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Filmkritik
Junge Frauen sind in „Cat Person“ Freiwild. Nicht ohne Augenzwinkern zeigt Regisseurin Susanna Fogel die 20-jährige Margot (Emilia Jones) bei ihrem Job in einem Programmkino, während reißerische Horrortrailer zu hören sind, in denen aufreizende Damen von bestialischen Kerlen geschändet werden. Auch im Alltag muss stets mit dem Schlimmsten gerechnet werden. Den anschließenden Nachhauseweg über den nächtlichen Uni-Campus absolviert die Studentin dementsprechend mit zügigem Schritt und kontrollierenden Schulterblicken.
„Cat Person“ führt mit einer surrealen Begegnung in seine Geschichte ein. Als Margot hektisch die Tür des Wohnheims aufsperren will, steht ein nicht ungefährlich aussehender, aber doch niedlicher Kampfhund vor ihr. Nur eine überkorrekte Studentin verhindert, dass sie das Tier aus Mitleid mit aufs Zimmer nimmt. Nachdem Margot allein ins Bett gegangen ist, träumt sie, wie der Hund die Kommilitonin in blutige Stücke reißt.
Ein etwas unbeholfener Fremder
Der Streuner versinnbildlicht gewissermaßen die Dating-Probleme in freier Wildbahn. Nach einer gleichnamigen, während der MeToo-Hochphase viral gegangenen Kurzgeschichte erzählt „Cat Person“ von einer Beziehung, in der sich Zuneigung und Angst die Waage halten. Der ältere Robert (Nicholas Braun), der Stammgast in dem Programmkino ist, fragt Margot eines Tages nach einem Date. Dass sie sich auf den etwas humorlosen und sozial unbeholfenen Fremden einlässt, wirkt dabei weniger rational als einem Gefühl geschuldet, das die junge Frau sich selbst nicht so genau erklären kann.
Vielleicht ist ihr Antrieb ein Wunsch nach Bestätigung, nachdem sich ihr Ex-Freund als asexuell geoutet hat. Vielleicht hat Margot auch ein Faible für ältere Männer, was der Film zumindest andeutet, wenn sie sich nötigen lässt, dem Vater als Geburtstagsständchen eine etwas unpassend laszive Version von „My Heart Belongs to Daddy“ zu singen. Es ist eine Stärke von „Cat Person“, sich mehr auf Beobachtungen als auf voreilige Schlussfolgerungen zu verlassen. Erlernte Rollenbilder sind für die Geschichte entscheidend, verleiten aber nicht zu simplen Statements über die Geschlechter. Dass der Film Widersprüche aushalten kann, liegt auch in seinem Zwitterwesen begründet. Die meiste Zeit spielt sich die Handlung in einer Grauzone zwischen romantischer Komödie und Thriller ab. Zentral bleibt dabei die Frage, ob Robert lediglich ein bisschen komisch ist oder vielleicht doch ein gewalttätiger Psychopath.
Die Schwierigkeit, „Nein“ zu sagen
Mit einem guten Gespür für zwischenmenschliche Holprigkeiten und Fremdschäm-Momente dreht sich „Cat Person“ vor allem um Missverständnisse und Projektionen, die das Daten mit sich bringt. Margots beste Freundin Taylor (Geraldine Viswanathan) tritt dabei nicht nur als Sidekick und zuverlässige Gag-Lieferantin in Erscheinung, sondern auch als exaktes Gegenteil der Protagonistin. Sie hat den Geschlechterkampf komplett in den virtuellen Raum ausgelagert und begegnet jedem Mann im wahren Leben zunächst skeptisch. Margot scheut die Nähe dagegen nicht, lässt sich aber leicht in Situationen verwickeln, in denen sie nicht „Nein“ sagen kann. Die Technologie verstärkt ihre Unsicherheit noch. Während Margots zahlreiche, um Aufmerksamkeit buhlende SMS-Nachrichten im Bild sichtbar werden, scheint Roberts Schweigen sie nur umso mehr anzuspornen.
„Cat Person“ offenbart, wie leicht sich durch die Konzentration auf eine Perspektive das Gesamtbild verzerren kann. Wenn Robert sich ein wenig plump und ichbezogen verhält, korrigiert Margot diesen Makel in ihrer Fantasie und stellt sich vor, wie ihr Date beim Psychiater sitzt und in blumigen Worten von ihr schwärmt. Zwischen Sehnsucht und Wirklichkeit entsteht dadurch ein immer tieferer Graben.
Und dann verhält es sich mit Robert genauso wie mit dem Kampfhund. Sobald die beiden allein sind, stellt sich Margot vor, wie er übergriffig wird. Der Film stellt dabei nie ganz klar, ob sich in diesen Tagträumen nur ihre Angst ausdrückt oder auch eine erotische Gewaltfantasie. Deutlich wird jedoch, dass die mögliche Gefahr für die junge Frau eher ein Anreiz als ein Hindernis ist.
Irgendwann kommt Margot Robert jedoch so nah, dass keine Projektionsfläche mehr bleibt. Mit jedem Date zeichnet sich stärker ab, dass er trotz seines höheren Alters nur wenig Erfahrung mit Frauen hat. Er küsst wie ein Anfänger, verehrt Harrison Ford für seine überlegene Männlichkeit und hat sein Wissen über Sex scheinbar ausschließlich aus Internetpornos. Plötzlich kippt etwas bei Margot. Was sie zunächst noch interessant und liebenswürdig fand, löst nun Fluchtgedanken in ihr aus.
Ohne Unbehagen geht es nicht
Nachdem sich „Cat Person“ lange an der Schwelle zwischen Spaß und Grauen aufgehalten hat, muss er sich im letzten Drittel entscheiden. Als Margot den Kontakt beendet, Robert aber nicht loslässt, scheinen sich ihre Ängste zu bestätigen. Dennoch belässt der Film weiter im Unklaren, wie real die Gefahr ist. Erst am Ende setzt Fogel auf die Eskalation eines Thrillers, versucht aber zugleich die Ambivalenz der Geschichte zu bewahren. Der Film bleibt dabei gerade durch seine Verbindung aus Genre-Sensibilität und nuanciertem Blick interessant; oder wie es Margots Professorin (Isabella Rossellini) ausdrückt: „Finden Sie sich mit ein wenig Unbehagen ab.“