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Filmkritik
Hank Palmer ist nichts heilig. Der gewiefte Chicagoer Anwalt kennt keine Skrupel, wenn es darum geht, seine Klienten mit juristischen Winkelzügen oder dreisten Manipulationen herauszuhauen, auch wenn sie ausnahmslos schuldig sind. Als er um einen Verhandlungsaufschub wegen eines Todesfalls in der Familie bittet, kann der Vertreter der Gegenpartei darin nur einen weiteren Verzögerungsversuch sehen: „Wie viele Male ist Ihre Mutter denn schon gestorben?“ Doch diesmal ist kein Berufszynismus im Spiel: Hank muss tatsächlich zur Beerdigung seiner Mutter und kehrt dafür seit Jahren erstmals wieder in die Kleinstadt in Indiana zurück, in der er aufgewachsen ist. Was ihn einiges an Überwindung kostet, denn dort steht Hank die Konfrontation mit dem Mann bevor, den er am meisten hasst: seinem Vater, der seit Jahrzehnten als Richter der Stadt fungiert und auch in seiner Familie rigoros und allein über das rechte Verhalten geurteilt hat. Mit „Der Richter – Recht oder Ehre“ hat sich der bislang für handfeste Komödien wie „Die Hochzeits-Crasher“ (fd 37 128) bekannte US-Regisseur David Dobkin erstmals an ein Drama gewagt. Dabei verfolgen er und die Drehbuchautoren Nick Schenk und Bill Dubuque offenkundig nicht gerade geringe Ambitionen: Um die Darstellung eines Vater-Sohn-Konflikts von enormem Symbolgehalt (Richter gegen Verteidiger) und nahezu biblischer Wucht herum haben sie zahlreiche verdrängte und nun aufbrechende Streitfälle drapiert; nebenbei wollen sie auch noch das Porträt einer Kleinstadt im Mittleren Westen entfalten sowie mit den Mitteln eines Kriminal- und Gerichtsfilms etwas Tiefgründiges über Moral und Gerechtigkeit erzählen. Denn der Richter sitzt plötzlich selbst auf der Anklagebank. Ein Mann, den er einst wegen eines besonders skrupellosen Verbrechens verurteilte, wird tot im Straßengraben gefunden, und am Auto des Richters finden sich Blutspuren. Das ist die Gelegenheit für den verlorenen Sohn, seinem Vater sein Können zu beweisen – sobald der schwierige Kampf gewonnen ist, den immer noch dickschädeligen, aber körperlich und geistig beileibe nicht mehr fitten alten Mann vom Wert dieser Hilfe zu überzeugen. Ein solches filmisches Konzept verlangt nach herausragenden Schauspielern. Robert Downey Jr. und insbesondere Robert Duvall nutzen diese Gelegenheit auch glänzend. Dass der Film dennoch nur teilweise überzeugt, liegt weder an ihnen noch an der mit 141 Minuten ungewöhnlich langen Filmdauer; es erscheint sogar sympathisch, wenn eine Hollywood-Produktion sich so viel Zeit für einen Stoff nimmt, der allein über das Zusammenspiel der Figuren und ihrer Charaktereigenschaften funktionieren soll. Letztlich aber überhebt sich der Film an seinem eigenen Ehrgeiz: Der Plot ist mit unzureichend ausgearbeiteten Nebensträngen überfrachtet, viele Nebenfiguren sind nur dürftig charakterisiert, und vor allem in den Gerichtsszenen wuchern die Klischees. Da wünschte man sich mitunter, dass ein strenger Studio-Richter die Autoren zu zusätzlicher Arbeit am Drehbuch verurteilt hätte.