Vorstellungen
Filmkritik
Die mutigste aller Mäuse will die kleine Dalli sein. Kein gutes Ziel, wie sich schnell herausstellt. Zwar gelingt es ihr, dem schlafenden Fuchs Weißbauch ein Fellbüschel auszureißen. Doch als dieser – ausgerechnet von einer sanft vom Himmel fallenden Schneeflocke, die auf seiner Nase landet – aufwacht, geht es für Dalli um Leben und Tod. Und die Stop-Motion-Animation, eine tschechisch-französisch-polnisch-slowakische Koproduktion, nach dem Kinderbuch „Auch Mäuse kommen in den Himmel“ von Iva Procházková entscheidet sich nach einem kurzen Rückblick in die Kindheit von Dalli, die von einem beruhigenden Voice-Over-Kommentar begleitet wird, überraschend für Letzteres. Ein helles Licht taucht die Leinwand in Weiß, Fuchs und Maus erstarren mitten in der Bewegung. Nur das Ende ist das nicht. Vielmehr ein Anfang.
Dalli kommt im Himmel wieder zu sich, wo strenge Reinlichkeitsregeln herrschen und die Tiere sich immerzu gründlich waschen müssen – was Dalli allerdings überhaupt nicht gefällt und was sie mit einem weiteren Neuankömmling im Himmel verbindet: dem Fuchs. Auch Weißbauch hat den Autounfall während der Verfolgungsjagd nicht überlebt. Doch er ist nicht voller Groll, sondern erweist sich als ziemlich sanft und bedächtig, während die vorlaute kleine Maus ihre Gefühle kaum unter Kontrolle hat und dem Fuchs immerzu vorwirft, sie fressen zu wollen. Dalli kann nicht anders. Seitdem sie als Babymaus miterleben musste, wie ihr Vater von einem fiesen Fuchs gefressen wurde, ist sie überzeugt davon, dass Füchse und Mäuse Feinde sein müssen. Versöhnt wird sie erst von dem Vorschlag Weißbauchs, im Himmel ihren Vater zu suchen.
Temporeich und niedliches Figurendesign
Temporeich beginnt der Puppentrickfilm, den Jan Bubeníček und Denisa Grimmová mit großer Sorgfalt inszeniert haben und der von Anfang an durch das niedliche Figurendesign und die detaillierten Kulissen für sich einnimmt. Da geht es im Eilschritt durch einen verzauberten wilden Garten im Herbst, zurück in die Vergangenheit, dann in einen Himmel, der auf den ersten Blick wie eine Wasser-Wellness-Oase anmutet. Im nächsten Augenblick schon lässt der Film Dalli und Weißbauch in einer Lore durch höhlenartige Versorgungsschächte sausen, um sie wenig später, unfreiwillig durch ein Kabel aneinandergefesselt, zu einem recht unheimlichen Jahrmarkt zu bringen.
Ein wildes Potpourri ist „Im Himmel ist auch Platz für Mäuse“ anfangs, mit Anspielungen an „Indiana Jones und der Tempel des Todes“, Charlie Chaplins Kampf mit Zahnrädern aus „Moderne Zeiten“ und „Flucht in Ketten“. Und doch geht es dem Film dabei nicht nur um Zitate oder um Augenwischerei – wie etwa den in dieser Hinsicht kläglich gescheiterten „Die Mucklas“. Mit Witz und Freude an der Animation bindet der Film diese Szenen in die Handlung ein und erzählt darüber, wie Dalli und Weißbauch ganz langsam zueinanderfinden.
Reizvoll ist die Geschichte unterdessen, weil diese Freundschaft nicht von Anfang an gesetzt ist. Mal wirken die beiden Figuren sich ganz nah, dann ist es meist Dalli, die Weißbauch wieder ablehnt. Umso bemerkenswerter ist dabei, dass der Film die Perspektive von Dalli einnimmt, die eindeutig die schwierigere der beiden Figuren und nicht immer sympathisch ist.
Es wird auch unheimlich
So knuffig die Figuren auch wirken, so unheimlich wird der Film auch. Nachdem Dalli und Weißbauch die himmlische Wasserlandschaft verlassen haben, über die eine bärtige weiße Ziege als Oberhaupt wacht, kommen sie auch zu einem recht unheimlichen Jahrmarkt und schließlich sogar in einen dunklen Wald – allesamt Orte, in denen Dalli und Weißbauch mit sich selbst, mit ihrer Vergangenheit, ihren Stärken und Schwächen konfrontiert werden. Gerade der Wald ist dabei ein regelrechter Superverstärker für alle Gefühle, weil in ihm Angst und Wut schnell übermächtig groß werden können. Wie häufig in Kinderliteratur und -film funktioniert es auch hier trefflich, Gefühle in Orte zu transformieren und so etwas Abstraktes greifbar und anschaulich werden zu lassen.
Es gibt viel zu sehen in diesem Animationsfilm, der durch seine Detailfülle sowie die Vielzahl an unterschiedlichen Schauplätzen und Figuren beeindruckt und auch immer wieder durch Bildwitz für Auflockerung sorgt. Um den Tod geht es dabei entgegen dem Titel letztlich weniger, auch wenn der Film eine ebenso humorvolle wie überraschende Vision des Himmelreichs entwirft. Im Mittelpunkt steht stattdessen die Auseinandersetzung mit Vorurteilen und Vorbildern und eine kluge Sicht darauf, wie sehr Angst und Mut zusammengehören und einander auch bedingen. Beide Seiten einer Medaille zu erkennen und auch einmal die Perspektive zu wechseln – dieses Thema verfolgt der charmante Trickfilm bis in seine letzte Szene.