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Filmkritik
Der schnellste Zug der Welt fährt von Tokio nach Kyoto. Mit an Bord ist Ladybug (Brad Pitt), ein vom Pech verfolgter Profikiller, der einen Koffer stehlen soll, den zwei andere Profikiller in ihrer Obhut haben. Der Auftrag verkompliziert sich, als weitere Berufsmörder aus aller Welt auftauchen, deren Aufträge sich verdächtig genau auf Kollisionskurs mit Ladybugs Mission bewegen.
Ihre Lebensläufe und Ankunftswege werden filmisch zu wahnwitzigen Kausalitätsketten gerafft: Ein kurzer Blickkontakt führt zum Sex, auf den folgt die Hochzeit, die führt zum vorzeitigen Ableben der Braut und der Verlust den rächenden Bräutigam direkt vor die Türen des Shinkansen-Zugs, auf dessen Innenseite Ladybug (einer der ungebetenen Gäste der Hochzeit) gerade darauf wartet, mit seiner Beute aussteigen zu können.
Ein Kino der Schticks & Gimmicks
Die schnelle Verknüpfung der Schicksale und das aus ihrem Aufeinanderprallen folgende Chaos sind das Grundprinzip der Actionfarce, die Regisseur David Leitch nach einer Romanvorlage von Kōtarō Isaka inszeniert. „Bullet Train“ ist Kino der Schticks und Gimmicks. Die Profikiller:innen sind als Figuren nie über die in ihren Spitznamen angedeuteten Masche hinausgedacht, die der Film als blutigen Klamauk kombiniert und rekombiniert, bis die Möglichkeiten erschöpft sind oder die Beteiligten das Zeitliche gesegnet haben. Im besten Fall erinnert das in einigen Momenten an „John Wick“, also das physische Actionkino, mit dem David Leitch der Sprung vom Stuntexperten zum Actionregisseur gelang. In aller Regel aber sind die Treffen zwischen den Killer:innen lange, augenzwinkernde und mit Meta-Kommentaren zugeklebte Dialogschlachten.
Der eine (Brian Tyree Henry) erklärt das Menschsein entlang der Figuren der Kinderserie „Thomas, die kleine Lokomotive“, der nächste (Aaron Taylor-Johnson) hält ausgedehnte Vorträge über die Komplexität des ihm gegebenen Decknamens „Tangerine“. Derweil versucht der Protagonist Ladybug, mit den Binsenweisheiten seines Therapeuten die schlechten Karten, die das Glück ihm am Ende jeder weiteren Kausalkette serviert, in etwas Positives umzudeuten.
Ein Lichtblick: die Darsteller
Das sind allesamt Motive, die im permanenten Perspektivwechsel zu ostentativ in Szene gesetzten filmischen Kreuzreimen konstruiert werden, an deren Ende meist der unglückliche Brad Pitt steht, um von der aus dem Zoo geklauten Giftschlange gebissen, vom japanischen Luxus-Bidet nassgespritzt oder vom pedantischen Schaffner beim Schwarzfahren erwischt zu werden.
Pitts charismatische und mit viel körperlicher Hingabe vorgetragene Leistung sowie die Chemie, die zumindest zwischen Brian Tyree Henry und Aaron Taylor-Johnson erkennbar ist, halten die selbstironische Popkulturfaselei halbwegs im Rahmen des Erträglichen. Wirklich von der Stelle kommt der fröhlich zynische Gangster-Klamauk aber nie. Das mit „needle drops“ und den rasenden Lebenslauf-Exkursen unterfütterte Spektakel besitzt schlichtweg kein Leben hinter seiner ironisch-distanzierten Fassade.
Die erkennbar schlecht aus der Romanvorlage exportierte Reibungswiderstand zwischen dem Pathos japanischer Kulturtradition (verkörpert von Hiroyuki Sanada) und den Exzessen der zeitgenössischen japanischen Popkultur bleibt wie fast alles im Film ein Platzhalter für den Ankerpunkt, den der Film schlichtweg nicht hat. Die Westernisierung der Romanvorlage hat der Produktion schon im Vorfeld den Vorwurf des „Whitewashing“ eingebracht. Besonders die von Joey King verkörperte Prince, eigentlich eine klassische Version des „Joshi kōsei“-Archetyps, der besonders in Anime und Manga noch immer populären, oft Lolita-haften High-School-Schülerinnen), entledigt sich in ihrer „weißgewaschenen“ Neuauflage jeglicher kulturellen Relevanz.
Ohne je irgendwo anzukommen
Ob die „farbenblinde“ Version einer ansonsten weitgehend japanisch besetzten Geschichte anstößig ist, sei dahingestellt. Die von ihr ausgelöste motivische Schieflage ist jedoch kaum zu übersehen. Dem Film ist das egal. Wer nichts ernst nimmt, hat sich nichts vorzuwerfen. Und wer sich nicht festlegt, liegt auch nicht falsch. In eben diesem Modus rast „Bullet Train“ über das Shinkansen-Netz – ohne je irgendwo anzukommen.