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Filmplakat von Brother’s Keeper

Brother’s Keeper

85 min | Drama
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Yusuf (Samet Yıldız) und Memo (Nurullah Alaca) sind beste Freunde. Gemeinsam wachsen die beiden in einem im osttürkischen Bitlis ansässigen Internat für kurdische Jungen auf. Als Memo plötzlich krank wird, ist Yusuf auf einmal wie alleine – dort, in den sowieso schon einsamen Bergen Ostanatoliens. Denn wirklich helfen will zunächst niemand. Yusuf muss gegen die Bürokratie der Schulbehörden ankämpfen wie Don Quijote gegen die Windmühlen. Den Ernst der Lage begreifen die Verantwortlichen erst, als es schon fast zu spät ist. Sie beschließen: Memo muss ins Krankenhaus gebracht werden. Doch vorher wird die Schule unglücklicherweise eingeschneit – und hinter den Türen beginnt die Debatte über Schuld und Unschuld.

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Filmkritik

„Brother’s Keeper“ wirft einen unmittelbar in den lärmenden, chaotischen Alltag eines türkischen Jungeninternats. Die Handkamera drängt sich auf Augenhöhe mit den Schülern durch die Gänge und beobachtet sie beim abendlichen Reinigungsritual in der Gemeinschaftsdusche. Nicht nur unter den Kindern ist der Umgang ziemlich rau. Wegen einer Lappalie zwingt ein Aufpasser den kleinen Memo (Nurullah Alaca), sich mit eiskaltem Wasser zu waschen. Besonders grausam ist diese Strafe, weil zwischen den verschneiten Bergen im Südosten Anatoliens Minusgrade herrschen und die Heizungen nicht funktionieren. Zitternd geht der Junge ins Bett und ist am nächsten Morgen zu schwach, um allein aufzustehen.

Als Memos Bettnachbar Yusuf (Samet Yildiz) seinen Freund auf die Krankenstation bringen soll, stößt er überall auf Desinteresse. Ohne ärztliche Aufsicht wird der fast leblose Memo schließlich in einem Zimmer abgelegt und bleibt dort auch bis zum Ende des Films. Yusuf ist weniger ein klassischer Protagonist als vielmehr eine Figur, die den Blick lenkt. Vor allem auf einen autoritären, emotional abgestumpften Lehrerapparat, der die ungebändigte Energie der Kinder mit Kasernenton und Ohrfeigen zu zügeln versucht. Eine Rede des Schuldirektors inszeniert der Film von Ferit Karahan wie die aggressive Ansprache eines Diktators. Zur Abschreckung wird einem Jungen, der zu fliehen versuchte, vor versammelter Mannschaft der Kopf geschoren.

Im türkisch-kurdischen Spannungsfeld

Die Trennung zwischen Herrschern und Geknechteten hat in „Brother’s Keeper“ auch eine politische Dimension. Während die überheblichen Lehrer ausnahmslos Türken sind, die für die Bevölkerung nur Verachtung übrighaben, handelt es sich bei den Jungen um Kurden. Als ein Schüler im Geografieunterricht von der kurdischen Region des Landes spricht, erwidert die Lehrerin pampig, dass es so etwas überhaupt nicht gäbe. So wie Kinder hier am Kindsein gehindert werden, wird eine Minderheit von einer Mehrheit gebrochen und manipuliert. Nicht selten wirkt das von der Außenwelt isolierte Gelände wie ein Gefängnis.

Die Aufmerksamkeit dient wachsend mehr jenen, die dieses System aufrechterhalten und sich dabei kaum für das Heil der Kinder interessieren. Wie in einem Krimi versammelt Ferit Karahan die Angestellten, um nach und nach herauszufinden, wer an Memos Zustand Schuld hat. Doch jeder windet sich aus der Verantwortung heraus.

Die Ernsthaftigkeit der bedrückenden Situation bricht der Film immer wieder mit kuriosen Einfällen und weidet sich an der Unfähigkeit der Angestellten. Der rutschige Boden bringt jeden, der eintreten will, slapstickhaft fast zum Sturz, und wegen des schlechten Handyempfangs müssen sich die Männer zum Telefonieren auf einen Stuhl stellen.

Die Ansätze gehen nicht zusammen

Je länger dieses aussichtslose Prozedere dauert und der Verdacht von einem Lehrer auf den nächsten fällt, desto mehr drängt sich die Frage auf, worauf „Brother’s Keeper“ eigentlich hinauswill. So ganz gehen seine unterschiedlichen Ansätze nicht zusammen. Was als Drama über eine liebevolle Kinderfreundschaft in einem mitleidslosen Umfeld beginnt, entwickelt sich zunehmend zu einer satirisch gefärbten Institutionskritik. Doch auch diese Tendenz entkräftet der Film schließlich mit einer überraschenden Schlusswendung, die es nicht mehr zulässt, die Verantwortung einem ganzen System zuzuschieben. Die Auflösung wirkt so unpassend, weil Memos Schicksal plötzlich nicht mehr den unmenschlichen Strukturen geschuldet ist, sondern lediglich einem unglücklichen Zufall.

Das Hauptproblem des Films scheint jedoch grundsätzlicher zu sein, weil er sich der Welt der Erwachsenen und der der Kinder mit völlig unterschiedlichen Erzählweisen nähert. Dadurch wirkt es, als gäbe es zwei Filme, die nie zueinander finden. Man könnte auch sagen, Karahan zeigt Missstände auf, ohne sich zu genau einen Reim darauf machen zu wollen. Es passt dann ganz gut, dass die letzte Einstellung einen vieldeutig vorwurfsvollen Blick in die Kamera zeigt, ohne dass man als Zuschauer begreift, warum man sich eigentlich schlecht fühlen soll.

Erschienen auf filmdienst.deBrother’s KeeperVon: Michael Kienzl (4.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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