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Filmkritik
Eileen (Thomasin McKenzie) riecht wie ein überfahrenes Tier; zumindest wenn man ihrem Vater (Shea Whigham) glaubt, der mit kränkenden Sprüchen nicht gerade geizt. Im Jugendgefängnis, wo die junge Frau in der Verwaltung arbeitet, wird sie von einer biestigen Kollegin als etwas bezeichnet, das „die Katze angeschleppt“ hat. Der Film „Eileen“ von William Oldroyd ist in der tristen Bostoner Peripherie der 1960er-Jahre angesiedelt, wo man der Titelheldin entweder feindselig oder mitleidig begegnet. Wenn man sie in ihrer Unscheinbarkeit überhaupt wahrnimmt.
Das etwas ungepflegt wirkende Mädchen mit der altbackenen Strickjacke ist sozial ungelenk und nicht selbstbewusst genug, um sich endlich von ihrem Vater zu lösen, der wegen seiner Alkoholsucht permanent betreut werden muss. Der wiederum weiß um ihre Schwäche und nutzt sie schamlos aus. Einmal bezeichnet er Eileen als jemand, der keinem auffällt, sondern einfach nur da ist.
Nach dem gleichnamigen Roman von Ottessa Moshfegh erzählt der Film von den teilweise beängstigenden Gefühlen, die ein unerfülltes Leben provozieren kann. Der Dampf, der unter der Motorhaube von Eileens in die Jahre gekommenem Auto hervorquillt, deutet an, dass es auch in ihr gehörig brodelt. Heimlich masturbiert sie, während sie ein knutschendes Paar beobachtet, oder fantasiert davon, wie ein junger Gefängniswärter sie im Verhörraum von hinten nimmt.
Ein unausgelebtes Begehren
Zugleich ist sie von einem Insassen (Sam Nivola) fasziniert, der seinen Vater ermordet hat. Auch Eileen trägt eine unheimliche Wut in sich und stellt sich mehrmals vor, wie sie entweder ihren eigenen Vater oder sich selbst erschießt. Oldroyd inszeniert das mit schockartig eingesetzten Visionen, die etwas effekthascherisch in einen Film platzen, der seine Mittel sonst bedächtiger einsetzt.
Bezeichnend für Eileens Begehren ist, dass es unausgelebt bleibt. Wie die jugendlichen Häftlinge ist auch sie eine Gefangene. Die mysteriöse neue Kollegin Rebecca (Anne Hathaway) scheint jedoch einen Schlüssel für ihre Zelle zu haben. In der bräunlich vergilbten Welt des Films strahlt die Gefängnispsychologin mit ihren blondierten Haaren und schicken Kostümen so verheißungsvoll wie sonst nur die glühend rote Neonschrift der einzigen Bar in der Umgebung. Hier kommen sich die beiden Frauen in einer kalten Winternacht verhängnisvoll nah.
Rebecca spricht mit sanfter, verführerischer Stimme, raucht ihre dünnen Zigaretten so elegant wie ein Filmstar und tritt Männern gegenüber enorm selbstbewusst auf. Sie wirkt so unnahbar und undurchsichtig wie eine klassische Femme fatale. Bei ihren Versuchen, sich mit Eileen anzufreunden, bleibt zunächst unklar, ob sie als Neuling nur Anschluss sucht oder ob Berechnung im Spiel ist.
Körnige Bilder, kantige Emotionen
Die körnigen Bilder von „Eileen“ hat Oldroyd der Ästhetik von analogem Filmmaterial angepasst; inklusive digital erzeugter Kratzer. Die lässige, zwischen Kammermusik und Jazz wechselnde Filmmusik von Richard Reed Parry strahlt einen ähnlichen Vintage-Charme aus, der leicht ins rein Dekorative kippen könnte. Schroff bleibt der Film jedoch durch sein Gespür fürs Hässliche und Abgründige. Die engelsgleiche Anmut, die Eileen in Rebecca zu erkennen glaubt, erdet der Film immer wieder, indem er sie in ihr unwürdiges Leben zurückholt. Nach einer euphorisierenden Nacht, in der Glück und Freiheit plötzlich möglich schienen, wacht Eileen in ihrer eigenen Kotze auf.
„Eileen“ steuert auf eine Eskalation zu, die jedoch weniger heftig oder zumindest anders ausfällt, als man es zunächst erwarten würde. Angesichts der unberechenbar konspirativen erotischen Energie, die sich zwischen den beiden Frauen entwickelt, findet der Film nach einem Twist ein etwas abruptes Ende. Gerade weil der Aufbau so behutsam ausfällt, wirkt das Finale zu vorschnell abgehandelt.
Oldroyd ist offensichtlich mehr an seinen Figuren und den Spannungen zwischen ihnen interessiert als daran, eine klassische Thriller-Handlung wiederzugeben. Ungewöhnlich lange verharrt die Kamera manchmal auf den Schauspielern, lässt sie sorgfältig monologisieren und ihre Charaktere in verschiedenen Schattierungen schimmern. Manchmal wirkt diese Langsamkeit ein wenig prätentiös, manchmal entfaltet sich durch die Weigerung, wegzuschauen, auch eine gewisse Grausamkeit. Meistens sieht man in diesen Momenten aber schon deshalb gerne zu, weil der Film mit der gehemmten Thomasin McKenzie und der lasziven Anne Hathaway erstklassig besetzt ist. Anders als es zunächst erscheint, sind sich die beiden Frauen ähnlicher als gedacht. Beide fallen auf unterschiedliche Weise ihren eigenen Obsessionen zum Opfer.
Momente von Lust und Tod
„Eileen“ erzählt von einem Befreiungsschlag, der eine helle, aber auch eine sehr dunkle Seite hat. Sexuelles Erwachen und Zerstörungswut lassen sich bei der Protagonistin nicht immer voneinander trennen. Jeder ihrer Ausbruchsversuche hat zugleich etwas Morbides. Als sich Eileen für ein Date mit Rebecca herausputzt, schlüpft sie, sehr zum Missfallen ihres Vaters, in die glamourösen Kleider ihrer verstorbenen Mutter. Wie sich Lust und Tod in diesem Moment annähern, lässt schon ahnen, dass es gefährlich werden könnte, wenn Eileen wirklich aufblüht.