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Filmkritik
Während des ersten Corona-Lockdowns war die dokumentarische Serie „Tiger King“ ein großer Hit. Darin ging es um Menschen, die mit Raubkatzen schmusen. Auch „Der Wolf und der Löwe“ handelt vom Knuddeln und Herzen wilder Tiere. Offensichtlich fasziniert es Menschen, sich Tieren mit Krallen und Zähnen körperlich zu nähern; solche Tierabenteuer sind ein beliebtes (Kinder-)Filmmotiv. Meist geht es dabei um die Freundschaft zwischen einem Kind und einem oder mehreren Tieren. So drehte Luc Jacquet den schönen, konzentrierten Film „Der Fuchs und das Mädchen“ (2007), Gilles de Maistre kam mit dem Abenteuerfilm „Mia und der weiße Löwe“ (2018) in die Kinos und Nicolas Vanier mit „Der Junge und die Wildgänse“ (2019).
Jetzt legt de Maistre mit „Der Wolf und der Löwe“ erneut einen Mensch-Tier-Film nach. Doch diesmal geht die Angelegenheit schief. Zwar muss ein Spielfilm, der von der innigen Beziehung zwischen Menschen und einem fleischfressenden Raubtier handelt, nicht in allem den Gesetzen der Logik folgen; und selbst die etwas hanebüchene Prämisse, dass eine junge Frau auf einer kanadischen Insel zuerst einer seltenen Schneewölfin das Leben rettet und ihr im nächsten Moment ein Löwenbaby in die Arme fällt, könnte man noch akzeptieren; das Tier war an Bord eines abgestürzten Flugzeugs.
Eine ungewöhnliche Entwicklung
Auch dass die Wölfin mit ihrem eigenen Nachwuchs plus dem Löwenbaby ins Haus der Frau einzieht, nimmt man als ungewöhnliche Entwicklung noch hin. Doch das alles wird unstimmig, weil Gilles de Maistre sich bei der Gestaltung von Raum und Zeit keinerlei Mühe gibt. Große, unmotivierte Sprünge zwischen den Örtlichkeiten und Zeitebenen rauben der Zuschauerin auch deshalb die Orientierung, weil die Handlung sich eher abstrus fortsetzt. Und da auch die Figuren inklusive der Tiere blass und schematisch gezeichnet sind, bleibt wenig, an das man emotional oder intellektuell andocken könnte.
Der Film handelt davon, wie sich eine Wohn- und Lebensgemeinschaft zwischen der 20-jährigen Alma, dem Wolfs- und dem Löwenbaby entwickelt. Die Mutter des Wolfsjungen hingegen, die zunächst beide Tierkinder säugte, wird von Wissenschaftlern, die ihr schon länger nachstellen, gefangengenommen. Deshalb springt Alma, eine talentierte Pianistin, als „Ersatzmutter“ ein. Dafür sagt sie ohne Zögern ihre Anstellung in Los Angeles ab, auf die sie zehn Jahre lang eisern hingearbeitet hat. Gut nur, dass die junge Frau – warum auch immer – keinerlei Geldsorgen plagen. So weiß die inmitten der Wildnis stets frisch geföhnte und adrett gekleidete Musikerin auch die riesigen Futtermengen für ihre heranwachsenden Raubtiere über Jahre hinweg herbeizuschaffen.
Dramatisch wird es, als Alma sich schwer verletzt und ihr in der Folge der Wolf „Mozart“ und der Löwe „Dreamer“ weggenommen werden.
Bild und Beispiel für Toleranz
Was mit der dünnen, wenig präzise entwickelten Story erzählen werden soll, fasst Alma in einer pathetischen Rede am Ende des Films zusammenfassen: Es gehe, so die Pianistin zur Eröffnung eines Freiluftkonzertes, um das „wundervolle Vorbild von Toleranz“, das die „ungleiche Freundschaft“ zwischen dem Wolf und dem Löwen böte. Diese in blumigen Worten ausgeschmückte Botschaft ist ein Offenbarungseid. Den Filmemachern ist offenbar selbst aufgefallen, dass dem Film, der sich allzu sehr auf die Schauwerte miteinander balgender Raubtiere verlässt, ein überzeugender Plot fehlt.
Einigermaßen absurd ist auch, dass ausgerechnet die nur durch menschlichen Eingriff und Dressur ermöglichte „Freundschaft“ zwischen Wolf und Löwe in völliger Verdrehung der Realität zum Vorbild und zur zentralen Erkenntnis erklärt wird.
Die Tieraufnahmen sind fraglos faszinierend. Für die „Betreuung“ der Tiere war der Tiertrainer Andrew Simpson zuständig, der auch schon bei „The Revenant“ oder "Games of Thrones" mitwirkte. Ein „Making of“ zu „Der Wolf und der Löwe“ wäre deshalb vermutlich der spannendere Film geworden, da sich die Frage „Wie haben die das gemacht?“ mit großer Regelmäßigkeit stellt.