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Filmkritik
Die „Iron Claw“ ist eine unschöne Pose. Sie erinnert ein wenig an die Drohgebärde eines Bären, der kurz davorsteht, seine Krallen in das Gesicht seines Gegenübers zu graben. Bekannt wurde der „Clawhold“ durch den Wrestler Fritz Von Erich, der im Kampf mit nur einer Hand nach dem Kopf des Gegners griff und dessen Schläfen zusammendrückte. Die gekrallte Hand wurde auch außerhalb des Rings zu seinem Markenzeichen.
In dem Sportdrama von Sean Durkin steht der fiese Haltegriff noch für eine andere, ungleich gewaltsamere Praxis. Jack Adkisson, so der bürgerliche Name der mit Nazi-Schauer spielenden Bühnen-Persona Fritz Von Erich, baute in den 1960er-Jahren ein dynastisches System im Wrestling auf. Unter der Führung des Familienpatriarchen kämpften fünf seiner Söhne im Ring; der älteste Sohn starb schon im Kindesalter. Bekanntheit erlangte die Familie allerdings nicht nur durch sportliche Erfolge. Mit Ausnahme von Kevin Ross Adkisson, dem zweitältesten, erreichte keiner der Söhne auch nur das 34. Lebensjahr; einer starb während der NWA World Champions an einem Darmdurchbruch, drei durch Suizid.
Ein rücksichtsloser Vater
Der Familienfluch der Von Erichs wurde zum Mythos. Im Film ist schon früh davon die Rede, angeblich soll er schon eine Generation davor existiert haben. In „The Iron Claw“ geht es mehr als um Wrestling um das Regime des Vaters, seine Rücksichtslosigkeit gegenüber den Körpern seiner Kinder, sein Begriff von stählerner Männlichkeit, sein strategischer Einsatz von Zuwendung und Liebesentzug. Schon am Frühstückstisch werden Leistungen evaluiert und neue Ziele aufgestellt.
„The Iron Claw“, gefilmt in dunklen, leicht rotstichigen Farben, die die Haut fast bronzefarben aussehen lassen, ist zunächst aber vor allem eine Konfrontation mit aufgepumpten Körpern und etwas komischen Frisuren. Als die ersten Bilder des Kevin-Darstellers Zac Efron im Internet auftauchten, sorgten sie unter anderem für einen Vergleich mit Lord Farquaad aus „Shrek“. Es hat durchaus etwas Anrührendes, wie sich diese wie durch ein Zaubermittel zu Volumen gekommenen Körper morgens in ihren Jugendzimmern aus den Betten erheben. Kevin, David, Kerry und Michael wirken weniger wie junge Männer als zu große Kinder. Trotz Konkurrenz herrscht brüderlicher Zusammenhalt. Mit der Mutter ist nicht zu rechnen; die hat schon längst den inneren Rückzug angetreten.
Schon in „Martha Marcy May Marlene“ beschäftigte sich Sean Durkin mit Fragen von Abhängigkeit und Machtmissbrauch (in einer Sekte). Im Grunde ist auch die Von-Erich-Familie eine kultische Gemeinschaft und ein Horrorhaus, auch wenn das Regime christlich geprägt ist und ein soldatischer Geist regiert. Kevin, der einzige Überlebende, ist Hauptfigur und Erzähler des Films. Anfangs steht er im Bewertungssystem des Vaters ganz oben. Als er es aber nicht schafft, den Weltmeistertitel zu holen, der Fritz Von Erich selbst versagt geblieben ist, wird David zum Champion aufgebaut. Nach seinem Tod ist Kerry an der Reihe, zunächst mit dem erwarteten Erfolg, bis er bei einem Motorradunfall einen Fuß verliert. Nach seinem Selbstmord wird auch Michael, der eigentlich lieber Rockmusiker werden will, wie Kanonenfutter in den Ring geworfen; sein tragisches Ende sieht man kommen. Chris Von Erich, der jüngste der Brüder, hat es nicht ins Drehbuch geschafft.
Aus der Sicht Kevin von Erichs
„The Iron Claw“ ist als Sportdrama solide, auch wenn die Wrestling-Szenen nie die Intensität entwickeln wie in „The Wrestler“ (2008) von Darren Aronofsky, ein Film, der auch über den Körper als Ort von Disziplinierung und Formung, als Markt- und Schauwert und bloßes Material mehr zu sagen hatte. Sean Durkin hat einige Mühe, einen Raum zu schaffen, in dem sich die vielen Figuren wirklich entfalten können. Im Nebeneinander von Familienszenen und Wrestling-Wettkämpfen wirken ihre individuellen Schicksale fast ein wenig abgearbeitet; allein der Erzähler Kevin, der irgendwann seine eigene Familie gründet und selbst Vater wird, bekommt mehr Kontur.
Der Film tendiert generell mehr zu Eindeutigkeit als Ambivalenz; Fritz Von Erich ist vielleicht allzu offensichtlich auf die Rolle des gnadenlosen Drillers und Grobians abgestellt. Besser gelingt die erzählerische Ökonomie bei den Szenen, in denen die Brüder ohne eindeutige psychologische Absichten zusammen interagieren dürfen: ein wendiges Knäuel aus Muskelpaketen, blind aufeinander eingespielt, ein Körper aus Körpern.