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Filmkritik
Eine glückliche Kindheit in der Wildnis von Michigan, so fernab der Zivilisation, dass sogar das Auftauchen eines Quads überrascht. Genau dies ist allerdings auch der Moment, an dem Helenas unbeschwertes Leben endet und sie traumatisiert zurücklässt.
Zuvor war alles das pure Abenteuer: Die Erde unter den Füßen spüren, die Wildnis schmecken und riechen, im Fluss baden, Spurenlesen im Wald, aufregende Begegnungen mit wilden Tieren, Übernachten unter freiem Himmel. Ein erstes Messer, die erste Jagd, der erste Schuss, Faustregeln und Tätowierungen. Vater Jacob (Ben Mendelsohn) lehrt seine Tochter, was sie wissen muss, um in der Wildnis zu überleben. Helena (Daisy Ridley) liebt und bewundert ihren Vater. Der hat sich als „wilder Mann“ von der Gesellschaft abgewandt. Er doziert gerne über die Regeln des „Survival of the fittest“ und schätzt den Wert der Familie über alles.
Der „Moorkönig“ muss ins Gefängnis
Dass Mutter Beth (Caren Pistorius) demgegenüber eher distanziert und streng erscheint, befeuert das Vater-Tochter-Verhältnis noch mehr. Umso verstörender wirkt es für Helena, als ihre Mutter die Abwesenheit des Vaters und die überraschende Begegnung mit dem Quadfahrer nutzt, um zusammen mit ihrer Tochter in die nächste Stadt zu fliehen und sich in die Obhut der Polizei zu begeben. Tatsächlich hatte Jacob Beth entführt und gezwungen, mit ihm in der Wildnis zu leben. Der gewiefte, aber gewalttätige „Moorkönig“ wird verhaftet und zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Für Helena bricht eine nur scheinbar heile Welt zusammen. Erst sehr viel später erinnert sie sich an Episoden, die sie zuvor offenkundig erfolgreich verdrängt hatte.
Die Adaption des Romans „The Marsh King’s Daughter“ (2017) durch Neil Burger macht kein Geheimnis daraus, dass es vornehmlich um das Atmosphärische des Lebens in der Natur geht. Kehrseite davon ist, dass Helenas biografische Entwicklung von der Tochter zur Mutter kaum eine Rolle spielt. Im Grunde ist „Das Erwachen der Jägerin“ ein Zwei-Personen-Stück, das die Alltagsgeschäfte abstreift, um ins Existentielle einer Vater-Tochter-Bindung hineinzuleuchten, was allerdings auch kommunikativ ausführlich bearbeitet wird. Mit der dramaturgischen Entscheidung ist allerdings auch ein Desinteresse an allen Nebenfiguren verbunden, die kaum über Skizzen hinaus entwickelt werden.
Nach einem großen Zeitsprung steigt der Film wieder ein, als Helena ihrerseits eine Familie gegründet und mit ihrem Mann Stephen (Garrett Hedlund) eine Tochter namens Marigold hat. Mit einem Bürojob lebt sie ein unauffälliges Leben, beschränkt ihre sozialen Kontakte allerdings auf das Nötigste. Doch dann nutzt ihr Vater Jacob die erste sich bietende Gelegenheit zur Flucht. Weil Helena seinen Familiensinn richtig einschätzt, weiß sie sich und ihre Familie in Gefahr. Zumal sie dem Anschein nicht traut, dass ihr Vater bei der Flucht ums Leben gekommen sei. Das Aufsehen um den Fluchtversuch sorgt allerdings auch dafür, dass die Polizei bei Helena vorstellig wird. Das führt auch dazu, dass ihre wahre Identität offenbar wird, da sie sich auch ihrem Mann gegenüber nicht als Tochter des „Moorkönigs“ zu erkennen gegeben hatte.
In den Wäldern und Sümpfen
Um das Vertrauen wiederherzustellen, reist Helena erstmals nach langer Zeit mit Marigold und Stephen in die alte Heimat, wo sie von dem Polizisten, der sie seinerzeit beschützte, freundlich empfangen wird. Der stellt sich als ihr Stiefvater vor, der als Angehöriger der First Nation auch darum weiß, dass Jacobs Weltsicht darauf gründet, sich die Haltungen der Indigenen zur Natur auf eine pervertierte Weise zu eigen gemacht zu haben.
Während Helena noch behauptet, mit ihrem Vater fertig zu sein, obwohl sie ahnt, dass das nicht stimmt, spürt sie schon dessen unsichtbare Gegenwart und die Bedrohung, die davon ausgeht. Schließlich muss sie selbst in die Wälder und Sümpfe hinaus, um dem Vater, der zugleich Lehrer und Gegner ist, zu beweisen, dass sie eine gute Schülerin ist. Und damit eine Gegnerin auf Augenhöhe.
Das Lösen aus der Abhängigkeit ist umso schmerzhafter, da Jacob glaubt, seiner Enkelin Marigold ein guter Großvater zu sein. Was allerdings nur eine sentimentale Manipulation ist, da es ihm letztlich nur um Macht und Besitz geht. So mündet „Das Erwachen der Jägerin“ in eine gewaltsame Emanzipation vom Vater, Lehrer und Meister. Die überaus konventionelle und aus dem Kindheits-Erinnerungs-Off kommentierte Inszenierung bezieht ihre Spannung dabei aber allein daraus, welche von Helenas männlichen Bezugspersonen den Showdown wohl überlebt. Für Helenas weiteren Lebensweg in der Gesellschaft aber wäre zu hoffen: Was im Wald geschah, bleibt im Wald.