Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Die Türen des Flugzeugs werden von außen verschlossen. Es ist der letzte Handgriff des Bodenpersonals, dann ist der Flug 501 abgefertigt. Das scheinbar banale Detail des Sicherheitsprozederes, dass die Insassen die Tür nicht selbst schließen, sondern diese von außen verriegelt wird, trägt zu diesem Zeitpunkt bereits eine tragische Gewissheit in sich. Die Tür wird zwischen Seoul und Honolulu nicht mehr zu öffnen sein. Die 121 Menschen an Bord des Flugs sind eingeschlossen. Ein Todesurteil.
Das Vorspiel der Flughafenroutine deutet es bereits an. Der ehemalige Pilot Park Jae-hyuk (Lee Byung-hun) wartet mit seiner Tochter auf den Check-in, als ein Mann neben ihnen sich auf denkbar verdächtige und konfrontative Weise nach dem Flug mit den meisten Passagieren erkundigt. Der auf der Tonspur mitgeraunte Verdacht bestätigt sich kurz darauf, als die Tochter den potenziellen Terroristen dabei beobachtet, wie er die Haut unter seiner Achselhöhle aufschneidet, um eine Kapsel darunter zu platzieren.
Die Situation ist ausweglos
„Emergency Declaration“ macht keinen Hehl aus der Ausweglosigkeit der Situation. Die Türen sind bald verriegelt; der Vater, die Tochter, der Terrorist und über hundert andere Menschen im Flugzeug eingeschlossen. Während die Routine abläuft, untersucht die Polizei bereits die Wohnung des Verdächtigen Ryu Jin-seok (Im Si-wan). Der Polizist Gu In-ho (Song Kang-ho), dessen Frau ebenfalls mit an Bord der Maschine ist, findet eine in Plastik gewickelte Leiche und beschlagnahmt etwas, was sich als Probe eines Virus entpuppt, mit dem der junge Wissenschaftler den Anschlag auf das Flugzeug verüben wird.
Das koreanische Blockbuster-Kino erklärt seit einigen Jahren gerne und regelmäßig starbesetzte Katastrophenfälle, die oft die gesamte koreanische Halbinsel bedrohen, um eine kollektive Lösung zu imaginieren. Auf dem Papier ist „Emergency Declaration“ ein solcher Film: starbesetztes (mit gewohnt souveränen Auftritten von Lee Byung-hun und Song Kang-ho), auf bilaterale Lösungsansätze gebautes Katastrophenkino. Wirklich zu sich findet der Film jedoch nicht mit den Motiven des Katastrophen-, sondern mit denen des Epidemie-Kinos. Nicht die gewaltige Maschinerie der Krisenbewältigung, die den Film auf eine zweieinhalbstündige Überlange aufbläht, ist sein Kern, sondern der Fatalismus, der auf den Anschlag mit einem bisher unbekannten Virus folgt.
Die stärksten Momente von „Emergency Declaration“ bringen die Mechanik der globalen Bemühungen zum Stillstand, um die deutlich interessantere Ohnmachtserfahrung abzubilden, die die Insassen des Flugzeugs erleben, als der Tod sich in Form eines kaum sichtbaren weißen Staubs verbreitet. Die ersten Symptome sind juckende Ekzeme. Dann hallt mehr und mehr hallt das Husten der Infizierten durch die Sitzreihen; ein Passagier spuckt Blut, eine Stewardess stirbt mit Schaum vorm Mund an einem Krampfanfall.
Es folgen Chaos, Paranoia, Stupor, aber eben auch der Heroismus, der nur im Angesicht der tiefsten Abgründe menschlicher Destruktivität zu erwachen scheint. Das Virus ist in seiner unberechenbaren Verbreitungslogik das notwendige Gegenstück zum ansonsten zähen und mechanischen Katastrophenfilm-Prozedere.
Die Logik des Krisenmanagements
Auch dramaturgisch scheint der Film von Han Jae-rim zunächst fast deckungsgleich mit dem Zombie-Epidemie-Film „Train to Busan“. Zug- und Flugzeugkatastrophe teilen die gleichen Stärken, die spezifisch auf die Mobilitätsform zugeschnittene Tragik und das unter der Last von Infektion, Isolation und Wahn zusammenbrechende Gemeinschaftsgefüge.
Die Probleme von „Emergency Declaration“ entstehen dort, wo der Film den düsteren Mikrokosmos Flugzeug verlässt und sich der Mechanik des Krisenmanagements überantwortet. Gu In-ho versucht den Ursprung des Virus zu ermitteln und die integre und der Situation entsprechend proaktive Verkehrsministerin Kim Sook-hee (Jeon Do-yeon) lässt nichts unversucht, um Flug 501 und seine Passagiere sicher auf die Erde zu bringen. Im ständigen Wechsel zwischen Zusammenarbeits- und Selbstaufgabepathos spult der Film mit an Persiflage grenzendem Pflichtbewusstsein 70 Jahre alte Katastrophenfilm-Topoi ab, ohne je einen Anschluss an die gelungeneren Topoi des Virenkinos zu finden.