- RegieGeorge Miller
- ProduktionsländerAustralien
- Produktionsjahr2024
- Dauer148 Minuten
- GenreAbenteuerScience FictionAction
- AltersfreigabeFSK 16
- IMDb Rating7.7/10 (116) Stimmen
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Filmkritik
George Millers „Furiosa: A Mad Max Saga“, das Prequel zu „Fury Road“ (2015) und wie schon sein Vorgänger eine mit enormer Virtuosität inszenierte Reise durch eine postapokalyptische Hölle, beginnt mit einer Vertreibung aus dem Paradies. Ein junges Mädchen, Furiosa, pflückt in einer Oase, bei der es sich um eine der letzten grünen Gegenden auf einem verwüsteten Planeten handelt, eine Frucht von einem Baum. In diesem Moment taucht, im Hintergrund des Bildes, eine Gruppe Biker auf, die sich als Untergebene eines finsteren Warlords namens Dr. Dementus (Chris Hemsworth) herausstellen, verdammt zu einem Leben in der Wüste. Die mutige Furiosa will den Wichten das Handwerk legen, wird aber stattdessen von ihnen entführt.
So beginnt ihre Odyssee durch ein Meer aus Sand, Gewalt und Feuer. Ihr Ziel ist das Zuhause, das „Grüne Land“ oder „Land des Überflusses“, wie es die Wüstenmänner nennen. George Miller zeigt es in nur wenigen Einstellungen zu Anfang des Films, um es sofort zu verlassen. Die Kamera fährt langsam zurück von dieser harmonischen Welt, aus der Furiosas Mutter in die Wüste herausgaloppiert, ihrer entführten Tochter hinterher. Nichts und niemand wird hier jemals wieder zurückkehren. Aus „Fury Road“ ist bekannt, dass dieses Land in der Zukunft nicht mehr existieren wird.
Passionsgeschichte über fünfzehn Jahre
Über mehrere Kapitel und fünfzehn Jahre hinweg folgt der Film der Passionsgeschichte des Mädchens, das erst der Hinrichtung und Vergewaltigung der Mutter beiwohnt, von einem männlichen Herrscher zum anderen übergeht und sich gegen einen Päderasten zur Wehr setzen muss. Aus dem Kind wird eine junge Frau. Sie lernt, allein zu überleben und zu kämpfen. Sie schlägt sich durch. Und sinnt, für den Mord an ihrer Mutter, auf Rache.
„Furiosa“ setzt das (post-)apokalyptische „Mad Max“-Universum fort. Dennoch wird hier eine Verschiebung fortgeführt, die schon in „Fury Road“ stattfand. Die einst von Mel Gibson gespielte Titelfigur von Millers Trilogie, die zwischen 1979 und 1985 entstand, wird in „Fury Road“ von Tom Hardy wieder aufgenommen. Doch der Fokus wechselte schon damals von Max auf Furiosa, die in „Fury Road“ von Charlize Theron und jetzt von Anya Taylor-Joy verkörpert wird. Im neuen Film verschwindet Max dann ganz und macht einem von Tom Burke gespielten Fahrer Platz, der Furiosa in späteren Jahren helfen wird, bevor auch er verschwindet. Womit hier ganz und gar die weibliche Heldin im Zentrum steht.
Wie „Fury Road“ ist auch „Furiosa“ eine öko-feministische Parabel: über die Ausbeutung der Natur und vor allem der Frauen, die in der „Zitadelle“, einer in Felsen errichteten Festung, in Keuschheitsgürtel gezwängt als Gebärmaschinen gehalten werden, während die Männer der Landschaft die letzten Ressourcen abtrotzen und Kugeln für ihre Kriege produzieren. Man kann in dieser Kritik am Patriarchat auch eine Kritik am Speziesismus sehen, eine Anklage der Ausbeutung von „Nutztieren“ durch Menschen: Den von einem „Organic Mechanic“ betreuten Frauen werden die Kinder weggenommen wie den Kühen die Kälber, die Milch wird als Nahrungsmittel für die „War Boys“ verwendet.
Was verloren wurde, bleibt verloren
So erzählt der Film die Geschichte der Auflehnung einer Frau, die all das nicht länger hinnehmen will. Und doch ist ihr Weg so dunkel, grausam und nihilistisch, dass er alles andere ist als eine weitere Erzählung weiblichen Empowerments, wie sie Hollywood gerade tonnenweise (und erfolgreich) produziert. Der Film folgt keinem Ziel und keiner Botschaft, folgt keiner Ideologie oder Utopie, macht keine Hoffnung und verkauft auch, anders als „Barbie“, kein Spielzeug. „Wasteland“, so heißt diese unwirtliche und fruchtlose Gegend, in der nichts mehr wächst und alles verschwendet wird. Sogar die Rache der Frau, diese Möglichkeit einer minimalen Gratifikation, wie sie im „Rape-Revenge“-Genre vorkommt, erweist sich als unmöglich, da das, was verloren wurde, nicht zurückerstatten kann.
Der Film gehört damit ganz und gar der Wüste, welche selbst ein „Land des Überflusses“ an Sand und Leere wird. Es ist diese Leere, die Miller in „Furiosa“ so grandios aufspannt und bespielt, zu einer Bühne für analoge Pyrotechnik, Do-it-Yourself-Basteleien und groteske Maschinen macht, entstanden aus dem Schrott der Apokalypse und dahinjagend über endlos gerade Straßen. Angesiedelt jenseits aller leblosen Hintergründe aus der digitalen Konservenbüchse, auf die andere Hollywood-Blockbuster so gerne zurückgreifen, entsteht eine chaotische, brutale und lebendige Welt. Der Wahnsinn und das bastlerische Genie, das sie auszeichnen, sind auch Attribute von Millers kühner Inszenierung. Zusammengehalten wird dieser Kosmos einzig durch Maschinen und Gewalt, das Grölen der Motoren und das Gebrüll der Warlords: eine Maschinen-Oper, deren Star Furiosa ist. Das Grandiose und Bombastische der genial choreographierten Verfolgungsjagden und Actionsequenzen in der strahlend hellen Einöde kommt daher, dass es hier nichts weiter zu tun gibt als sich zu jagen und umzubringen.
Hinschauen bedeutet, sich abzuhärten
Miller zelebriert die Gewalt aber nicht, sondern macht ein Spektakel aus ihr, das jene, die ihm beiwohnen, versehrt zurücklässt. Die Kreuzigung der Mutter filmt Miller in Furiosas Auge, ein Ereignis, das sich auf ihre Netzhaut einbrennt. Selbst der grausame Dr. Dementus trägt einen Teddybären auf seinem Rücken, wie eine Reminiszenz an eine verlorene Kindheit und erlittene Grausamkeiten, die ihn hart werden ließen. „We cannot be soft in the Wasteland“, sagt er einmal, als würde er dieser Sanftheit hinterhertrauern. Hinschauen müssen bedeutet, sich abzuhärten.
So erweist sich Miller als Humanist, der ein Bild des Menschen „nach seinem Ende“ zeichnet, nach dem Verlust seiner Menschlichkeit sowie seines Lebens, das im post-apokalyptischen „Wasteland“ keinen Pfifferling mehr wert ist. Der Mensch ist doppelt suspendiert: entweder angebunden an die Boliden, auf denen er dahinrast, durch die ebenerdige Leere der Wüste, seinem Tod entgegen; oder in der Luft hängend, vor allem in den Szenen in der „Zitadelle“, gebaut auf Felsen hoch über dem Abgrund. Furiosa ist diejenige, die sich in dieser Suspension, diesem Schwebezustand hält: auf den rasenden Lastwagen ebenso wie in den schwindelerregenden Höhen der Zitadelle, zwischen dem Vertikalen und dem Horizontalen, Himmel und Erde, den Koordinatenachsen der Welt und des Bildes. Sie widersteht diesem Nullpunkt der Menschlichkeit und dem im physischen Raum unmöglich gewordenen Platz des Menschen, indem sie diesen Punkt nicht verlässt, nicht fortgeht, am Leben bleibt – dort, wo es längst kein Leben mehr gibt und geben soll.
Das Paradies ist immer schon verloren
Faszinierenderweise widersteht Miller dadurch dem Zwang jedes Hollywood-Franchise-Unternehmens, die Ursprungsmythen und aufgeschobenen Enden der Stoffe immer weiter auszuschlachten. Es gibt hier kein wohlig-märchenhaftes „Es war einmal“ à la „Star Wars“, das nach allen Seiten weiter durchwandert und variiert werden kann: Das Paradies ist immer schon verloren, das Ende hat immer schon stattgefunden. „Furiosa“ erzählt keinen „aufbewahrten Mythos“, sondern die Gegenwart einer Katastrophe, eines Endes, das nicht aufhört, zu enden. Indem die Kapitel abstrakte und kryptische Titel wie „The Pole of Inaccessability“ tragen, ironisieren sie ihre eigene Mission, einen kohärenten Furiosa-Mythos zu produzieren. Vielmehr löst sich die Erzählung mit dem Abspulen der berichteten Ereignisse auf – als sei hier ein über den Geschehnissen wahnsinnig gewordener Geschichtsschreiber am Werk gewesen, der dem Erlebten und Bezeugten keine verständliche Form mehr geben kann.
Einen solchen „Historiographen“ gibt es im Film tatsächlich. Es handelt sich um einen verwirrten Alten im Gefolge von Dr. Dementus (der seinerseits Wahnsinn und Demenz schon im Namen trägt), und dessen mit Schriftzeichen tätowierter Körper eher an eine unverständlich gewordene Schreibtechnik erinnert, als dass er diese bewahrt und weitergibt.
So ist dieses Prequel weniger der narrative „Vorgänger“ des Films von 2015, als dass er auf dessen titelgebender Straße ins Nichts rast, und dabei doch eine letzte und minimale Utopie aufrechterhält: dass es sich nach dem Ende immer noch lohnt, weiterzumachen. Der Widerstand der Hauptfigur und das filmische Delirium hätten nicht reiner und kraftvoller ausfallen können.