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Filmkritik
Was haben wir Fans der Serie gebangt und geschmachtet mit den Schicksalen derer auf Downton Abbey, und wie waren wir plötzlich alleingelassen, als der Spaß 2015 zu Ende ging! Entsprechend groß ist die Freude über das Wiedersehen mit Downton! Schon bald nach Abschluss der Serie wurde einmütig beschlossen, zumindest einen Folgefilm nachzulegen – dank des immensen internationalen Erfolgs der Saga um ein englisches Landadelsgeschlecht, seine Bediensteten und – heimliche Hauptrolle! – das prächtige Anwesen, welches Wohl und Wehe seiner Bewohner auf vornehm-diskrete Weise umschließt. Da auch nahezu alle Darsteller verfügbar und dem Projekt gegenüber positiv eingestellt waren, stand dem Sequel nichts im Wege.
Yorkshire, England, 1927: Im Westen nichts Neues, könnte man meinen, käme da nicht plötzlich milder Aufruhr in den Postverkehr zwischen dem trubeligen, modern motorisierten London und der „Abbey“: Hoher Besuch kündigt sich an, der König und die Königin (Simon Jones, Geraldine James) mit großem Gefolge! Die hektische Vorbereitung und die – natürlich – glanzvolle Exekution dieses royalen Events bildet nun auf allen Ebenen des Haushalts die dramaturgische Klammer, die die diversen Rivalitäten, Konflikte und Intrigen zusammenhält. Denn diese bleiben natürlich nicht aus, wenn die unterschiedlichen Charaktere der Serie erneut zusammenkommen – und sie nehmen teilweise weitreichende Ausmaße an. Es erfreuen außerdem aufs Neue: die sorgsam angespitzten rhetorischen Giftpfeile der Dowager Countess (Maggie Smith), die prachtvollen Roben von Familienoberhaupt Cora (Elizabeth McGovern) und ihrer Tochter Lady Mary (Michelle Dockery), und das bis zur Karikatur ehrbar-diensteifrige Treiben ‚downstairs‘ bei den Dienstboten, mit Ex-Butler Carson (Jim Carter) wieder in vollem Wichs, ohne den selbstverständlich in solchem Moment gar nichts geht auf Downton!
Der Spielfilm als Nachschlag
Kurz: Es schmeckt so, als gäbe Miss Patmore (Lesley Nicol), die Köchin, jedem Fan der Serie noch einmal einen ordentlichen Nachschlag seines Leibgerichts. Andererseits kann in 120 Minuten Spielzeit auch ein Dramaturg, der mit Handlungssträngen so geschickt hantiert wie Kammerzofe Anna (Joanne Froggatt) mit Nadel und Faden, keinen Erzählteppich erschaffen, der so komplex und vielschichtig angelegt ist, wie das den sechs Staffeln der Serie möglich war. Dennoch zeigt Julian Fellowes auch hier sein erzählerisches Können; die Montage der verschiedenen Handlungsebenen ist auch hier virtuos, und das Tempo wird durch klug dosiertes Drama recht hoch gehalten.
„Hochverrat auf Downton Abbey!“ So könnte man nämlich entsetzt ausrufen, als Miss Patmore, Küchenhilfe Daisy (Sophie McShera) und Co. nach vielerlei Schikanen durch den arroganten Hofstaat des Königs beschließen, die Rundumversorgung der gekrönten Häupter selbst in die Hand zu nehmen und sie mit Gastlichkeit à la Downton zu überraschen, inklusive einem Spontanauftritt von Diener Molesley (Kevin Doyle) vor versammelter Mannschaft – shocking! Hier wären allerdings etwas weniger Augenrollen und Kratzfüße mehr gewesen – wir sind schließlich nicht zu Gast bei König Julius CXI. und Schlossgespenst Hui Buh… Deutlich ernster behandelt der Film gewisse soziale und politische Verwerfungen, die endgültig nicht mehr draußen vor der Tür gelassen werden können: die gewaltsame irische Befreiungsbewegung, mit der es König George V. während seiner Regentschaft zu tun hat, das Rollenverständnis von Mann und Frau, ausgelebte Homosexualität. Diese Themen werden in der Kürze der Zeit zumindest glaubwürdig eingeführt und bescheren Figuren am Rande unerwartete große Momente – so schlägt die große Stunde des in die herrschaftliche Familie eingeheirateten Iren Tom Branson (Allen Leech). Daneben muten manche Wendungen in anachronistischer Weise etwas zu modern an, etwa dass Lady Ediths Bertie (Harry Hadden-Paton) dem König rundheraus erklärt, er könne dem Prince of Wales leider nicht zur Verfügung stehen, da just sein zweites Kind zu erwarten sei.
Eine Welt noch ohne Totalitarismus
Gewünscht hätte man sich ferner, dass die Macher den Mut aufgebracht hätten (Ideen dazu sind Julian Fellowes allemal zuzutrauen!), die Handlung in jedem Sinne etwas weiterzutreiben: zeitlich bis hinein in die Weltwirtschaftskrise und den aufdämmernden europäischen Totalitarismus, erzähltechnisch ebenso in die etwas raueren Gefilde modernen Storytellings. Welche Aufwertung seiner Rolle wäre es etwa gewesen, den Earl of Grantham (Hugh Bonneville) aus dem Gefühl seiner wachsenden Bedeutungslosigkeit heraus kurzzeitig mit dem (englischen) Faschismus flirten zu lassen – nur um ihn letztlich umso strahlender als den moralisch unkompromittierbaren Mann des Standpunkts erstehen zu lassen, der er ja ist? Ein Roman und Film wie „Was vom Tage übrig blieb“ zeigte da bereits komplexeres historisches Problembewusstsein.
Aber vielleicht ist all dies bereits zu viel erwartet; vielleicht darf man sich einfach daran erfreuen, sich die letzten rund 20 Minuten des schwelgerischen Werks im Kinosessel zurückzulehnen und noch einmal die Welt von Downton Abbey zu genießen: die Diners, die Bälle, die schnippischen Oneliner und auch den Humor, der Film und Serie gleichermaßen human grundiert. Ein wenig Weichzeichner, ästhetisch und sozialgeschichtlich, tut diesem unschuldigen Genuss keinen Abbruch.