- RegieHany Abu-Assad
- ProduktionsländerVereinigte Arabische Emirate
- Produktionsjahr2016
- Dauer94 Minuten
- GenreDramaKomödieBiographie
- Cast
- AltersfreigabeFSK 0
Vorstellungen
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Filmkritik
Mit ihrer umgekehrten Baseball-Cap, den hinter die Ohren gesteckten Haaren und dem blauen Pulli passt Nour perfekt zur Clique ihres Bruders Mohammed. Als zwölfjähriges Mädchen in den Palästinensischen Gebieten des Jahres 2005 wäre sonst auch vieles nicht möglich: Unbekümmert spielen Nour, Mohammed, Omar und Ahmad auf selbst gebastelten Instrumenten vor den Nachbarskindern und durchkreuzen auf BMX-Rädern Gaza-Stadt. Beschränkt werden sie allein durch den kilometerlangen Zaun zu Israel – und durch die Nachbarin, die ihnen beim Hofkonzert Wasser über die Köpfe schüttet: „Es sterben Menschen und ihr macht hier Musik!“, herrscht sie die Kinder an. Nour, die bei den Auftritten als fahrende Hochzeitsband vor den männlichen Tänzern zunehmend hinter einem aufgespannten Banner spielen muss, glaubt an die Zukunft der kleinen Band, die von der berührenden Stimme ihres Bruders lebt. „Wir werden groß rauskommen und die Welt verändern“, wird zum Credo der Geschwister – auch als ihnen ein Hehler das letzte Geld abknöpft, als Omar nicht mehr Teil der „Teufelsmusik“ sein will und als Nour durch eine Nierenschwäche an die Dialyse gefesselt wird. „Ein Lied für Nour“ will nicht wie „Das Mädchen Wadjda“ (2012, (fd 41 870)) von den Träumen eines Mädchens erzählen, das sich im Patriarchat dazu aufschwingt, das zu leben, was für seine männlichen Altersgenossen ganz selbstverständlich ist. Nur der deutsche Filmtitel und die erste Hälfte von Hany Abu-Assads Film lassen diese Assoziation zu, bevor ein tragischer Umbruch den zuvor schön entwickelten Jugendfilm nicht nur politisch, sondern auch kitschig werden lässt. Wäre Abu-Assads Perspektive dabei weniger einseitig, man würde ihm beides gerne nachsehen. In „The Idol“, so der internationale Titel, geht es nach einer wahren Begebenheit jedoch allein um den Traum von Mohammed Assaf, den eine ganze Region zu teilen begann. 2012 schaffte es der junge Mann als einziger Teilnehmer aus dem Gazastreifen in den arabischen Ableger von „Pop Idol“, hierzulande bekannt als „Deutschland sucht den Superstar“. Also lässt Abu-Assads Film Nour sterben und setzt sieben Jahre später ein: Gaza ist zerstörter und die Menschen sind verzweifelter denn je. Mit qualmenden Generatoren wird gegen Israels Stromkappen angekämpft. Männer mit amputierten Beinen und durch die Trümmer springende Parkour-Sportler kreuzen den Weg von Mohammed, der sich als Taxifahrer durchschlägt. Allein die Worte von Jugendfreundin Amal bestärken den jungen Mann, sich trotz aller Restriktionen ins glitzernde Kairo zu mogeln, wo das „Arab Idol“-Casting stattfindet. Ein Lied für Nour wird zu einem Lied für Palästina, und der Film damit zur Nacherzählung eines Triumphs, der real war, während das Nierenleiden, die Bühnenauftritte und der Tod der Schwester im Bereich der Fiktion anzusiedeln sind. Das sind die Teile, die einem Film, der sich durchaus gegen religiösen Fanatismus positioniert und den Unterdrückten eine Stimme geben will, auch international die Türen geöffnet haben mögen. Der reale Mohammed Assaf sprach sich bereits gegen die Gesangskarriere seiner noch lebenden Schwester aus, weil dies den Traditionen in Gaza widerspräche. Umso mehr enttäuscht, dass Hany Abu-Assad („Paradise Now“, 2005 (fd 37 247)) nicht einmal zur Sprache kommen lässt, warum dieser Zaun Gaza von Israel, die „Besatzer“ von den „Flüchtlingen im eigenen Land“ trennt. Kein einziges Mal ist von den Aggressionen der Hamas die Rede, die nach dem Abzug der Israelis 2005 den Gaza-Streifen in ihre Gewalt brachte, die Zivilbevölkerung drangsalierte und Israel unter täglichen Raketenbeschuss geraten ließ. Das Leid in den Palästinensischen Gebieten ist unbestritten. Nur dass es zwei Seiten in diesem furchtbaren Konflikt gibt, aus dem Mohammeds Stimme wie ein Pflänzchen der Hoffnung ragt, verschweigt „Ein Lied für Nour“ völlig. Das aber wäre vor allem in einem Film für ein junges Publikum, das sich solcher Hintergründe kaum bewusst ist, wichtig. Stattdessen konzentriert er sich auf eine klassische Underdog-Geschichte, die dem emotionalisierten Erfolgskonzept der „Idol“-Shows gar nicht so unähnlich ist und damals Abertausende Menschen jubelnd auf die Straßen trieb: Und da, in den Archivaufnahmen der Public Viewings, sind wieder nur Männer zu finden – dieselben, die von einem talentierten Mädchen wie Nour verlangen, sich mit ihrer Gitarre hinter einem Banner zu verstecken.