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Filmkritik
Am Film zur Wende haben sich schon einige versucht. Schriftsteller scheinen das Thema dabei besser als Drehbuchautoren und Regisseure erfassen zu können. Der Westdeutsche Wolfgang Becker lässt die Geschichte von „Good Bye, Lenin!“ im Schicksalsjahr 1989 in Ostberlin spielen. Zusammen mit dem Autor Bernd Lichtenberg hat er eine Parabel ersonnen, eine überaus konstruierte Folie, hinter der die jüngere deutsche Geschichte zum Vorschein kommt wie in einer Camera Obscura. Er geht damit einen radikal anderen Weg als die Realisten oder Komödianten, die haarscharf an so etwas wie ost-, west- oder gesamtdeutschem Lebensgefühl vorbeigeschrieben und -inszeniert haben, etwa Leander Haussmann in „Sonnenallee“ oder Winfried Bonengel in „Führer Ex“.
Ein Herzschlag später
Im Sommer dieses Jahres ist der 21-jährige Alex (Daniel Brühl) nicht wirklich politisiert. Mit der Bierflasche in der Hand setzt er sich am liebsten auf einen Spielplatz vor der Plattenbausiedlung und rätselt, was er mit sich anfangen soll. Nur weil das in diesen Tagen eben so Sitte ist, läuft er auf einer der vielen Demos mit, die Pressefreiheit fordern, wenn nicht gleich den Fall der Mauer. Als ihn seine Mutter (Katrin Saß) dort erblickt, die gerade auf dem Weg zum Palast der Republik ist, wo sie als Heldin der Arbeit geehrt werden soll, bricht sie mit einem Herzschlag zusammen.
Erst acht Monate später wacht sie wieder auf – und erhält strenge Schonung verordnet. Was nicht einfach ist, denn inzwischen sind die DDR und der osteuropäische Kommunismus untergegangen, die Mauer gefallen und Deutschland vereint. Alex, seine Schwester und deren Freund beschließen, das alles vor der Mutter zu verheimlichen. Sie bringen die bereits westliche gestylte Wohnung wieder in den Urzustand und quartieren die Mutter in ein Zimmer nach DDR-Art ein.
Es gib zahllose schöne und anrührende Details in dem Film. Etwa wie gelangweilt Alex, der von Daniel Brühl mit bewundernswerter Unsicherheit gespielt wird, bei jener Demo apfelkauend mitläuft; wie er verzweifelt HO-Produkte oder wenigstens deren Verpackungen zu besorgen versucht und immer neue Ausreden findet, etwa für das Westfernsehen der Nachbarn und das Coca-Cola-Plakat vor dem Fenster. In schwierigen Fällen hilft ein Freund aus, der die absurdesten „Aktuelle Kamera“-Ausgaben für Alexs Mutter produziert und auf Videos aufnimmt, damit sie „im Fernsehen“ laufen können.
Mehr als eine Komödie
Doch Wolfgang Becker wollte wie schon in „Das Leben ist eine Baustelle“ nicht bloß eine Komödie drehen. Nach und nach bewegt sich der Film auf allgemeinere Aussagen über die Wiedervereinigung zu, die etwas mit der Würde eines Ablebens zu tun haben und sich deshalb sowohl von Ostalgie als auch von jeder Siegermentalität abgrenzen. Gerade letztere ließ sich aus den Ossi-Wessi-Klamotten der 1990er-Jahre immer wieder herauslesen. Becker schafft mit „Good Bye, Lenin!“ ein warmherziges und hellsichtiges Werk, was ihm im Rahmen einer handelsüblichen Dramaturgie vielleicht nicht gelungen wäre und ihm bei der „Baustelle“ auch nur bedingt gelungen ist.
Was das Potenzial des Films allerdings nicht ausschöpft, ist der Umstand, dass die Inszenierung immer mit einem Fuß auf der Bremse steht: bei den komödiantischen Anteilen, bei der Familiengeschichte, bei der historischen Dimension. Deswegen wird es immer nur halbwegs witzig, anrührend oder bewegend. Stellenweise ist das geradezu ärgerlich. Muss es unbedingt der symbolträchtige Limonadenhersteller sein, der immer wieder auftaucht, wie schon bei Billy Wilder 40 Jahren davor? Apropos Billy: Weitaus treffender ist das Plakat mit dem gleichnamigen Bestseller-Regal von Ikea, das die verdutzte Mutter im Vorbeigehen sieht.
Dennoch: „Good Bye, Lenin“ ist eine ebenso unterhaltsame wie ernsthafte Annäherung aus an die DDR als Heimat und an das Phänomen Wiedervereinigung aus ostdeutscher Sicht.