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Filmkritik
Der schwedische Film „Ein Mann namens Ove“ aus dem Jahr 2015 erzählte von einem Miesepeter ohnegleichen, der immer schlecht gelaunt ist und nur auf einen Anlass zu warten scheint, um sich zu erregen. Regisseur Hannes Holm verwandelte darin einen Roman von Fredrik Backman in eine widerborstig-unterhaltsame Komödie, in der es um eine unerwartete Freundschaft, um Toleranz und Gelassenheit ging. Und um eine große Liebe und einen nicht minder großen Verlust. In der Hauptrolle lotete Rolf Lassgård die höchst unterschiedlichen Seiten der Titelfigur perfekt aus und weckte dadurch Verständnis für sie.
Nun gibt es ein Hollywood-Remake, das Marc Forster mit Tom Hanks in der Titelrolle inszeniert hat. Dafür wurde die Handlung aus der schwedischen Provinz in die Vororte von Pittsburgh verlegt. Jeden Morgen patrouilliert Otto forschen Schrittes durch die Reihenhaussiedlung. Hier konfisziert er ein widerrechtlich abgestelltes Fahrrad, dort überprüft er eine Mülltonne auf korrekt eingeworfenen Inhalt. Er fühlt sich dabei im Recht: Warum sollte er achtlose Autofahrer nicht darauf hinweisen, dass die Straße für den Durchgangsverkehr gesperrt ist? Und warum nicht ignoranten Nachbarn verbieten, die Garagentür zu blockieren? Muss man im Baumarkt wirklich für ein 1,80 Meter langes Seil bezahlen, wenn man nur 1,50 Meter braucht?
Hauchdünne Verschiebungen
Allerdings verliert Otto bei seinen Versuchen, fremde Menschen zu erziehen, schnell die Contenance. Nach einer Weile erfährt man auch, warum. Nach über 30 Jahren im Stahlwerk wurde Otto vorzeitig pensioniert. Und vor einigen Monaten starb seine über alles geliebte Frau. Zwei Schicksalsschläge, die ihm ordentlich zusetzen, weshalb sich Otto das Leben nehmen will. Doch ausgerechnet in dem Moment, als er sich mit dem gerade gekauften Seil im Wohnzimmer erhängen will, fahren unter lautem Getöse neue Nachbarn mit Auto plus Umzugsanhänger vor – ausgerechnet eine mexikanische Familie. Während Otto sich noch über das schräg geparkte Anhänger-Gespann ärgert, startet Marisol bereits eine Charmeoffensive.
Marc Forster hält sich eng an den Vorgängerfilm. Die Unterschiede bestehen in hauchdünnen Verschiebungen, die die Stimmung des Films aufhellen. In „Ein Mann namens Otto“ ist alles ein wenig freundlicher, leiser und konfliktscheuer als im Original. Während dort eine Iranerin mit Kopftuch aus dem Auto stieg und somit auch rassistische Ressentiments, verbunden mit der Furcht vor dem Fremden, anklangen, wird hier die mexikanische Flüchtlingswelle gar nicht erst thematisiert. Marisol, umwerfend dargestellt von Mariana Treviño, ist viel zu freundlich und warmherzig, als dass man sich vor ihr und ihrer Familie fürchten müsste.
„Ein Mann namens Otto“ ist vor allem ein Film mit Tom Hanks, der seine Starqualitäten und sein Rollenprofil mit einbringt. Man wartet förmlich darauf, dass er endlich seinen Schutzpanzer abstreift und den netten Kerl gibt, als den man ihn kennt. Sogar gegen die bösen Grundstücksspekulanten der Firma „Dye & Merica“ weiß er Abhilfe. Er kümmert sich auch, quasi als Konzession an aktuelle Diskussionen, um einen Teenager, der sich als Transgender versteht und darum von seinem Vater vor die Tür gesetzt wurde.
Ein unterhaltsames Porträt
Natürlich kann man sich fragen, warum sich Marisol trotz der zahllosen Brüskierungen von Otto nicht abschrecken lässt oder warum seine Arbeitskollegen eine Abschiedsfeier für ihn geben, obwohl sie wissen, dass er solche Überraschungen verabscheut. Das sind kleine Ungenauigkeiten des Drehbuchs, die man akzeptieren muss. Quasi als Entschädigung für diese Schwäche nimmt Forster die schöne Idee aus dem Original wieder auf und lässt Otto, in den Rückblenden von Tom Hanks’ Sohn Truman dargestellt, auf seine glückliche Ehe mit Sonya in warm-nostalgischen Bildern zurückblicken: Das Kennenlernen im Zug, die Zeit des Verliebtseins, das Zusammenleben, die Schicksalsschläge.
Das Remake ist nicht so kratzbürstig und doppelbödig wie das Original. Dennoch zeichnet Forster das angenehm unterhaltsame Porträt eines Misanthropen, der von einer guten Nachbarschaft aufgefangen wird und sie erst zu dem macht, was sie im besten Fall sein kann: eine funktionierende und harmonische Gemeinschaft.