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Filmplakat von Die Macht der Gefühle

Die Macht der Gefühle

115 min | Dokumentarfilm | FSK 16
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In der für ihn typischen Form der Bild- und Toncollage zeigt Kluge in mehr als 20 kleinen Geschichten die Macht und die Wirkung der Gefühle und ihre Organisation durch den Verstand. Der Titel zielt vor allem auf die Oper, die Kluge als "Kraftwerk der Gefühle" bezeichnet.

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Filmkritik

Die Filme von Alexander Kluge sind sicher nicht leicht zugänglich. „Die Macht der Gefühle“ macht da keine Ausnahme. Im Gegenteil. Vergleiche mit anderen Kunstformen erscheinen notwendiger denn je, um Zugang zu diesem Film zu finden. Die Technik der Collage, der Verbindung unterschiedlichsten Materials variierender Herkunft, hat Kluge verwegener als sonst angewendet. Er selbst plädiert dafür, den Film wie ein Musikstück aufzunehmen, bei dem auch nicht jeder einzelne Takt einer Erklärung bedarf, während die Wiederholung geradezu zur Voraussetzung der Rezeption wird. Der Film verfügt über einen großen Reichtum an Ideen, Details und Assoziationen, sodass sich das mehrfache Sehen unbedingt lohnt - auch wenn dann immer noch kein endgültiges „Verstehen“ möglich sein dürfte.

18 Stunden Lebensglück

Eine der Schwierigkeiten beim Sehen beruht auf Kluges Prinzip der Raffung von Zeit. Darauf verweist er schon in der Eröffnungssequenz. Die Stunden der Morgendämmerung, des Übergangs von der Nacht zum Tag drängt Kluge in einer Totale von Frankfurter Hochhäusern auf wenige Sekunden zusammen. Zeit wird komprimiert und damit zu einer anderen Erfahrung. Das richtet sich auch gegen das Prinzip der Zerstreuung im Kino, gegen das Totschlagen von Zeit. „Man kann auch umgekehrt von einer Geschichte, die es wert wäre, dass man 90 Minuten über sie erzählt, in drei Minuten berichten. Ich gebe eineinhalb Stunden Zeit für einen Film aus und bekomme dafür mehr als 18 Stunden Lebensgefühl zurück“, sagt Kluge.

Nicht anders komprimiert er einige Opern auf wenige Sekunden und untersucht mit dieser Versuchsanordnung ihre Struktur. Opern, sagt Kluge, sind „Kraftwerke der Gefühle“, und er spürt den Gründen für die erzählten Tragödien und Katastrophen nach. „In jeder Oper, die von der Erlösung handelt, wird im fünften Akt eine Frau geopfert“ – auch wenn diese, technisch gesehen, gar keinen fünften Akt haben.

Um den Abbau der finalen Katastrophen geht es in diesem Film, um die Erkenntnis von Gefühlen und ihres destruktiven Potenzials. Zwischen den Mythen, der Politik und dem Alltag werden plötzlich dramaturgische Parallelen offenkundig. „Es fängt an mit Verliebtheit und endet mit Scheidung. Es beginnt im Jahr 1933 und endet in Trümmern. Die großen Opern beginnen vielversprechend mit gesteigertem Gefühl, und im 5. Akt zählen wir die Toten.“ Das Verdichten von Zeit erzeugt Druck, und dieser ist unbequem.

Brennende Hochhäuser in São Paulo

Dafür entstehen neue, unausgesprochene Verbindungen, die beim Sehen und Hören mehr freisetzen können, als es jede nachträgliche verbale Wiederholung ahnen lässt. Hybris und Zerstörung von Babylon, Bilder der Skyline von Frankfurt, Dokumentarmaterial brennender Hochhäuser in São Paulo - Katastrophen mit einem gemeinsamen Nenner? Auf jeden Fall sind es zuversichtlich begonnene Unternehmungen mit verheerendem Ausgang. Kluge interessiert sich brennend für die Gemeinsamkeiten ihrer Entwicklung, spürt ihnen nach in der Realität, in Nachbildungen von Realität und in den Transformationen der Kunst.

In einer der wenigen inszenierten Spielszenen steht Frau G. vor Gericht. Sie hat einen Schuss auf ihren Mann abgeben, doch der Schuss ist für sie keine Tat, sondern ein Vorfall. Der Prozess wird zur Farce, weil der Richter eine Tat verhandelt, die Betroffene aber von ihren Empfindungen spricht. Das Instrumentarium der Kontrahenten, die Sprache, ist nur scheinbar ein gemeinsames, gehört in Wirklichkeit aber unterschiedlichen Kategorien an. Zweimal kehren in den Spielszenen Tote ins Leben zurück, jedes Mal tragen kriminelle Umstände dazu bei.

Ein ironisch-optimistischer Schluss

„Abbau eines Verbrechens durch Kooperation“, steht auf dem Insert, das die letzte Sequenz einleitet. In der Wohnung eines Pärchens liegt eine Leiche, die es nicht zu verantworten hat, aber dennoch beseitigen muss. Das Opfer wird gepflegt, ins Leben zurückgeholt und ins Ausland gebracht. „Sechs Wochen Schwerstarbeit - unbezahlt. Sie sind sich nähergekommen“, heißt es im ironisch-optimistischen Schlusskommentar. Denn bei aller Skepsis plädiert Kluge dennoch für die Macht der Gefühle - auf der Grundlage ihrer Erforschung, die das eigentliche Ziel dieses Films ist. Da wird Geschichtsunterricht jenseits der verbreiteten Historie erteilt, private Geschichte, die die öffentliche erst möglich macht; auch insofern dürfte dieser Film ein wichtiger Beitrag zur Friedensforschung sein.

Erschienen auf filmdienst.deDie Macht der GefühleVon: Hans Günther Pflaum (5.4.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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