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Filmkritik
Einst lebte im Süden eine fromme Mexikanerin. Sie war die schönste Jungfrau weit und breit und bekam denn auch einen angemessen stattlichen Rittmeister zum Mann. Doch Jahre später wurde ihr Leben im Kreise der Familie mit zwei jungen Kindern jäh getrübt, als sie ihren Mann in den Armen einer Jüngeren fand. Von allen guten Geistern verlassen nahm sie ihrem Mann das Liebste, was er sich vorstellen konnte, nämlich die Kinder, indem sie sie gnadenlos in einem nahen Fluss ertränkte. Als sie erkannte, was sie Schreckliches getan hatte, setzte sie im Wahn auch ihrem Leben ein Ende. Nun geistert ihre rastlose Seele als Fluch umher, immer auf der Suche nach kleinen Kindern, die sie mit in den feuchten Tod ziehen kann.
Wie es der Film „Lloronas Fluch“ will, wabert besagter Fluch aus dem 17. Jahrhundert in den 1970er-Jahren gen Norden und macht auch vor der US-amerikanischen Metropole Los Angeles nicht halt. Davon weiß indes Anna Tate-Garcia vom Jugendamt noch nichts, als sie zu einer bekannten Problemfamilie gerufen wird. Eine Mutter soll da ihren beiden Kindern Leid antun. Anna findet die beiden Jungen dann auch unter höchst mysteriösen Umständen in einem dunklen, mit unheimlichen Augensymbolen verzierten Kleiderschrank der kleinen Wohnung. Es sei nur zu deren Besten, wimmert die verzweifelte Mutter, als die vollkommen verstörten Kinder in ärztliche Obhut gegeben werden. Eine trügerische Obhut, denn mitten in der Nacht findet man die Kinder am Rand des kanalisierten Flusses. Anna steht vor einem Rätsel. Nur für Mutter Patricia steht fest: La Llorona hat die grausame Tat begangen!
Die skeptische, ihre zwei Kinder ebenfalls allein erziehende Beamtin wird bald erkennen müssen, dass es in dem Fall in der Tat nicht mit rechten Dingen zugeht. Schlimmer noch: Etwas Übersinnliches scheint auch schon Einlass in ihr eigenes Haus gefunden zu haben.
Zwischenschauder mit Gruselpuppe Annabelle
Folkloristische Geistergeschichten sind immer eine solide Grundlage für Hollywood-Horror, zumal sie sich so wunderbar mit Erfolgsfranchises wie dem schon abgeebbten „Paranormal Activity“ oder dem trefflich prosperierenden „Conjuring“-Universum verquicken lassen. Produzent James Wan („Insidious“, „The Conjuring“, „The Nun“) lässt es sich daher auch nicht nehmen, für einen Zwischenschauder kurz mal auf seine Gruselpuppe Annabelle zu verweisen.
Muss man nicht, kann man aber machen, um einem eher mediokren Geisterfilm den Anschein zu geben, er sei Teil eines weltumspannendes Horrornetzwerks, in dem böse Nonnen, Puppen und Poltergeister, von Großbritannien über die USA bis nun hin nach Mexiko eine Corona des Unheils hinterlassen.
Nun also: Mexiko. Man hat zwangsläufig das ungute Gefühl, die Geografie sei hier nur aus dem einen Grund gewählt, um bei der lateinamerikanischen Community in den USA Kasse zu machen. Denn um ein ernsteres Abtauchen in „fremdländische“ (Geister-)Folklore geht es hier kaum.
Protagonisten aus Hollywoods Geisterfundus
Ist der erzählerische Grund erst einmal abgesteckt, wirken hier doch nur wieder alle formelhaften Protagonisten aus Hollywoods Geisterfundus: Ein Priester, der das Unheimliche mit der rationalen Welt verknüpft, ein schrulliges Exorzismus-Medium, das mit esoterischem Krimskrams dem Geist mehr den Weg bereitet, als ihn zu bannen, und schließlich eine Familie, die als Betroffene dann doch letztlich auf sich allein gestellt das Böse bannen muss, weil in der Hollywood-Denkungsart eben nur eine Familie den Nukleus des Guten darstellen kann. Lang, lang ist es her, dass Alan Parker in einem Meisterwerk wie „Angel Heart“ so verstörend akribisch wie realistisch in die Hölle von Voodoo, Teufelskult und Südstaatenfolklore einführte.
In „Lloronas Fluch“ ist es letztendlich doch nur wieder ein austauschbarer Geist, der ob des billigen Effekts wegen nach Belieben und wenig subtil auf der Bildfläche erscheint, um für kaum originellen Geisterbahn-Grusel zu sorgen. Dabei hätte die Geschichte prinzipiell durchaus viel Potential. Doch die in Ansätzen aufgebaute Stimmung wird zusehends an bewährte Formelhaftigkeit verschenkt. Symptomatisch dafür ist das Finale, das sicher einmal anders geplant war. Denn dem Fluch um den Geist der kindermordenden Mutter sollte im Showdown offensichtlich zunächst mit „Liebe“ begegnet werden. Eine schöne Vorstellung. Doch auch eine unspektakuläre. Daher setzt man dann doch auf grafische Action. Pauken und Trompeten sind im Zweifel eben eingängiger als ein verhaltenes, emphatischeres Decrescendo. So bekommt die „Geisterbahnfahrt“ ihr explizites Finale und ein Film einen „unsinnlichen“ Schluss, auf dem sich im Zweifel trefflich neu aufbauen lässt. Alles wie gehabt.