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Filmkritik
Es beginnt wie in einem Horrorfilm. Eine junge Frau hockt, gefesselt mit einer Zwangsjacke, auf dem Boden ihrer Zelle in einem Heim für geistig behinderte Jugendliche, irgendwo im Sumpfland von Louisiana. Schnell fährt die Kamera auf ihr unbewegliches Gesicht zu, das gleichwohl Entschlossenheit signalisiert. Es ist Blutmondnacht, eine Nacht, in der alles passieren kann.
Plötzlich erwacht die Frau aus ihrer jahrelangen Katatonie. Im nächsten Moment zwingt sie eine arrogant-tyrannische Schwester, die ihr eigentlich nur die Fußnägel schneiden wollte, allein durch Gedankenübertragung, sich mit der Nagelschere mehrmals in den Oberschenkel zu stechen und sie freizulassen. Kaum aus dem Hospital entkommen, macht sie sich über die Bahngleise auf nach New Orleans.
Ein Akt der Befreiung
Später erfährt man, dass sie Koreanerin ist und Mona Lisa Lee heißt. Zufällig begegnet sie der alleinerziehenden Mutter Bonnie Belle, die als Stripperin arbeitet. Bonnie Belle erkennt, was für Möglichkeiten in den Superkräften der scheuen Koreanerin stecken, um friedliebenden Mitbürgern das Geld aus der Tasche zu ziehen. In der Zwischenzeit freundet sich Mona Lisa mit Charlie an, dem zehnjährigen, sensiblen Sohn von Bonnie Belle, der eine Schwäche für Heavy Metal hat. Doch da wird Mona Lisa schon längst von der Polizei gesucht.
Die US-amerikanisch-iranische Regisseurin Ana Lily Amirpour war 2015 mit ihrem ungewöhnlichen Vampirfilm „A Girl Walks Home Alone at Night“ aufgefallen, gedreht in Kalifornien, mit traumähnlichen, suggestiven Schwarz-weiß-Bildern, deren symbolische Bedeutung stets mitschwang und darum nie ausgesprochen werden musste. Wenn die Vampirin in leise gleitender Fahrt auf dem Skateboard die Nacht durchmaß, blähte sich der schwarze Tschador, eigentlich ein Zeichen für religiöse Zugehörigkeit, aber auch der Unterdrückung, wie die Flügel eines Racheengels auf. Das war ein Akt der Befreiung, und um einen Akt der Befreiung geht es auch in „Mona Lisa and the Blood Moon“.
Die Misfits der US-amerikanischen Gesellschaft
Die Protagonistin wurde zehn Jahre lang in der Irrenanstalt festgehalten; dass sie jemals dorthin zurückkehrt, ist für Mona Lisa ausgeschlossen. So wird sie, auch wegen ihres asiatischen Aussehens, zur Außenseiterin. Die Superkraft, mit der sie anderen Menschen ihren Willen aufzwingt, verstärkt diese Rolle noch. Sie verleiht dem Film aber auch etwas Märchenhaftes, für das es keine Erklärung gibt und das man als Zuschauer schlicht akzeptieren muss.
Mona Lisa begegnet weiteren Menschen: drei netten Punks, die ihr sogar ein Paar Turnschuhe für ihre nackte Füße schenken, einem schwarzen, wohlmeinenden Cop, der von seinen weißen Kollegen ständig gehänselt wird, und einem drolligen Drogendealer mit farbigen Brillengläsern, über dessen Absichten man lange im Dunklen bleibt.
Amirpour liebt diese Misfits der US-amerikanischen Gesellschaft, sie versieht sie mit Eigenschaften, ohne sie zu erklären. Andeutungen, die man mit Leben oder Sinn füllen kann, müssen reichen. Einmal heißt es sogar, dass Mona Lisa Nordkoreanerin sei; im Fernsehen schüttelt Donald Trump Hände mit Kim Jong-un – Hinweise, die die Regisseurin nicht weiterverfolgt. „Vergiss, was du weißt“, steht auf einem Glückskeks, den der schwarze Cop nach einem Besuch im Chinarestaurant öffnet, so als solle die Vagheit des Films noch unterstrichen werden.
In den buntesten Farben
Dann führt Amirpour ihre Figuren in einem neonbeleuchteten „French Quarter“ zusammen. Die Bourbon Street strahlt in den buntesten Farben, sogar so ein Schuppen wie das „Panty Drop“, in dem eine bewundernswert taffe Kate Hudson als Bonnie Belle die Hüllen fallen lässt, macht noch etwas her, und am Himmel leuchtet der Blutmond des Filmtitels. Doch nicht alles ist Gold, was glänzt, in den Seitenstraßen herrscht die Gewalt. Mona Lisa wird auch hier nicht bleiben können, und so kommt es zu einem originellen Finale, das von einem treibenden Soundtrack unterlegt ist. Der nächtliche Rausch durch das French Quarter von New Orleans ist vorbei.