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Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Das Kino liebt das Kulinarische. Und das nicht nur wegen der Romantik, die Essen haben kann, wenn man es gemeinsam zelebriert, oder wegen seines komischen Potenzials, das schon der Stummfilm mit Tortenschlachten und Co. unsterblich machte. Das Medium Film hat im Lauf seiner Geschichte Speisen in unzähligen Variationen symbolisch, liebevoll, hasserfüllt, hinterhältig, kurz: mit jeder denkbaren menschlichen Intention und Emotion aufgetischt. Seit einigen Jahren entdecken Filme und Serien auch zunehmend die Gastronomie für sich, und mit ihr den brutalen Mikrokosmos, der hinter dem Auftischen von Speisen steht: Eine Arbeitswelt, die ihre Kreationen aus der klaustrophobischen Wuselei der modernen Küche hervorbringt, oft in zermürbender Hitze, unter gnadenlosem Zeitdruck, immer begleitet von der dazugehörigen feindseligen Atmosphäre.
Arbeitsplatz mit ständiger Zeitnot
Mit einem auf einen scheiternden Sternekoch zugeschnittenen Plot hebt sich „Yes, Chef“ erst einmal kaum von anderen Vertretern des modernen Gastronomie-Genres wie „Kochen ist Chefsache“ (2012), „Im Rausch der Sterne“ (2015) oder der Serie „The Bear“ (2022) ab. Formell aber geht der von Philip Barantini geschriebene und inszenierte Spielfilm (eine Langfassung des gleichnamigen Kurzfilms, die bereits als Miniserie fortgesetzt wurde) eigene Wege. „Yes, Chef“ ist in nur einer Einstellung gedreht. Der Arbeitsplatz, der Köche und Service-Personal unter ständiger Zeitnot aneinander und an ihre Gäste geraten lässt, entpuppt sich als perfektes Umfeld für eine auf Spielfilmlänge gestreckte Plansequenz.
Die lange Einstellung hält die zeitliche Kontinuität und damit die Spannung, die bereits dort ist, als der furchtbar erschöpfte Küchenchef das noch geschlossene Restaurant betritt und die Vorbereitungen für den Abend beginnt. Kein gewöhnlicher Abend. Ein Gesundheitsinspektor begrüßt Andy mit der Mitteilung, dass sein Restaurant aufgrund der heute besichtigten Mängel in der Bewertung herabgestuft werde. Aus den langen Listen der Mängel, die er verliest, bleibt erst einmal nur hängen, dass Camille (Izuka Hoyle), die jüngste Köchin im Team, ihre Hände in der Lebensmittel-Spüle gewaschen und ihr Kollege Tony (Malachi Kirby) Austern und Gemüse auf dem gleichen Schneidebrett zubereitet hat – Kreuzkontamination, ein Anfängerfehler und absolutes No-Go in jeder Küche.
Jenseits von ausgebrannt
Andy foltert das Küchenpersonal mit einer langen Liste rhetorischer Fragen, verlangt jedem Kritikpunkt ein „Yes, Chef“ als Antwort ab und widmet sich dann Souschef Carly (Vinette Robinson), die ihm das Menü für den Tag vorstellt und zugleich darauf hinweist, dass ein großer Teil der notwendigen Bestellungen nicht gemacht wurde und die entsprechenden Zutaten knapp sind. Es ist der erste Hinweis darauf, dass eben nicht Andy derjenige ist, der den Laden hier zusammenhält, sondern der Laden Andy mit durch die Krise schleppen muss. Der Küchenchef ist jenseits von ausgebrannt. Das Privatleben liegt, wie die zunehmend kürzer werdenden Telefongespräche mit der Freundin beweisen, endgültig in Trümmern, das Restaurant ist so schlecht aufgestellt wie seit Jahren nicht und steht vor dem finanziellen Aus.
Der Weg führt in Richtung Abgrund, und Barantini treibt seinen Film unerbittlich weiter auf ihn zu. „Yes, Chef“ funktioniert als Thriller, der gnadenlos die Schrauben anzieht, wie auch als Drama, das einen Blick auf die Menschen wirft, die unter dem Druck zusammenbrechen. Wieder und wieder unternimmt die Kamera kleine Exkursionen in die Hinterzimmer und -Höfe, beleuchtet die menschlichen Dramen, die sich an den Nebenschauplätzen zutragen.
Die Patissière Emily (Hannah Walters) sieht zum ersten Mal, dass ihr Sohn, der an der gleichen Station arbeitet, sich an den Unterarmen ritzt; die Spülerin Sophia (Gala Botero) ist schwanger und muss sich mit der doppelten Menge Arbeit abschuften, weil der zweite Spüler Jake (Daniel Larkai) konstant zu spät kommt. Maître d’hôtel Beth (Alice Feetham) muss die Arbeit für einen Weinkrampf auf der Toilette unterbrechen, Andy hält sich am gleichen Ort mit einer Nase Koks auf den Beinen. Die eigentliche Leistung des Films ist es, den Niedergang des Küchenchefs, dem Hauptdarsteller Stephen Graham bei aller manischen, selbstzerstörerischen Energie immer noch die aufrichtige Liebe zum Kochen und die Sympathie für seine Kolleg:innen unterzuschmuggeln vermag, bei aller Geradlinigkeit noch zu modulieren. Der zerstörerische Sog, der Küchenchef und Personal gleichermaßen in den Abgrund zieht, ist trotz aller Verknappungen, die ihn immer wieder in die Nähe des Klischees bringen (die rassistische Bourgeoisie, der überhebliche Mentor, die Frau, die im Hinterzimmer weint et cetera), immer und bis zum Ende zwingend.