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Filmkritik
Im Jahr 1402 ist es der dänischen Königin Margarethe (1353-1412) gelungen, ihr eigenes Land, Norwegen und Schweden zu der „Kalmarer Union“ zu vereinen. Gemeinsam mit ihrem Adoptivsohn Erik von Pommern lenkt sie die Geschicke der drei Reiche. Nach zahlreichen Kriegen ist endlich Frieden eingekehrt. Doch die nordische Union hat einen großen Feind: Preußen. Margarethe will deshalb mit England ein Militärbündnis schließen. Erik soll die achtjährige englische Prinzessin Philippa heiraten.
Widerstreitende Kräfte, eigene Interessen
Doch die Verhandlungen mit dem Gesandten William Bourcier gestalten sich schwierig, weil dessen Forderungen zu unverschämt sind. Mitten in die Hochzeitsfeierlichkeiten platzt das Gerücht, dass Oluf, der leibliche Sohn Margarethes, aus Graudenz in Polen zurückgekehrt sei. Allerdings ist Oluf schon seit 15 Jahren tot. Wer also ist der Mann, der plötzlich vor der Königin steht? Der rechtmäßige Erbe auf den Thron oder ein Schwindler, den die Preußen für eine Intrige benutzen? Margarethe beruft rasch eine Anhörung ein, um die Identität des Mannes zu klären. Doch in der Union sind widerstreitende Kräfte am Werk, und auch die Kirche verfolgt eigene Interessen, als sie sich hinter Erik stellt. Der verhandelt insgeheim mit den Engländern und bereitet seine Machtübernahme vor.
Die Königin wünscht sich ihren totgeglaubten Sohn zurück. Doch die Einheit der Union steht auf dem Spiel, zumal die Preußen ihre Truppen schon an der Ostsee zusammengezogen haben.
Der historische Hintergrund ist real; die Geschichte um die Rückkehr eines vermeintlich Toten aber ist nicht verbürgt. Ob Oluf wirklich der Mann ist, der zu sein er vorgibt, bleibt bis zum Schluss in der Schwebe; das unterstreicht auch der Abspann. Die Zweifel an seiner Identität, die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit erinnern an Filme wie „Die Rückkehr des Martin Guerre“ oder „Sommersby“. Für die dänische Regisseurin Charlotte Sieling ist diese Vagheit ein zusätzlicher Prüfstein für die Königin, der ihre Vision eines friedlichen Skandinaviens bedroht. Denn das ist das Besondere: Eine Frau setzt sich in einer von Männern beherrschten Welt durch und überzeugt diese, dass man nur gemeinsam Frieden erreichen kann. Ein Frieden, der immerhin 126 Jahre hielt.
Politik imitiert Natur
Trine Dyrholm spielt diese Königin als eine Mischung aus Weisheit und Entschlossenheit, Menschlichkeit und Stärke. Den Männern weiß sie stets selbstbewusst und eloquent zu begegnen. Einmal jedoch droht sie der Konflikt zwischen Staatsraison und ihren unterschwelligen Muttergefühlen förmlich zu zerreißen. Da reitet sie nachts allein ans Meer und schreit ihre Wut über das nicht zu lösende Dilemma lautlos aus sich heraus. Dazu passt die symbolträchtige Szene, in der bei einer Jagd ein dressierter Falke einen Vogel in der Luft greift und anschließend zerfleischt. Die Politik imitiert die Natur.
Neben den durchweg herausragenden schauspielerischen Leistungen beeindrucken auch das Kostüm- und Set-Design, die direkt ins Mittelalter zu versetzen scheinen, mit grausamen Kampfszenen und derber Völlerei bei der Hochzeitsfeier. Noch aufregender sind die Landschaftaufnahmen von Rasmus Videbæk, der die Schönheit und Einsamkeit der Natur in virtuosen CinemaScope-Bildern einfängt. Die Sicht auf einen Fjord, der Blick auf einen baumlosen Berg, nur gestört durch blaugrauen Bodennebel, verleihen dem Film „Die Königin des Nordens“ eine ganze eigene Qualität.
Einmal ist Margarethe ganz klein, fast wie ein Stecknadelkopf, auf der Terrasse ihres Schlosses zu sehen, während die gesamte linke Bildhälfte vom tosenden Meer eingenommen wird. Prägnanter lässt sich ihre Einsamkeit nicht ausdrücken.