende Zusammenspiel von Klang- und visueller Kunst übersetzt der Dokumentarfilmer Brett Morgen in ein audiovisuelles Gesamtkunstwerk.

Bowies Ziggy-Stardust-Phase Anfang der 1970er-Jahre steht dabei am Beginn von „Moonage Daydream“. Die androgyne Kunstfigur, die aus den Tiefen des Weltraums auf die Erde kommt, um vergöttert zu werden, gilt auch heute noch als Bowies größte popkulturelle Errungenschaft. Ausführlich werden Ausschnitte aus der „Ziggy Stardust and the Spiders From Mars“-Doku von D.A. Pennebaker gezeigt, der das Konzert vom 3. Juli 1973 im Hammersmith Odeon in London ins Zentrum rückte. Dieses Konzert markierte allerdings einen Wendepunkt in Bowies Karriere, denn er kündigte damals an, künftig nicht mehr als Ziggy aufzutreten. Was er mit seinen Worten „the last show I will ever do“ allerdings genau meinte, blieb so vieldeutig wie viele seine Songtexte.

Ein wilder Bilderrausch

Mit atemberaubender Geschwindigkeit vermischt Brett Morgen das Konzert mit anderen Auftritten von Ziggy Stardust, mit Bildern und Aussagen von Fans sowie anderen faszinierenden Aufnahmen. Die Ästhetik dieser Montagen erinnert teilweise an „Velvet Goldmine“ von Todd Haynes. Der US-Regisseur erzählt darin die fiktive Geschichte des Glam-Rock-Stars Brian Slade und seines Freundes Curt Wild, die recht durchsichtig an das Verhältnis von David Bowie und Iggy Pop angelehnt ist. Während bei Haynes das Ende der androgynen Kunstfigur dramatisiert und skandalisiert wird, erscheint es bei Morgen als die vielleicht einflussreichste von mehreren Phasen im Werk dieses Künstlers.

David Bowie wurde oft als Chamäleon bezeichnet, weil er extrem wandlungsfähig und überdies in der Lage war, neue Trends zu erkennen und für sich nutzbar zu machen. Die von Brett Morgen ausgewählten Selbstaussagen von Bowie zeigen hingegen eher, wie rastlos er auf der Suche nach neuen künstlerischen Inspirationen war. Aus diesem Grund zog es ihn Mitte der 1970er-Jahre nach Los Angeles. Eigentlich hasste er diese Stadt. Doch gerade deshalb setzte er sich ihr aus. Hier entstand die zweite bedeutende Bowie-Kunstfigur: der Thin White Duke, wie er im Album „Station to Station“ erscheint.

Um die eigenen Grenzen auszuloten und herauszufinden, wie lange es möglich ist, einen Ort zu ertragen, der das Gegenteil von einladend ist, trieb es Bowie 1976 auch nach Berlin. In der Zusammenarbeit mit Brian Eno führt das zu hoch experimentellen Alben, aber auch zu seinem wohl berühmtesten Song „Heroes“.

Die Veränderung war Bowies Lebenselixier. Deshalb hielt er es nicht lange an einem Ort aus, sondern war wie Dean Moriarty und Sal Paradise in Jack Kerouacs „On the Road“ immer unterwegs; den Roman soll Bowie als junger Mann verschlungen haben.

Der folgenreichste und letzte große Imagewandel seiner Karriere brachte ihm dann den größten kommerziellen Erfolg. Mit blonden Haaren, pastellenen Anzügen und positiver Grundstimmung wurde er mit Songs wie „Let’s Dance“ und „China Girl“ zum Superstar.

Ein weiter Weg

In „Moonage Daydream“ wird Bowies Werdegang von bekannten Fernseh-Interviews flankiert, in denen er zu seiner Musik und deren Verkörperung befragt wurde. Sein Leben sei uneingeschränkt dieser Leidenschaft gewidmet. Für andere Menschen und enge Freundschaften finde sich darin kein Platz. Das habe sich erst geändert, als er 1990 das aus Somalia stammende Modell Imam Abdulmajid kennenlernte. Zum ersten Mal trat damit ein Mensch in Bowies Leben, der ihm wichtiger war als seine Arbeit. Zumindest vorübergehend. Mitte der 1990er-Jahre gelang es ihm so, die Misserfolge der späten 1980er-Jahre, in denen er seinem Superstar-Status künstlerisch Tribut zollen musste, vergessen zu machen.

Bowies Karriere lässt sich allerdings nicht beschreiben. Das entspricht auch nicht der Vorgehensweise von Brett Morgen. Denn von den ersten Augenblicken des Films an setzt die Inszenierung auf ästhetische Überwältigung. Woher all diese Bilder und Töne stammen, in welcher Zeit sie aufgenommen oder aus welcher Perspektive sie produziert wurden, bleibt unaufgeklärt. Das stört aber auch nicht, weil ohnehin keine Zeit bleibt, über irgendetwas nachzudenken. Denn die Sinne richten sich ganz auf die Leinwand und den Saal aus, in dem die Klänge zirkulieren. Da sich Bowies Stimme mit den Jahren veränderte, tiefer und sonorer wurde, lassen sich seine Kommentare zur Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und zum großen Versäumnis, die Bedeutung des Chaos nicht positiv zu würdigen, aber einer späteren Phase zurechnen.

Morgen kontextualisiert Bowie popkulturell und überschreitet dabei selbst Grenzen. Das Dokumentarische öffnet sich in „Moonage Daydream“ zum Essayistischen, zur Collage und Bricolage. Spielfilme mit Bowie wie „Der Mann, der vom Himmel fiel“ (1975), „Furyo – Merry Christmas, Mr Lawrence“ (1983) oder „Begierde“ (1983) werden ebenso dazwischen montiert wie Ausschnitte aus anderen Filmen, etwa das fliegende Bett aus „Wizard of Oz“.

Dieses Hinwegschweben in eine Fantasiewelt „somewhere over the rainbow“ ist symptomatisch für die Art und Weise, wie Morgen durch die Auswahl des Bild- und Tonmaterials den Flug durch den Raum und die Zeit von Bowies Leben erfahrbar zu machen versucht.

Der Film versteht sich selbst als Zeitreise, als der titelgebende „Moonage Daydream“, der die Sinne überwältigt. Kritische Töne bleiben außen vor. Bowies Kokainsucht spielt keine Rolle, auch nicht sein Alkoholproblem; weder werden seine von manchen als faschistoid etikettierten Äußerungen als Thin White Duke thematisiert und noch der letzte große Imagewandel in den 1980er-Jahren zum Sunnyboy und Superstar des Pop hinterfragt, womit Bowie viele langjährige Fans vergraulte.

Das Tod und das Chaos

Auch sein Tod im Jahr 2016 wird nicht thematisiert. Aus Bowies Statements im Film, wie sehr er das Leben und insbesondere sein aufregendes Leben liebte, ist sein Ende zumindest über Umwege präsent, da Bowie den Tod als Grundbedingung des menschlichen Chaos mitdachte und mitthematisierte.

„Moonage Daydream“ ist ein Film über einen unsterblichen Künstler, der immerfort auf der Suche nach sich selbst und seiner Kunst war. Dazu gehören auch seine Versuche als Maler, die bisher wenig bekannt sind, auch weil Bowie sich nicht traute, sie auszustellen. Dass man diese Werke nun doch zu Gesicht bekommt, ist ein weiteres Verdienst dieses beeindruckenden Films.

Erschienen auf filmdienst.deMoonage DaydreamVon: Thomas Klein (21.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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