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Filmplakat von Curiosa: Die Kunst der Verführung

Curiosa: Die Kunst der Verführung

100 min | Abenteuer, Science Fiction, Action | FSK 16
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Paris 1895. Pierre Louÿs ist ein Pariser Dandy und Dichter kurz vor dem Ruhm. Pierre und sein Freund Henri De Régnier sind beide bis über beide Ohren in Marie de Heredia verliebt, die freche Tochter ihres Mentors. Obwohl sie Gefühle für Pierre hat, heiratet Marie schließlich Henri, der eine bessere Situation hat. Schwer verletzt verlässt Pierre Paris und reist nach Algerien, wo er Zohra trifft, ein betörendes Mädchen aus der Gegend, mit dem er eine stürmische Beziehung und eine Leidenschaft für erotische Fotografie teilt. Ein Jahr später hat Marie immer noch schwache Gefühle für ihren Mann, und Pierre kehrt mit Zohra nach Paris zurück. Sobald Marie die Neuigkeiten hört, eilt sie zu Pierre und gesteht, dass sie sich für ihn aufgespart hat. Sie beginnen schnell eine Affäre, und ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen vielen Beteiligten beginnt, voller Verlangen, Eifersucht und Fotografie. Sie werden ihre zukünftigen Selbstbilder aufbauen, indem sie die etablierten Regeln übertreten. Wie weit werden sie gehen?

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Filmkritik

Eine Peepshow zu Zeiten der Belle Epoque: Während Marie vor dem Spiegel des elterlichen Salons ihr eigenes Abbild betrachtet und mittels der Selbstbetrachtung den von ihr imaginierten Pierre anflirtet, blickt der ihr in diesem Moment direkt ins Gesicht. Denn der Spiegel ist zur Seite des sogenannten „Geheimzimmers“ ein Fenster, mit kleinen Vorhängen, die sich wie bei einer Bühne öffnen und schließen lassen. „Diese Vorstellung ist nicht für Sie gedacht“, meint Maries Vater leicht schlüpfrig und zieht ihm den Vorhang vor der Nase zu. Jahre später wird die auf diese Weise heimlich Betrachtete aus ihren eigenen Betrachtungen heraus Bücher schreiben.

Marie de Régnier war Schriftstellerin, die unter dem männlichen Pseudonym Gérard d’Houville bis in die 1940er-Jahre hinein Gedichte und Romane veröffentlichte. Außerdem tauchte sie als Subjekt bzw. Objekt in zahlreichen erotischen Fotografien des französischen Lyrikers Pierre Louÿs auf, mit dem sie eine langjährige Beziehung und wahrscheinlich auch ein gemeinsames Kind hatte. Die Fotos – und die Briefe zwischen de Régnier und Louÿs (dessen Roman „Die Frau und der Hampelmann“ eine Grundlage für Luis Buñuels Film „Dieses obskure Objekt der Begierde“ war) – bilden den Ausgangspunkt des Spielfilmdebüts von Lou Jeunet. In „Curiosa“ versucht sich die französische Filmemacherin, die bisher nur mit Fernsehfilmen in Erscheinung trat, an einer Mischung aus Historienfilm und moderner Interpretation.

Erotische Fotografien als Kern einer amour fou

Die Geschichte nimmt ihren Anfang in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts. Im Haus des kubanisch-französischen Dichters José-Marie de Heredia herrscht ein freier Geist, doch für seine drei Töchter ist dennoch keine Alternative zur Ehe vorgesehen. „Wir sind wie Häuser, die zum Verkauf stehen, die vorher nicht vermietet werden dürfen. Wir dürfen uns besichtigen lassen, aber nicht auf jeder Etage“, meint Marie zu dem dandyhaft wirbeligen Pierre, der wie sein steifer Dichterfreund Henri häufig zu Gast ist.

Marie zieht es zu Pierre, und Pierre zu Marie, doch die Eltern verheiraten sie mit dem gesellschaftlich besser gestellten Henri. Der gekränkte Pierre verschwindet nach Algerien – und kehrt mit Zohra zurück, einer algerischen Geliebten, die auch sein bevorzugtes Modell wird. Gleichzeitig beginnt er eine leidenschaftliche Affäre mit Marie. Auch hier entsteht die Leidenschaft über die Aktfotografie. Kein Sex ohne vorherigen und anschließenden Einsatz des Fotoapparats. Dass Marie einmal selbst die Kamera in die Hand nimmt und den nackten Geliebten fotografiert, passt diesem allerdings überhaupt nicht – ebenso wenig, dass sie nach seinem erneuten Aufbruch nach Algerien eine Affäre mit einem anderen Mann beginnt.

Männliche Blicke, weibliche Perspektiven

Die erotischen Fotografien bilden im Film den Kern des Verhältnisses von Marie und Pierre. Die Regisseurin vermeidet es dabei aber strikt, sich mit einem männlichen Blick gemein zu machen. Sie verleiht den Szenen etwas Spielerisches, auch im Umgang mit den Geschlechterrollen – etwa wenn Marie in einer Szene Pierre in ein Korsett schnürt. Auch die Besetzung aktiviert sexuelle Ambivalenzen. Die etwas herbe Noémie Merlant wechselt nach ihrer Rolle in „Portrait einer jungen Frau in Flammen“ gleich in doppelter Weise die Seiten, doch ihr Auftritt als lesbische Malerin wirkt hier weiter nach. Und ihr Partner Nils Schneider ist durch seine Arbeiten mit Xavier Dolan oder Yann Gonzalez eigentlich eher als Objekt eines queeren Begehrens kodiert.

Dennoch merkt man, dass Jenet keine klare Idee hat, wie das Verhältnis von Blick, Voyeurismus, Abbild, Betrachtet-Werden und Kooperation – Marie bestimmt das Bild durch eigens „erfundene“ Posen mit – in ein produktives Verhältnis zu bringen wäre. Sie überspielt dies mit einem luftigen, später auch etwas gediegenen Ton. Nach dem flirrenden Anfang entwickelt sich der Film immer mehr zu einem konventionellen Liebesdrama um ein ungleiches Dreiecksverhältnis. Maries kreativem Erwachen wird darin nur ein untergeordneter Platz eingeräumt.

Formal gibt sich „Curiosa“ pop- und gegenwartsaffin. Die Synthie-Klänge des Musikers Arnaud Rebotini rufen sozusagen von heute ins Fin de Siècle hinein. Und die Männer im Film tragen einen urbanen Gentlemen-Moustache, wie man ihn derzeit auch auf den Straßen von London und Berlin findet. Vor allem am Anfang verströmt der Film einen gewissen „Bonello-Touch“. Das Geschehen spielt sich hauptsächlich in Innenräumen ab, Tapeten kommt eine wichtige Rolle. Sie verleihen dem Setting etwas Bühnenhaftes, Stilisiertes, auch Boudoirhaftes. In das komplizierte Feld der Schauanordnung aber wagt sich der Film nicht vor. Lieber schiebt er seine geschmackvollen Oberflächen vor.

Erschienen auf filmdienst.deCuriosa: Die Kunst der VerführungVon: Esther Buss (3.4.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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