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Filmkritik
Alle haben sich so gefreut auf die erste Klassenfahrt nach Amrum. Vor allem Lotta wollte mit ihrer besten Freundin Cheyenne und ihrem nervigen Mitschüler Paul, mit denen sie die Bande „Die wilden Kaninchen“ bildet, die Nordsee-Insel erkunden. Doch dann verkündet die strenge Klassenlehrerin Frau Kackert an der Bushaltestelle, dass die zweite Lehrkraft krank geworden sei. Damit fällt der Ausflug ins Wasser. Zum Glück erklärt sich Lottas Vater Rainer bereit, als Begleitperson einzuspringen. Rainer hat Zeit, weil er sich als Lehrer ein Jahr Auszeit genommen hat, um ein Buch zu schreiben; für Lotta aber ist die Situation mit ihrem Vater als Begleiter ziemlich peinlich.
Unangenehm sind ihr auch die vorsichtigen Annäherungsversuche des neuen französischen Mitschülers Rémi, der ihr kurz zuvor erstmals begegnet ist. Dabei hatte Lotta noch spontan gerufen: „Du bist ja ein ganz Süßer!“ Gemeint war aber nicht Rémi, sondern den Windhund seiner Familie. Cheyenne und Paul hingegen verstehen sich ausgezeichnet mit Rémi, der zusammen mit Paul in der Jugendherberge sogar ein Doppelzimmer bezieht. Lotta und Cheyenne müssen hingegen ausgerechnet mit den vier verhassten (G)Lämmer-Girls um die eingebildete Berenike ein großes Zimmer teilen.
Plötzlich ist die Schwester verschwunden
In diesen Raum quartiert sich auch noch Cheyennes schlagfertige jüngere Schwester Chanell ein, die wegen eines familiären Notfalls mitreisen durfte. Zudem nerven hin und wieder vier pubertierende Rocker aus ihrer Klasse und einige Jugendliche, die auf Amrum Sozialstunden ableisten. Lotta fühlt sich überdies von einem vermissten Mädchen namens Mieke verfolgt, deren Schwarz-weiß-Foto im Treppenhaus hängt. Bis plötzlich auch Chanell spurlos verschwindet.
Nach dem Erfolg des Kinderfilms „Mein Lotta-Leben - Alles Bingo mit Flamingo!“ (2019) musste sich die Fangemeinde der populären Comic-Roman-Reihe „Mein Lotta-Leben“ von der Autorin Alice Pantermüller und der Illustratorin Daniela Kohl länger bis zur Fortsetzung gedulden. Pandemie-bedingt wurden die Dreharbeiten um ein Jahr verschoben. Das Drehbuch stammt erneut von Bettina Börgerding, die sich vor allem auf die Bände 7 und 8 der inzwischen 18 Ausgaben umfassenden Reihe stützt.
Einen Wechsel gab es aber auf dem Regiestuhl. Statt Neele Leana Vollmar, inszenierte Martina Plura, die als Kamerafrau ihre Zwillingsschwester Monika Plura mitbrachte. Die Besetzung blieb hingegen zum Großteil erhalten. So spielen Meggy Hussong und Yola Streese als beste Freundinnen, die vom Temperament her kaum unterschiedlicher sein könnten, einander wieder souverän die Bälle zu. Neu hinzugekommen ist Timothy Scannell, der Rémi mit französischem Akzent und putzigen Sprachfehlern viel Charme verleiht. Einen Wechsel gab es auch bei der Antagonistin: Anstelle von Carolin Kebekus verleiht Sarah Hostettler der stets schwarz gekleideten Frau Kackert ein humorfreies Profil.
Mit Ecken und Kanten
Erhalten geblieben ist erfreulicherweise der außergewöhnliche Erzählstil des ersten „Lotta“-Films. Dem war es vorbildlich gelungen, die literarische Tagebuchform der Vorlage ins filmische Medium zu überführen und an der Gedankenwelt der Protagonistin teilhaben zu lassen. Die elfjährige Lotta blickt als Erzählerin erneut hin und wieder in die Kamera und durchbricht mit der direkten Publikumsansprache die vierte Wand. Zum anderen kommentieren die ins Bild integrierten animierten Zeichnungen oft auf witzige Weise das filmische Geschehen oder Lottas schwankende Stimmungslagen.
Das Mädchen avanciert so im Handumdrehen zur starken Identifikationsfigur mit Ecken und Kanten. Die unangepasste Lotta wirkt dabei keineswegs so adrett wie viele Heldinnen in deutschen Kinderfilmen, die über sich hinauswachsen müssen. Wenn Lotta ihre Widersacherin Berenike angiftet oder die kleine Chanell anraunzt, ist schnell klar, dass sie durchaus auch ein kleines Miststück sein kann.
Auch die Kreativen setzen bei der zweiten „Lotta-Leben“-Adaption an vielen Stellen eigene Akzente. Der Film hat mehr Tempo, bietet mehr Abenteuer und Romantik und spricht mit der Mystery-Story um das düstere Geistermädchen Mieke auch eine etwas ältere Zielgruppe an. Beim Klassenausflug spielen die Pubertät und erste Liebschaften eine größere Rolle. Während Lotta auf Amrum versucht, mit ihren widersprüchlichen Gefühlen für Rémi klarzukommen, bandelt die hübsche Berenike schon mit dem smarten Sozialdienstleistenden Fabio an.
Zusammenhalt als Thema
Zudem bekommen Chanell und Rainer, die sich in „Mein Lotta-Leben - Alles Bingo mit Flamingo!“ als Publikumslieblinge erwiesen hatten, deutlich mehr Platz. Cara Vondey hatte in ersten Film mit pointierten One-Linern viele Zuschauerherzen erobert, während Oliver Mommsen als etwas unbeholfener Vater Sympathiepunkte sammelte. Mit der Suche nach Chanell rückt jetzt aber statt der Mädchenfreundschaft der Zusammenhalt in der Klasse als Topthema an die Spitze. Denn um das Mädchen zu finden, müssen alle rivalisierenden Fraktionen der Klasse an einem Strang ziehen.
Dass der zweite „Lotta“-Film am Ende doch nicht an den ersten heranreicht, liegt vor allem an zwei dicken Drehbuchpatzern. So ist es wenig glaubwürdig, dass eine kontrollsüchtige Lehrerin und ein erfahrener Wattführer nicht bemerken, wenn Lotta und Rémi bei einer Wattwanderung verloren gehen und durch die Flut in Lebensgefahr geraten. Ebenso unglaubwürdig wirkt, dass die Kinder nach Chanells Verschwinden keinen Alarm schlagen und ihr Fehlen den Erwachsenen nicht einmal auffällt.